Great Bubble Barrier: Mit Luftblasen den Plastikmüll aus Flüssen fischen

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Eine Barriere aus kleinen Luftbläschen stoppt Plastikmüll in Kanälen und Flüssen auf seiner Reise ins Meer und kann dann an der Oberfläche eingesammelt werden. Nicht nur eine Lösung für unser Plastikproblem, sondern auch Ökosysteme könnten davon profitieren.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 05.07.21

Eine Reihe an groß angelegten und viel beachteten Projekten ist dabei, Lösungen für unser Plastikproblem in den Meeren zu entwickeln, allen voran das Projekt The Ocean Cleanup. Eine viel effizientere Methode ist jedoch, den Plastikmüll schon abzufangen, bevor er überhaupt so weit kommt. Ein niederländisches Startup hat nun eine einfache, aber effektive Methode entwickelt, um genau das zu tun.

Das in Amsterdam ansässige Unternehmen Great Bubble Barrier nutzt Luftblasen, um Plastik aufzufangen, das in Kanälen und Flüssen treibt. Die Idee selbst ist relativ simpel und baut auf Methoden auf, die in der Öl- und Baggerindustrie eingesetzt werden. Etwas vereinfacht dargestellt wird ein perforierter Gummischlauch auf dem Grund von Wasserstraßen verlegt, durch den dann Umgebungsluft gepumpt wird. Diese steigt als Luftblasen an die Oberfläche, die dann kleine Plastikteile auf ihrem Weg flussabwärts blockieren. Durch die schräge Verlegung des Rohres wird der Plastikmüll an den Rand des Gewässers gedrückt, wo er dann in einer Auffangvorrichtung aufgefangen wird. Derzeit können die Rohre in einer Tiefe von bis zu sieben Metern verlegt werden, was für viele europäische Kanäle und Wasserstraßen mehr als ausreichend ist. Das Team denkt jedoch darüber nach, noch tiefer zu gehen.

Das Luftblasenbarriere ist so gestaltet, dass sie rund um die Uhr mit nur minimaler Wartung ihre Arbeit verrichten kann; die Luftpumpe selbst wird mit erneuerbaren Energien betrieben. Die Luftblasen stören auch nicht den Flussverkehr oder das Leben im Wasser. Tatsächlich soll nach eigenen Angaben durch das Einpumpen von mehr Luft sogar der Sauerstoffgehalt der Flüsse erhöht werden, was das Algenwachstum fördert und dem aquatischen Ökosystem zugute kommt. Zudem gehören zum Design der Barrieren auch „Fischpassagen“.

Natürlich ist jeder Flusslauf anders. Daher arbeitet The Great Bubble Barrier mit den lokalen Regierungen und Behörden zusammen, um die Barrieren und Auffangvorrichtungen auf die spezifischen Strömungen und die Details des jeweiligen Flusses abzustimmen.

Versuche am Forschungsinstitut Deltares haben ergeben, dass die Luftblasenbarriere etwa 70-80 Prozent des Plastiks von der Oberfläche und etwa 50 Prozent des Plastiks unter Wasser auffangen kann. Sie ist generell in der Lage, alle Arten von Plastik mit einer Größe von mindestens einem Millimeter aufzufangen. Aktuell untersucht das Team aber auch die Möglichkeit, die Technologie zum Auffangen von Mikroplastik mit einer Größe von 20 bis 500 Mikrometern einzusetzen. Dass Plastik, das gesunken ist und auf dem Grund eines Flusses entlang rollt, erfasst wird, ist jedoch leider eher unwahrscheinlich.

Derzeit wird die Great Bubble Barrier in einem zweijährigen Pilotprojekt in Amsterdam am wichtigen Westerdok getestet. Dies ist der Punkt, an dem mehrere große Kanäle zusammenlaufen und in die IJ münden – die Amsterdamer Wasserstraße, die dann schließlich in die Nordsee fließt. Zuvor wurden weitere Versuche in Wervershoof, in der IJssel und in Berlin durchgeführt.

Woher kommt der Plastikmüll?

Statistisch gesehen stammen etwa 80 Prozent des Plastiks im Ozean vom Land. Ein Großteil gelangt über Flüsse in die Meere. Durch ihre vorhersehbaren Routen, ihre geringe Breite und die relativ gleichmäßige Strömung ist es viel einfacher, Plastik schon hier abzufangen, auf der Reise ins Meer.

Die Reinigung der europäischen Kanäle und Flüsse von Plastikmüll ist ohne Frage eine wichtige Aufgabe. Allerdings stammt der größte Teil des Ozeanplastiks aus nur zehn Flüssen. Acht davon liegen in Asien – der Jangtse, der Indus, der Hai He, Yellow, der Perlfluss, der Ganges, der Amur und der Mekong – und zwei in Afrika: der Nil und der Niger. Nach Angaben von Forschenden verursachen diese zehn Flüsse 90 Prozent der Plastikverschmutzung im Meer. Die Blasenbarriere in ihrer jetzigen Form wäre in solch großen Wasserstraßen allerdings wahrscheinlich unwirksam. Sie könnte zwar in den kleineren Nebenflüssen eines Flusses funktionieren, aber ein Großteil des Mülls, der in diese Flüsse gelangt, kommt direkt aus den Gemeinden und Industrieanlagen an den Ufern der großen Ströme.

Es bleibt also zu hoffen, dass sich auch hierfür noch Lösungen finden werden. RESET hat bereits über eine Reihe anderer Technologien berichtet, um das Plastikproblem anzugehen, wie zum Beispiel Drohnen und Satelliten, die mithilfe künstlicher Intelligenz Plastikmüll aufspüren und größere „Abfangvorrichtungen“, die in Barrieren eingebaut werden. Doch eine Reduktion des Plastikmülls an Land und ein effektives Recycling sind genauso wichtige Schritte, damit weniger Plastikmüll in unseren Ozeanen landet.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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