Das Münchner Startup Hyperganic will Objekte designen, die so komplex, funktional und nachhaltig wie die Natur selbst sind, wie es auf der Unternehmenswebseite heißt. Dazu kombiniert das Unternehmen Künstliche Intelligenz mit 3D-Druck, auch „Additive Manufacturing“ (AM) genannt. Bei AM werden Materialien wie Kunststoffe oder Metalle nach einem computergestützten Design (Computer-Aided Design, CAD) Schicht für Schicht aufgetragen und übereinandergelegt, bis ein dreidimensionales Objekt entsteht. Die Hyperganic-Ingenieure geben das Design allerdings nicht vor, sondern sie geben lediglich Input, über welche Eigenschaften das Produkt am Ende verfügen soll. Diese Daten und Vorgaben werden von einer KI-Software umgesetzt, die eine große Menge verschiedener Prototypen entwirft. Diese werden so lange getestet, bis ein vielversprechender Entwurf dabei ist. Auf diese Weise kann die KI-Software lernen und sich weiter verbessern.
Ermöglicht wird dieses „KI-Engineering“ dadurch, dass die von Hyperganic entwickelte Software mit Voxeln („3D-Pixeln“) rechnet. Herkömmlichen CAD-Programme arbeiten dagegen meist mit STL-Dateien, die nur die Oberflächengeometrie eines dreidimensionalen Objekts beschreiben – was letztlich Einschränkungen und Komplexitätsreduktionen im Design bedeutet. Durch KI-Engineering wird das Design frei von Einschränkungen und bestehenden (menschlichen) Vorstellungen, denn nicht die Möglichkeiten der Fertigung stehen hier im Vordergrund, sondern der Nutzen des Objektes. Auf diese Weise können völlig neuartige Designkonzepte entstehen.
Zu den Projekten des 2015 gegründeten Startups gehören bisher unter anderem ein Fahrradhelm, dessen Design auf der Grundlage von Daten aus echten Fahrradunfällen entstand, und ein neuartiges Raketentriebwerk. In einem TEDx-Talk stellte Hyperganic-Gründer Lin Kayser die Methode vor, die zum Design des vollständig 3D-gedruckten und organisch anmutenden Triebwerks führte.
Diese Form der Fertigung durch sogenanntes „generatives Design“ ist keine Spielerei, sondern könnte tatsächliche Vorteile für Umwelt und Klima mit sich bringen. Durch den 3D-Druck können Objekte punktgenau erstellt werden, ohne dass überschüssige Teile wieder abgetragen werden müssen – das spart Material, Energie und Kosten und es entstehen weniger bis gar keine Abfallprodukte. Zudem können durch Additive Manufacturing nachhaltigere Materialien verwendet werden. Auch ermöglicht 3D-Druck eine Herstellung vor Ort und nur bei Bedarf, sodass lange Transportwege und eine Bestandslagerung in Warenhäusern unnötig werden – CO2-Emissionen könnten so maßgeblich reduziert werden. Welche weiteren Chancen (und Risiken) der 3D-Druck für eine nachhaltige Entwicklung haben könnte, haben wir in diesem ausführlichen Artikel dargestellt.
Hyperganic-Gründer Lin Kayser sieht in der Verbindung von 3D-Druck mit KI-Engineering aber auch einen Weg zum Erreichen der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (SDGs). „Wir können viele SDGs nur erreichen, wenn wir technische Innovationen viel schneller umsetzen“, erklärte Kayser gegenüber RESET. „Den Klimawandel können wir zum Beispiel nur stoppen, wenn wir bei Energieerzeugung und Energieeffizienz Durchbrüche erringen. Wir haben heute zwei mächtige Technologien, die uns dabei helfen: das Engineering von Objekten durch künstliche Intelligenz (KI) auf der einen Seite und industrieller 3D-Druck auf der anderen Seite.“
Was kann KI-Engineering für eine nachhaltige Entwicklung beitragen?
Durch KI-Engineering würden laut Kayser Innovationen im Wasser- und Sanitärbereich, im Agrarbereich, in der Medizintechnik sowie im Bereich der erneuerbaren Energien möglich. Kayser sieht außerdem Potenzial für Sprunginnovation bei relevanten Klima-Technologien, zum Beispiel hocheffiziente Wärmetauscher, 3D-gedruckte Elektromotoren oder 3D-gedruckten Batterien für neuartige Energiespeicher. KI-Engineering könne die Arbeit von Ingenieurinnen und Ingenieuren „auf eine neue Ebene“ heben, so Kayser. Anstelle der mühsamen Konstruktion von Hand sei eine Formulierung von detaillierten Fragestellungen möglich. „Der Computer generiert dann ein optimales Produkt, das diese Problemstellung perfekt löst.“
Nicht zuletzt könne der 3D-Druck in Verbindung mit KI-Engineering zum Erreichen des „No Poverty“-Ziels der Vereinten Nationen beitragen. Sogenannte „Digital Physical Products“ (DDPs), also Produkte, die bis zu ihrer finalen Fertigung digital übertragen und dann lokal in 3D-Druck-Frabriken gefertigt werden, ermöglichten laut Kayser eine Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg, wobei es unerheblich sei, ob sich ein Mensch in der westlichen Welt oder in einem Schwellen- oder Entwicklungsland befände. Das führe dazu, „dass Innovationen in der physischen Welt in Entwicklungsländern geschaffen werden können“, so Kayser. Eine solche digitale Zusammenarbeit könnte außerdem den Druck auf die Städte reduzieren, „weil man nicht ‚vor Ort‘ sein muss, um zu partizipieren“.
Auch wenn viel Potenzial darin schlummert – noch steckt KI-Engineering in Verbindung mit 3D-Druck in den Kinderschuhen. Es bleibt also abzuwarten, was die Technologien zum Erreichen der SDGs tatsächlich beitragen können.
Mitarbeit: Jasmina Schmidt
Wie kann KI im Umwelt- und Klimaschutz wirkungsvoll eingesetzt werden? Welche spannenden Projekte gibt es? Was sind die sozial-ökologischen Risiken der Technologie und wie sehen Löungen aus? Antworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben wir in unserem Greenbook(1) „KI und Nachhaltigkeit – Können wir mit Rechenleistung den Planeten retten?“.
Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Künstliche Intelligenz – Können wir mit Rechenleistung unseren Planeten retten?“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier KI
Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.
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