Intelligente Ampeln für weniger Schadstoffe in der Stadt

Weniger Staus, weniger Stop-and-go, weniger Parkplatzsuche: KI-gesteuerte Ampeln sollen die Luft in Wuppertal sauberer machen.

Autor*in RESET , 08.10.19

Der Platz auf den Straßen ist rar. Autos, Lieferdienste, Busse, Straßenbahnen, Radfahrende, Fußgänger*innen – sie alle wollen möglichst bequem und schnell ans Ziel kommen. So genannte „Grüne Wellen“ sollen dabei helfen, Staus zu vermeiden und den Autoverkehr fließen zu lassen. Auch eine neue Form intelligenter Ampelsysteme in Wuppertal möchte auf dieser Welle reiten – jedoch nicht, um das Autofahren bequemer zu gestalten, sondern um Schadstoffe zu reduzieren. 

Wuppertal ist in Sachen Verkehr vor allem für seine Schwebebahnen bekannt. Aus ihnen kann man nicht nur einen schönen Ausblick über die Stadt genießen, sie sind vor allem praktisch, weil sie keinen Platz auf der Straße benötigen. Doch auch mit Schwebebahn wird der Platz auf den Straßen immer knapper. Nicht nur in Wuppertal wird daher versucht, mit intelligenten Steuerungen den Verkehr möglichst harmonisch fließen zu lassen. Dabei sollen nicht nur Wartezeiten für die Autofahrenden verkürzt werden, sondern durch das Reduzieren von stetigem Stoppen und Anfahren soll auch die Schadstoffbelastung verringert werden. Dies alles soll durch „Künstliche Intelligenz“ (KI) gewährleistet werden.

Doch wozu wird KI dabei benötigt?

Um zu verstehen, wie komplex das Verkehrssystem in der Stadt Wuppertal ist, hilft es sich ein Raster vorzustellen. In einem Feld von 20×17 cm-Abschnitten würde jede Linien-Kreuzung eine Einmündung oder Kreuzung in Wuppertal darstellen. So erklärt es Rolf-Peter Kalmbach gegenüber RESET. Er ist Abteilungsleiter für Straßen und Verkehr der Stadt Wuppertal. Neben der Menge an Kreuzungen kommen noch Variablen wie Umweltdaten, Topografie und spezifische Anbausituationen hinzu.

Um eben dieser Komplexität gerecht zu werden, braucht es die Unterstützung einer Steuerung auf KI-Ebene. Diese entwickelt die Stadt momentan, zusammen mit der Bergischen Universität Wuppertal; laut Kalmbach soll das Projekt Bergisch.Smart bis 2021 fertiggestellt werden. In Wuppertal werden die Daten des Verkehrs und der aktuellen Schadstoffbelastung in Echtzeit an die Ampeln weitergegeben, damit diese rechtzeitig darauf reagieren können. Mit der KI kann dann wesentlich schneller und vorausschauender auf Staus, Schadstoffbelastung oder auch den ÖPNV reagiert werden.

Zudem soll es mit einer App möglich sein, freie Parkplätze angezeigt zu bekommen. Denn 20 bis 30 Prozent des innerstädtischen motorisierten Verkehrs werde allein durch das Suchen von Parkplätzen verursacht. Sensoren an Straßenlaternen erkennen freie Parklücken, indem sie den Boden mit einem virtuellen Raster scannen und so Parklücken eigenständig identifizieren, auch ohne weiße Markierungen am Boden. Der Stadt war es wichtig, diese Technik selbst zu entwickeln, um nicht auf die „Black Box“ eines Unternehmens angewiesen zu sein. „Es gibt derzeit kein mir bekanntes System, das all diese Anforderungen vollständig erfüllt!“, fasst es Kalmbach zusammen. 

Mit Auto-Ampeln für weniger Autos sorgen?

Wenn Autofahrende künftig also seltener im Stau oder vor roten Ampel stehen müssten – würden dann nicht noch mehr Menschen ins Auto steigen, statt in den Bus oder aufs Fahrrad? Doch Rolf-Peter Kalmbach betont, dass das intelligente System nicht ausschließlich den Autoverkehr fördern soll. Damit der Fußverkehr nicht zu lange warten muss, soll durch manuelle Schaltungen an Fußgängerampeln die Grünphase für Autos nicht länger als 60 Sekunden andauern. Zudem soll zwar der Verkehr fließender werden, Kalmbach versichert aber: „Die so gewonnenen Ressourcen sollen jedoch ausschließlich dem ÖPNV, Radfahrer*innen und Fußgänger*innen zugute kommen.“ Und noch eine Möglichkeit eröffnen die intelligenten Ampeln: „Grünzeiten können verringert werden auf Strecken, wo die Schadstoffbelastung zunimmt.“

Zudem ist Kalmbach der Meinung, dass der Individualverkehr generell einzudämmen sei, selbst wenn immer mehr Menschen sich ein Elektroauto kaufen. Denn auch ein Elektroauto ist eben nicht so umweltfreundlich wie der ÖPNV oder das Fahrrad. „Mein Ansatz wäre trotzdem jedoch nicht etwa Autofahrer*innen zu ›bestrafen‹, sondern den ÖPNV offensiv und nachhaltig zu attraktivieren“, meint Kalmbach. Das soll z.B. durch günstigere Tickets geschehen und auch durch eine Verknüpfung verschiedener Verkehrsverbünde. Dies würde zwar zunächst mehr Kosten verursachen, langfristig würde die Stadt auf diese Weise aber mehr sparen, als wenn sie „später die Umweltschäden zu horrenden Kosten ›abarbeiten‹“ müsste.

Wie kann KI im Umwelt- und Klimaschutz wirkungsvoll eingesetzt werden? Welche spannenden Projekte gibt es? Was sind die sozial-ökologischen Risiken der Technologie und wie sehen Löungen aus? Antworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben wir in unserem Greenbook(1) „KI und Nachhaltigkeit – Können wir mit Rechenleistung den Planeten retten?“.

Neue RESET-Publikation: Mit E-Mobilität zur zukunftsfähigen Stadt

E-Mobilität – das nächste große Ding? Auf unseren Straßen hat sich die elektromobile Fortbewegung noch nicht durchgesetzt. Aber die Sache ist in Bewegung. Der Status quo, aktuelle Trends und ein Blick in die Zukunft.

Das Ampelsystem der Zukunft?

Im Hamburger Hafen wird ein KI-basiertes Ampelsystem entwickelt, das Verkehrsströme effizienter steuern soll.

Elektro-Scooter auf Berlins Straßen: Ein umweltfreundliches Verkehrsmittel?

Mit Strom angetriebene Leih-Roller sind das neueste Sharing-Verkehrsmittel in immer mehr Städten. Können die Fahrzeuge zur Verkehrswende beitragen? Und wie steht es um ihre Ökobilanz?

Ein Pilotprojekt bringt Lastenräder auf die Straßen von Städten und Kommunen

Lastenfahrräder, die PKW-Fahrten ersetzen, können ein Teil der Lösung für einen umwelt- und klimafreundlichen Verkehr sein. Ein Pilotprojekt in Konstanz und Norderstedt hat erprobt, wie gut sich Lastenräder zum Leihen in Kommunen etablieren lassen.

e
© e.GO Mobile AG
Die Sache kommt ins Rollen: E-Busse nehmen langsam Fahrt auf

Ein Bus, der schon jetzt vollelektrisch fährt und demnächst auch autonom, geht dieses Jahr in Serienproduktion. Und er kommt nicht von einem großen Automobilkonzern, sondern wurde von einer Ausgründung der RWTH Aachen entwickelt.

Vertikale Gärten machen Autobahnen in Mexiko Stadt grüner

Vertikale High-Tech-Gärten könnten in Mexiko City bald dazu beitragen, dass Umweltverschmutzung und Lärm des kürzlich ausgebauten Autobahnsystems verringert werden.

Leere Straße? Diese Laternen dimmen sich selbst!

Eine kleine norwegische Stadt testet eine neue energiesparende Technologie bei Straßenlaternen: Wenn niemand in der Nähe ist, dämpfen diese ihr Licht.

Hawa Dawa – künstliche Intelligenz für saubere Luft

Das Münchener Startup Hawa Dawa vereint das Internet der Dinge mit künstlicher Intelligenz und erstellt so eine Echtzeit-Karte über die Luftgüte in Städten.

street-electricity-emobility
Tobias Dittmann
„In 25 Jahren muss der Verkehr fast ausschließlich elektrisch sein“

Wie kann Deutschland seine Klimaschutzziele doch noch erreichen? Und was kann E-Mobilität dabei leisten? Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme, spricht darüber im Interview.