Qarnot: Heizen mit Datenströmen

Während Rechenzentren als Nebenprodukt Wärme produzieren und mit Klimaanlagen gekühlt werden müssen, wenden wir gleichzeitig viel Energie zum Heizen unserer Wohnungen auf. Ein französisches Unternehmen verbindet beides und heizt mit Rechenleistung.

Autor*in Leonie Asendorpf, 20.04.21

Übersetzung Leonie Asendorpf:

Wir alle kennen das Phänomen: Wenn Computer arbeiten, werden sie warm. Das gleiche gilt auch für die Server in Rechenzentren. Diese müssen dann mit Klimaanlagen gekühlt werden –  was eine Menge Energie verbraucht. 2018 lag der Anteil der Rechenzentren in den EU-Mitgliedstaaten am gesamten Stromverbrauch bei 2,7 Prozent. Das geht aus einer Studie hervor, die unter anderem vom österreichischen Umweltbundesamt veröffentlicht wurde. Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran und die Menge an gebrauchter Rechenleistung nimmt rasant zu. Die Autor*innen der Studie rechnen damit, dass der Anteil der Rechenzentren am gesamten Stromverbrauch in den EU-Mitgliedsstaaten bis 2030 auf 3,2 Prozent ansteigen könnte.
Dabei könnte die Wärme an anderer Stelle gut gebraucht werden – und zwar beim Heizen.

Im Vergleich zu anderen Energieträgern wurde mit dem fossilen Energieträger Erdgas im Jahr 2019 fast jede zweite Wohnung in Deutschland beheizt. Das verbraucht zum einen endliche Ressourcen der Erde und trägt zum anderen zum Ausstoß von klimaschädlichen CO2-Emissionen und Methan bei.

Rechenleistung auslagern, um Büros, Sozialwohnungen oder Schulen zu heizen

Um diese beiden Probleme zusammenzubringen, hat das französische Unternehmen Qarnot eine relativ naheliegende Idee: Es nutzt die Abwärme der Datenströme, um damit zu heizen. So wird ungenutzte Wärme nutzbar gemacht und Kosten sowie CO2-Emissionen werden gespart. In den französischen Städten Montreuil, Paris und Bordeaux wurden die Heizkörper des Unternehmens bereits genutzt, um ganze Sozialwohnungskomplexe, Büros oder Schulen zu heizen.

© Qarnot

Das Konzept: In den Heizkörpern sind Computer verbaut, in denen Berechnungen laufen. Dadurch wird Wärme produziert. Anstelle von Wasser fließen also Daten durch die Heizkörper. Über Glasfaser sind die Heizkörper mit dem Internet verbunden. Je nachdem, wie warm man es will, werden ihnen mehr oder weniger Berechnungen zugewiesen.

Banken, 3D-Animationsstudios und andere Unternehmen kaufen Rechenleistung bei Qarnot und können sie, anstatt in große Rechenzentren, in viele einzelne Heizkörper auslagern. Die Daten, die durch die Heizkörper laufen, sind verschlüsselt und werden nicht gespeichert. So kann niemand (auch nicht die Entwickler*innen von Qarnot) auf die Daten zugreifen, geschweige denn wissen, welche Art von Daten durch den jeweiligen Heizkörper fließen.

Nach der einmaligen Installation sind die Kosten der Datenstrom-Heizung gedeckt. Die Bewohner*innen der Sozialwohnungen können mit den datenbetriebenen Heizkörpern kostenlos heizen. Die Stromrechnung zahlt Qarnot.

Im Sommer wird die Wärme für Wasserkocher genutzt

Rechenleistung wird das ganze Jahr über gebraucht. Um die erstandene Wärme auch im Sommer nutzen zu können, hat das Unternehmen eine Art Wasserkocher entwickelt. Mit diesem werden Wasserleitungen mit der Abwärme von Computern geheizt. Das Wasser kann auf maximal 60°C erhitzt werden. Es handelt sich also nicht um einen klassischem Wasserkocher, mit dem man seinen Tee aufgießt, sondern um die Erhitzung von Wasserleitungen für Sanitäranlagen oder als Teil eines Heizungsnetzes.

Auch andernorts werden Ansätze erprobt, damit die Abwärme nicht ungenutzt verpufft bzw. aufwendig heruntergekühlt werden muss. Wir haben bereits über Startups berichtet, die Schwimmbäder und andere Immobilien mit Serverwärme heizen oder die Abwärme zur Algenzucht nutzen. Naheliegend ist auch die Einspeisung der überschüssigen Rechenenergie in Fernwärmenetze. In Schweden ist das schon Realität.

In Deutschland verfolgt tatsächlich nur ein Prozent der Rechenzentren eine umfangreiche Wärmeauskopplung. Das liegt unter anderem auch daran, dass von den Abnehmern ein höheres Temperaturniveau gefordert wird, wozu zusätzlich Wärmepumpen nötig sind, die erstmal weitere Kosten verursachen.

Obwohl die Effizienz der Rechenzentren zunimmt, steigt gleichzeitig der Bedarf nach Rechenleistung auf Seiten der Nutzer*innen – und damit deren CO2-Ausstoß. Daher steckt neben der Abwärmenutzung auch im direkten Senken des Energieverbrauchs und dem Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien großes Potenzial für den Klimaschutz. Wie in so vielen Bereichen muss dabei allerdings die Politik die entsprechenden Weichen stellen. Die Digitalagenda des BMU und die Möglichkeit, auch klimaschonende Rechenzentren mit dem Blauen Engel, dem Umweltzeichen des Umweltministeriums, zu  zertifizieren, sind wichtige erste Schritte.

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© Windcloud/Storyfischer
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