Bisher war relativ wenig über das Kommunikationsverhalten von syrischen und irakischen Flüchtlingen auf ihrem Weg nach Deutschland bekannt. Welche Informationsquellen nutzen sie, um das Ziel ihrer Reise auszuwählen, die beste Route ausfindig zu machen, über Risiken informiert zu werden und Hilfe auf der Reise zu erhalten? Und nach der Ankunft, woher beziehen sie dann relevante Informationen?
Die NGO MiCT (MiCT – Media in Cooperation and Transition ) hat dazu zwischen November 2015 und Februar 2016 Interviews mit insgesamt 88 syrischen und irakischen Flüchtlingen in Berlin durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen, dass soziale Medien vor und während der Flucht eine entscheidende Rolle spielen. Während traditionelle Medien kaum genutzt werden, da Menschen auf der Flucht diesen misstrauen, gelten vor allem Informationen als vertrauenswürdig, die durch direkte Kommunikation untereinander und von anderen Migranten in Europa vermittelt werden. Whatsapp, Viber, Skype und andere VoIP-Dienstleister sowie Facebook und You Tube sind die wichtigsten Kanäle.
Während der Flucht werden Smartphone, Akku und SIM-Card nach Aussage der Geflüchteten zum wichtigsten Besitz, denn Nahrung, Sicherheit und Obdach lässt sich nur mit den entscheidenden Informationen finden. Das haben sich geschäftstüchtige Händler mittlerweile zu Nutzen gemacht und verkaufen an neuralgischen Punkten SIM-Cards:
„Die Leute wussten, dass wir kommunizieren mussten und SIM-Cards benötigten. Sie hatten an der Straße Stände aufgebaut und verkauften auch Essen, Tee und Kaffee. Tag und Nacht“, so ein 30-Jähriger aus Damaskus. Und ein Geschichtslehrer aus Hama: „Ich habe mir in jedem Land eine neue SIM-Card gekauft und Facebook gecheckt.“
Aufgeladen werden die Handys an Solarstationen und in Notunterkünften, die Hilfsorganisationen entlang der Fluchtrouten bereitstellen.
Die Studie zeigt außerdem, dass die Informationsversorgung der Flüchtenden auf ihrem Weg über die Kontinente relativ gut funktioniert. „Die Flüchtlinge organisierten sich als Solidargemeinschaft, in der die Beteiligten ohne übergeordnete Führung oder Management Informationen eigeninitiativ gaben und nahmen. Konkret halfen Instant Messenger, wie zum Beispiel WhatsApp, den Flüchtenden dabei, sich in Gruppen zu organisieren.“
Außerdem gibt es mittlerweile einige Apps, die Hilfsorganisationen speziell für Menschen auf der Flucht entwickelten und dabei helfen, durch das Transitland zu navigieren.
Die Ankunft beginnt mit vielen Fragezeichen
Die Geflüchteten gaben an, dass wirkliche Informationsdefizite erst mit ihrer Ankunft in Deutschland auftraten. Sprachbarrieren und mangelnde Verfügbarkeit von Medien versperren den Zugang zu relevanten Informationen.
Wann kann ich meine Familie nachholen? Wie lange wird das Antragsverfahren dauern? Warum werden andere vorgezogen? Warum dauert alles so lange? Wann kann ich eine Wohnung beziehen und wie eine Arbeit aufnehmen? Auf Fragen wie diese finden Geflüchtete oftmals keine Antwort bzw. wissen nicht, woher sie diese Informationen beziehen können. Entsprechende Angebote, über die sich Geflüchtete informieren können, entwickeln sich nur langsam und werden nicht dem ständigen Zustrom an hilfesuchenden Menschen gerecht. Hier gibt es noch viel zu tun!
Die Studie zum Download findest du hier: Migration Media Usage Survey
Aber es gibt einige sehr positive Ansätze, z.B. die Plattform Wefugees. Wefugees funktioniert wie eine klassische Fragen-Antworten-Community, nur dass sie sich speziell an Menschen richtet, die gerade in Deutschland ankommen. RESET sprach mit der Gründerin Cornelia Roeper: Wefugees.org – Eine Online-Community für Geflüchtete und Helfer
Weitere spannende Projekte, Apps und Plattformen stellen wir hier vor: Flüchtlingshilfe 2.0