Hey, Alter!: Warum es nicht nur nachhaltig ist, alte Rechner an junge Menschen zu geben

Werden Bürorechner zu alt, landen sie viel zu häufig auf dem Schrott. Der Verein „Hey, Alter“ gibt sie stattdessen an junge Menschen. Das ist nicht nur nachhaltiger, sondern auch eine spannende Möglichkeit für die digitale Bildung.

Autor*in Benjamin Lucks, 26.07.23

Übersetzung Lana O'Sullivan:

Über 15.000 Rechner hat der Verein „Hey, Alter!“ schon an junge Menschen weitergegeben. Dabei handelt es sich um ausrangierte Bürorechner oder PCs aus Privathaushalten, die der Verein an mittlerweile 37 Standorten in Deutschland sammelt. Aber was sollen Kinder und Jugendliche mit alten Computern anfangen?

Obwohl neue Technik immer günstiger wird, können sich in Deutschland längst nicht alle Familien einen Desktop-PC, ein Notebook oder ein Tablet leisten. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist in Deutschland mehr als jedes fünfte Kind von Armut bedroht. Das betrifft besonders Familien mit alleinerziehenden Eltern oder mit mehr als zwei Kindern.

© Bertelsmann Stiftung

Der Zugang zu technischen Hilfsmitteln sowie zum Internet wird im Bildungssystem aber immer wichtiger. Gleichzeitig liegt auch in der Nutzung und Instandhaltung älterer Hardware ein wichtiger Lerneffekt. Denn neben der Bereitstellung von Hardware bietet der Verein Kindern und Jugendlichen Lernmaterialien für Grundwissen über Computertechnik und EDV.

PC-Grundlagen verstehen dank Linux und Open-Source

„Hey, Alter!“ gibt auf seiner Homepage an, ausschließlich gebrauchte Notebooks, Tablet und Desktop-PCs an Kinder und Jugendliche zu vermitteln. Hierfür können sich Unternehmen oder Privatpersonen an die verschiedenen Standorte des Vereins wenden und vorher selbst prüfen, ob die ausrangierte Hardware den Anforderungen genügt. Diese sind mit einem 2-GHz-Dual-Core-Prozessor, 4 GB Arbeitsspeicher gering – Laptops mit Mikrofon und Kamera sowie Desktop-PCs mit Maus und Tastatur werden allerdings bevorzugt.

Nach der Anlieferung wird die Hardware von freiwilligen IT-Spezialist*innen oder kooperierenden IT-Unternehmen geprüft. Anschließend installieren diese ein Software-Paket bestehend aus dem quelloffenen und ressourcenschonenden Betriebssystem Linux Ubuntu auf den Computern. Um Kindern und Jugendlichen einen Zugang zum Internet sowie erste Grundlagen für die Schule zu ermöglichen, wird zusätzlich ein Browser sowie das Open-Source-Textverarbeitungsprogramm Libre Office installiert.

Mit dieser Grundlage können die Schüler*innen nach Erhalt der Rechner direkt loslegen. Allerdings setzt die Verwendung quelloffener Software eine gewisse Auseinandersetzung mit der IT voraus. Denn Linux Ubuntu ist im Vergleich zu Microsoft Windows oder Apple macOS deutlich wartungsintensiver. Gleichzeitig lernen Kinder und Jugendliche hier deutlich besser, wie die einzelnen IT-Komponenten zusammenarbeiten und welche Programmbestandteile hierfür benötigt werden.

Schüler*innen müssen sich hierdurch intensiver mit den gebrauchten Computern auseinandersetzen – ein wichtiger Lerneffekt in Zeiten, in denen Computer immer mehr zur Black-Box werden, welche sich gar nicht mehr oder nur in Kontakt mit dem Hersteller reparieren lässt. „Hey, Alter!“ hat die Lernmaterialien in Zusammenarbeit mit der Programmierschule „Codenauten“ erstellt. Erklärt werden dabei etwa das Anschließen und Installieren neuer Hardware oder die Durchführung von Betriebssystem-Updates.

„Hey, Alter!“ ruft zum Mitmachen auf

Auch wenn „Hey, Alter!“ bereits viele Rechner an junge Menschen vermitteln konnte, ruft der Verein zum Mitmachen auf. Auf der Homepage wird Interessierten erklärt, wie sich ein neuer Standort eröffnen lässt. Hierzu benötigt werde erstmal ein Lagerraum, um Sachspenden aus der Wirtschaft annehmen zu können.

Anschließend benötigen Neueinsteiger*innen einen Kontakt zu einem IT-Unternehmen, welches die Rechner checkt und für die Weiterverwendung vorbereitet. Nachdem das zur Verfügung gestellte IT-Paket installiert ist, können die Rechner in Kontakt mit Schulen an Kinder verteilt werden. Ausdrücklich weist der Verein darauf hin, dass die Schenkungen „ohne bürokratischen Aufwand oder Genehmigungsverfahren“ möglich seien.

© Hey, Alter!
„Hey, Alter!“ ist bereits an 37 Standorten in Deutschland vertreten.

Im Vergleich zur kommerziellen Wiederaufarbeitung alter Hardware, wie etwa bei Refurbished-Angeboten, ist der Prozess bei „Hey, Alter!“ deutlich einfacher. Die Einsparung von CO2-Emissionen ist allerdings ähnlich hoch. Bei der Vermittlung der alten Hardware fallen lediglich Emissionen für den Transport an, die aufgrund der vielen Standorte und der Beschaffung aus lokalen Unternehmen jedoch gering bleiben.

Gleichzeitig wird jungen Menschen vermittelt, wie sich die Lebensdauer von EDV-Hardware mit den richtigen Programmen und der nötigen Pflege verlängern lässt. Vereine wie „Hey, Alter“, „Computertruhe“, die ein ähnliches Konzept für die Erwachsenenbildung umsetzen oder auch die Initiative PC-Spenden zeigen also, wie sich nachhaltige Ideen mit sozialer Initiative verbinden lassen.

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