Hawa Dawa – künstliche Intelligenz für saubere Luft

IoT im Luftgütemesser

Das Münchener Startup Hawa Dawa vereint das Internet der Dinge mit künstlicher Intelligenz und erstellt so eine Echtzeit-Karte über die Luftgüte in Städten.

Autor*in Laura Wagener, 10.01.18

Überall dort, wo sich viele Menschen aufhalten, wachsen auch das Verkehrsaufkommen und die Industrie. In Zeiten, in denen 100 Prozent erneuerbare und emissionsarme Mobilität noch Wunschdenken ist, bedeutet das, dass die Luft in fast allen Großstädten stark von Schadstoffen wie Feinstaub, Stickstoff und Ozon belastet ist. Das hat nicht nur negative Auswirkungen auf das Klima, sondern auch auf die Menschen und Tiere, die die Luft jeden Tag atmen. Aus diesem Grund beschäftigen sich verschiedene Ministerien und Institute seit vielen Jahren damit, die Luftgüte in Deutschland zu verbessern.

Das Wichtigste dafür ist, besonders luftverschmutze Orte und den Grund für die besonders hohe Belastung zu identifizieren, um gegen die Verschmutzung anzugehen. Daher wurden über das gesamte Bundesgebiet Luftgüte-Messstationen verteilt, die die Luft an verschiedenen Orten bewerten. Auch einige Startups, wie beispielsweise Pocket Lab oder Pigeon Air Patrol von Plume Labs, haben sich dem Thema Luftverbesserung verschrieben. Das ist zwar ein guter Anhaltspunkt, doch so richtig flächendeckend kann die Qualität der Luft bisher nicht abgebildet werden – dabei unterscheidet sich die Luftqualität mitunter sogar von einer Straße zur nächsten massiv.

Das Münchener Startup Hawa Dawa hat sich zum Ziel gesetzt, diese Datenlücke zu schließen und setzt dabei auf künstliche Intelligenz sowie das Internet der Dinge.

Hawa Dawa – so funktioniert’s

Karim Tarraf, der Gründer von Hawa Dawa, kommt selbst aus Kairo und kennt die Folgen von schlechter Luft für Mensch und Umwelt aus seiner Heimat. Auf dem Hackathon THINK.MAKE.START. im Jahr 2015 entwickelte er zunächst gemeinsam mit vier weiteren Studenten den Prototypen eines mobilen Messgeräts, um die Luftgüte an verschiedenen Stellen einer Stadt flexibel messen zu können – ganz ähnlich der Idee von Pocket Lab. Das Ergebnis nennt das Projektteam „Hawa Dawa“, was in Sprachen, wie Persisch, Arabisch oder Swahili „Luftmedizin“ oder „Luftreinheit“ bedeutet.

In den nächsten Jahren konnte Hawa Dawa diverse Inkubator-Programmen und Innovationspreise gewinnen und das Projekt entwickelt sich schnell fort. Es wird deutlich, dass für aussagekräftige Ergebnisse neben der reinen Luftgüte auch andere Faktoren, wie beispielsweise Verkehr und Wetter, bei der Bewertung der Luftdaten berücksichtigt werden müssen. Das mobile Messgerät wird entsprechend weiterentwickelt und ist jetzt per IoT mit der Hawa Dawa-Software vernetzt, die in Echtzeit Wetter- und Verkehrsdaten abgleicht. Die mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Software lernt stetig aus der Datenzusammenstellung dazu und kann so zum einen Prognosen erstellen, aber auch Daten für Bereiche simulieren, an denen keine Sensoren installiert sind. So entsteht eine flächendeckende Luftgüte-Karte in Echtzeit.

Warum ist das überhaupt von Bedeutung?

Mit Hilfe valider und genauer Daten können Rückschlüsse darüber gezogen werden, in welchen Gebieten und aus welchen Gründen die Luft besonders schadstoffbelastet ist. Hier kann dann nicht nur die Infrastruktur gezielt angepasst, sondern es können auch kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Luft ergriffen werden, wie beispielsweise verkehrsberuhigte Zonen oder Verpflichtungen an die Industrie, zusätzliche Filter einzubauen. Auch innovative Ideen wie die Errichtung eines Smog-fressenden CityTrees können sinnvoll sein. Das ist auch für das Klima interessant, denn Stoffe wie Methan, Ozon, Ruß oder Stickoxide sind extrem klimawirksam, im Vergleich zu CO2 jedoch kurzlebig. Eine Verminderung der Schadstoffe ist demnach eine effektive und direkte Maßnahme zum Schutz des Klimas – gesünder ist es sowieso.

Mehr zum Projekt erklärt Karim Tarraf in diesem Video vom Gründerwettbewerb Digitale Innovationen 2017:

Wie kann KI im Umwelt- und Klimaschutz wirkungsvoll eingesetzt werden? Welche spannenden Projekte gibt es? Was sind die sozial-ökologischen Risiken der Technologie und wie sehen Löungen aus? Antworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben wir in unserem Greenbook(1) „KI und Nachhaltigkeit – Können wir mit Rechenleistung den Planeten retten?“.
 

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