An Hauswänden angebrachte Textilfassaden könnten künftig die Stadtluft von Stickoxiden reinigen

Fotomontage des Aachener Bushofes nach Einführung von green.fACade.

Sie verschlimmern Asthma, lassen Pflanzen gelb werden und machen den Boden sauer – Stickoxide sind weder gut für unsere Umwelt noch für uns selbst. Ein Doktorand aus Aachen entwickelt zurzeit eine Häuserfassade, die diesen Schadstoff aus der Luft filtert und nebenbei noch Nährstoffe für den Boden erzeugt.

Autor*in RESET , 07.12.20

In unseren Großstädten sind die Stickoxid-Werte besonders hoch – Hauptverursacher ist der Straßenverkehr. Denn die Stickstoffoxide, die ebenfalls zur Gruppe der Stickoxide gehören, entstehen bei Verbrennungsprozessen und sind damit ein Nebenprodukt von Verbrennungsmotoren und Feuerungsanlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. Vor allem für Menschen mit Atemwegsbeschwerden wie Asthma können Stickstoffdioxid-Konzentrationen die Symptome verschlimmern. Bei Pflanzen lösen sie ein Gelbwerden der Blätter (sog. Nekrosen), vorzeitiges Altern und Kümmerwuchs aus und die Schadstoffe sind an der Überdüngung und Versauerung von Böden und in geringem Maße auch von Gewässern beteiligt (Quelle: Umweltbundesamt).
Daher ist eine zeitnahe und dauerhafte Senkung des Anteils von schädliche Stickoxiden sowohl für uns Menschen als auch das Ökosystem unerlässlich.

Ein Hoffnungsschimmer: Rückgang der Schadstoffbelastung in deutschen Städten

In Deutschland ist ein Rückgang der Schadstoffe – wie Stickoxid bzw. Stickstoffdioxid (NO2) – in der Luft zu beobachten. Im Jahr 2019 haben nur noch 25 Städte den Luftqualitätsgrenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 57 Städte. Zudem haben die Beschränkungen der Corona-Pandemie in manchen Orten für einen zusätzlichen Rückgang der NO2-Werte von bis zu 40 Prozent gesorgt. Allerdings ist diese Entwicklung mit Vorsicht zu genießen. Zwar hätten bisherige Maßnahmen wie die Verkehrswende zu diesem Positivtrend geführt, wie der Präsident des Umweltbundesamtes Dirk Messner erklärt. Das reicht allerdings noch nicht. „Für den Schutz der menschlichen Gesundheit brauchen wir eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Luftqualität mit gezielten Luftreinhaltemaßnahmen,“ so Messner.

Eine luftreinigende Innovation aus Aachen

Von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen kommt eine Innovation, die bei dem Vorhaben der ständigen Luftverbesserung eine Rolle spielen könnte. Dort entwickelt der Architekt Jan Serode – geprägt von seiner Studienzeit in der stark luftverschmutzten Stadt Santiago de Chile – eine luftreinigende Textilfassade. Sie heißt green.fACade  und gehört zum Forschungsprojekt „Adaptive Textilfassaden“ an der RWTH, das die besonderen Eigenschaften von Textil nutzt. Die Fassade besteht zum Großteil aus Polyester mit PVC-Beschichtung. Das Polyester ist in Gitterstruktur gewebt und somit anteilig durchsichtig. Die Filterung der Stickoxide kommt mithilfe einer Beschichten mit fotokalaytischer Wirkung zustande: „Dort werden die Schadstoffe durch Oxidationsprozesse in geringe Mengen von unschädlichen Salzen umgewandelt. Bei Regen werden die Salzrückstände von der Fassadenoberfläche gespült und in den natürlichen Kreislauf der Natur zurückgeführt“, erklärt der Doktorand Jan Serode sein Forschungsprojekt. „Das Regenwasser könnte auch als Düngemittel für Pflanzen verwendet werden. Wir haben Proben genommen, um die Umweltverträglichkeit wissenschaftlich nachzuweisen.“ Da die Textilfassade mithilfe eines Spannrahmens an die Hauswand angebracht wird, kann sie mit vergleichsweise wenig Aufwand moniert werden. Diese Leichtbauweise macht die Filterfassade flexibel einsetzbar, wie Jan Serode erklärt: „Textilfassaden können für alle Gebäudearten eingesetzt werden – selbst für Arenen und Parkhäuser. Es gibt fast keine Einschränkungen. Außerdem können sie sowohl bei bestehenden Gebäuden als auch bei Neubauten eingesetzt werden.“ Auch Wartung und Demontage seien simpel.

Ein Nebeneffekt: Kühlung für Gebäude

Neben Luftreinigung und der damit einhergehenden Düngung des Bodens sorgen die Textilfassaden für weitere positive Effekte:
Zum Einen helfen sie dabei, den Kühlenergiebedarf im Sommer zu senken. Die filternde Textilfassade ist nämlich vor der tatsächlichen Gebäudewand angebracht. Dadurch bildet sich ein Luftpolster zwischen dem Gebäude und dem Textil und es entsteht ein kühlender Effekt. Im Rahmen einer Studie an einem Berliner Bürogebäude wurden 78 Prozent der Energie für die Gebäudekühlung eigespart. Zum Anderen werden die Fassaden zum Teil mit recycelten Materialien – wie PET-Flaschen – produziert und bekommen darüber eine sehr gute Ökobilanz.

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Textilfassade ist bald einsatzfähig

Das Projekt der Stickoxid filternden Textilfassade steht kurz vor dem Abschluss. Entwickelt wurde es im Doktorat am Lehrstuhl für Textiltechnik an der RWTH Aachen. Der Prototyp befindet sich bereits seit Februar im Testbetrieb – an einem Bürogebäude der ECE Europa Bau- und Projektmanagement GmbH in Hamburg. Das Modell entspricht dem deutschen Baurecht und ist schon anwendbar. „Um die Technologie rasch verfügbar zu machen, müssen wir schnell Stückzahlen produzieren“, so Serode, „Diese Herausforderung versuchen wir in einem Großkonsortium an der RWTH zu bewältigen, an dem mehrere Institute und Industriepartner beteiligt sind.“

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