Independence Day – Klamme Kommunen, ruinierte Unis, weltweite Krise.

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Photo: stock.xchng

Heute wird in den Vereinigten Staaten von Amerika der Nationalfeiertag begangen. In tiefer Krise im In- wie Ausland, Umweltkatastrophe, Arbeitslosigkeit und mit de facto bankrotten Bundesstaaten, lohnt es sich einen Blick darauf zu werfen, was heute als Sieg der Moderne über ein überkommenes Regierungssystem gefeiert wird:

Autor*in RESET , 04.07.10

Heute wird in den Vereinigten Staaten von Amerika der Nationalfeiertag begangen. In tiefer Krise im In- wie Ausland, Umweltkatastrophe, Arbeitslosigkeit und mit de facto bankrotten Bundesstaaten, lohnt es sich einen Blick darauf zu werfen, was heute als Sieg der Moderne über ein überkommenes Regierungssystem gefeiert wird:


We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness. That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed, That whenever any Form of Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to abolish it, and to institute new Government, laying its foundation on such principles and organizing its powers in such form, as to them shall seem most likely to effect their Safety and Happiness. Prudence, indeed, will dictate that Governments long established should not be changed for light and transient causes; and accordingly all experience hath shewn, that mankind are more disposed to suffer, while evils are sufferable, than to right themselves by abolishing the forms to which they are accustomed. But when a long train of abuses and usurpations, pursuing invariably the same Object evinces a design to reduce them under absolute Despotism, it is their right, it is their duty, to throw off such Government, and to provide new Guards for their future security.

Der Kontext im 18. Jahrhundert war sicher ein anderer. Allderdings sind demokratische Ideale wie Repräsentation des Volkswillens, eine Staatsgewalt, die die freiheitlichen Bürgerrechte schützt und nach Prinzipien der Rechtstaatlichkeit verfährt, sowie die Naturrechte eines jeden Bürgers anerkennt. Doch das politische System der USA, welches zu Beginn der Morderne noch die progressive Nationastaatsidee vorantrug, bevor auch in Europa Monarchien abgelöst wurden, sieht sich heute inadequater denn je mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts konfrontiert.

Die aktuelle Nachrichtenlage weltweit ruft selbst in konsolidierten (Demokratien wie Griechenland, Wiege europäischer Kultur, Spanien, wo einst eine Vielzahl von religiösen Gruppen friedlich zusammenlebten, und in progressiven Demokratien wie die des Vereinigten Königreiches Fassungslosigkeit und Lethargie hervor: Man muss nicht auf das deutsche Sparpaket schimpfen um zu sehen, dass weltweit unverantwortliche Finanzentscheidungen auf allen Ebenen von Verwaltung, Wirtschaft und internationaler Zusammenarbeit getroffen wurden. Island, eine der ältesten Demokratien der Welt, ist durch die Wirtschaftskrise in ihren Grundfesten fundamental erschüttert worden und sucht nach neuen Wegen, sich zu rehabilitieren.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich nicht das vielgescholtene Nachhaltigkeitsprinzip bemühen, um Verstöße gegen den Generationenvertrag, d.h. Verbrechen gegen zukünftige Generationen anzumahnen. Ob New York City, meine alte Alma mater, oder Kommunen in ganz Deutschland: Aufgaben, die weithin unbestritten zu Kernaufgaben kommunaler und föderaler Verwaltung gehören – bspw. Feuerwehr, Polizei, Infrarstrukturen usw. – können nicht mehr geleistet werden. Seit Jahren werden Defizite beschönigt statt ausgeglichen, notwendige Investitionen aufgeschoben und mit kurzfristigen Schadensbegrenzungsaktionen prekäre Situationen in Universitäten, Kommunen und Bundesländern symptomgeschwächt aber nicht progresssiv de-eskaliert.

Wie, fragt man sich, kann es zu einer so weit verbreiteten Unter- und Falschfinanzierung und untragbaren Scheinlösungen von Problemen kommen, die je um ein Jahr oder eine Legislaturperiode verschoben, aber nicht gelöst werden? Jede Geschäftsfrau mit kleinem Unternehmen, jeder Abteilungsleiter in der Privatwirtschaft wäre längst gegangen statt wiedergewählt worden. Außer natürlich, wenn dem nicht so ist.

Mir scheint, die momentane Schwere und Reichweite der wirtschafltlichen Situation unserer Städte, Gemeinden und Länder fordert einen neuen, einen realistisch-pragmatischen aber bestimmten und vor allem aktiven Umgang mit den Problemen, die sich in Zukunft nur verschlimmern werden.

Wie können Städte und Kommunen, Universitäten und ein gesamtes Bildungssystem de facto bankrott gewirtschaftet werden, wenn die Bildungsrepublik Deutschland ganz klar einer der profiliertesten Posten der Bundesregierung ist?

Wie kann bspw. in Hessen durch die Streichung von Mitteln zur Aufrechterhaltung der universitären Grundversorgung eine Situation entstehen, die ihre Studierenden u.U. in Geiselhaft nimmt, wieder Studiengebühren zahlen zu müssen, wenn weiterhin der Unibetrieb aufrechterhalten werden soll –– besser notdürftig denn gar nicht‽

Es ist an der Zeit, dass sich Akteure und Organisatoren der Lokalpolitik auf ihre Unabhängigkeit besinnen und sich mit eigenen Konzepten und Programmen aus der Abhängigkeit von jederzeit widerrufbaren Zusagen der Länder oder des Bundes ein Stück weit entfernen. In vielen Fällen muss sowieso zunächst lokal die Mittelbereitstellung gewährleistet sein, bevor Bund oder Länder die Mittel anteilig aufstocken. Ergo ist es im Interesse einer jeden Gemeinde, ein ausgeglichenes Budget zu erreichen – wobei die zugesagten Mittel theoretisch nur das Sahnehäubchen auf der ausgeglichenen Bilanz sein sollten.

Die Realität sieht in vielen Regionen freilich anders aus: Bei einem hohen Anteil von Senioren und hoher Arbeitslosigkeit ohne robuste lokale Wirtschaftsstrukturen sind die Sozialausgaben der Gemeinden entsprechend hoch ohne balancierenden Einnahmen durch Gewerbesteuern usw. gegenüber zu stehen. Derweil gehen die bestehenden Infrastrukturen den Weg alles Weltlichen mit allen unerfreulichen Nebenwirkungen – ohne Investitionen in Reparaturen, Neuanschaffungen und Aufrechterhaltung dessen was Subventionen schon als Stückwerk finanziert haben. Viele Gemeinden stehen seit Jahren am Rande des Ruins, wobei jede Entscheidung über Mittelkürzungen oder -verlagerungen existentielle Auswirkungen hat: Für die lokale Kita, die den wenigen Berufstätigen die Kinderbetreuungsfrage erleichtert, für den Jugendclub, das Stadtfest, die Freiwillige Feuerwehr…

Weil ich mich in der Uniwelt etwas besser auskenne, als in der Kommunalpolitik, musste ich beim Gedanken an meine Klamme Alma mater in Marburg an das Deep Springs College, ein Liberal Arts College in den USA, denken, welches nach einem anderen Konzept verfährt als die großen Elite-Universitäten auf die deutsche PolitikerInnen so gern schielen: ZEIT – Die Wundertüte
Hier sind 27 männliche Studenten mit 6 akademischen Lehrern in ein humanistisches Programm eingespannt. Deep Springs ist zugleich College und Rinderfarm mit Alfalfa-Anbau und wird in studentischer Selbstverwaltung geführt. Die Studenten entscheiden, wer aufgenommen wird, stellen Professoren an, kochen, putzen und diskutieren den ganzen Tag.

(Einen tieferen Einblick in das Leben am Deep Springs College gibt die Bilderstrecke der ZEIT.)

Es kann also funktionieren: Studierende übernehmen Verantwortung über ihre eigenen Lernumgebung. Ob es jedoch auf deutsche Großuniversitäten übertragbar wäre, ist fraglich. Allerdings ist offen zu überlegen, ob die Studierendenschaft nicht selbst mit Ideen zur Konsolidierung von Haushalten im Rahmen der Freiheiten der Hochschulen zur Verbesserung der Situation beitragen könnten. Ähnlich sehe ich die Situation in Kommunen: Sicher gibt es unter den jungen Gemeindemitgliedern solche mit Ideen für progressive Wege aus der Krise. Angesichts des Mangels echter Lösungsvorschläge und realistische, ganzheitliche Rettungspläne eine Option die Crowdsourcing zum Gemeinwohl nutzen und Diskussionen entfachen könnte.

Die Frage des bürgerschaftlichen Engagements stellt sich hier ebenso wie die Integration von Externen in die regionalen Entscheidungsprozesse. Community, der Gemeinschaftsgedanke der in anderen Teilen der Welt so stark ausgebildet ist – teilweise um die limitierten wohlfahrtsstaatlichen Programme auszugleichen – sollte zum Ausgangspunkt zur Verbesserung der Situation genommen werden.

Aber können Community-Engagement & Graswurzel-Organisation auch wirklich die Lösung für die kritische Situation von Unis, Städten und Gemeinden sein?

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