Nachhaltige Finanzanlageberatung Goldmarie: „Keine Kompromisse bei Klimaschutz und Sozialverträglichkeit“

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Foto: Nicholas Cappello/ Unsplash

Zwei Mathematikerinnen haben eine eigene Software entwickelt, um nachhaltige Aktienportfolios zusammenzustellen. Was zunächst für den Eigenbedarf entstand, wird jetzt zu einem Business. Die beiden Gründerinnen von Goldmarie Finanzen, Caroline Löbhard und Jennifer Rasch, im Interview.

Autor*in Lydia Skrabania, 17.11.20

Was tun, wenn der Markt nicht das bereithält, was man sucht? Caroline Löbhard und Jennifer Rasch suchten nach einer Möglichkeit, ihr Geld nachhaltig anzulegen – aber es gab nichts, was ihren Vorstellungen entsprochen hätte. Da die beiden Mathematikerinnen bereits wissenschaftlich zu Optimierung geforscht hatten, lag es für sie nahe, einfach selbst eine entsprechende Software für die Zusammenstellung nachhaltiger Portfolios zu entwickeln. Auf dieser Basis wollen sie jetzt eine digitale, nachhaltige Vermögensverwaltung gründen.

Wir haben mit den Gründerinnen von Goldmarie Finanzen darüber gesprochen, inwiefern ihr Ansatz neu ist, auf welcher Grundlage ihr Algorithmus nachhaltige Aktienportfolios zusammenstellt und wie sie Umwelt- und Klimaschutz bzw. Sozialverträglichkeit der Portfolios gewährleisten.

Jennifer und Caroline, ihr wollt mit Goldmarie Finanzen eine digitale Finanzanlagenberatung etablieren. Was macht ihr anders als andere?

Jennifer: Im Gegensatz zu fast allen anderen Finanzberatern stehen bei uns Umweltschutz und Sozialverträglichkeit im Mittelpunkt, weil wir eben davon überzeugt sind, dass man mit Geld die Welt verändern kann. So kam es ja auch zu unserer Gründungsidee: Wir wollten eigentlich nur unser eigenes Geld anlegen, haben aber kein Angebot gefunden, das unseren Ansprüchen in Bezug auf eine strenge Nachhaltigkeit, aber auch auf ein gutes Preis-Leistungsverhältnis entsprochen hat. Also haben wir unsere eigene Software geschrieben.

Caroline: Das ist auch die zweite Besonderheit: Wir haben beide Mathematik studiert und als Wissenschaftlerinnen im Bereich der Optimierung geforscht. Wir setzen sehr moderne Algorithmen ein, um Aktienportfolios zu berechnen, die unsere Zielvorgaben möglichst gut erfüllen. Und als weibliches Gründerinnenteam sind wir in der doch sehr männerdominierten Finanzbranche auch etwas Besonderes.

Was steckt hinter eurem „Robo-Advisor“? Was ist das und wie funktioniert das Ganze?

Caroline: Ein Robo-Advisor ist ja eine digitale Vermögensverwaltung. Das heißt, als Kund*in kann man, zum Beispiel über eine Webseite, Geld anlegen, das vom Robo-Advisor automatisch verwaltet wird. Der Robo-Advisor braucht dafür natürlich eine Software, die entscheidet, wie das Geld der Kund*innen angelegt wird. Wir haben genau so eine Entscheidungssoftware geschrieben, die nachhaltige Aktienportfolios zusammenstellt. Dabei ist neben ökologischen und sozialen Kriterien eben auch ein sinnvolles und langfristiges Risiko-Rendite-Management wichtig. Und dahinter steckt jede Menge Mathematik und Informatik: Unser Verfahren schätzt die erwarteten Renditen von hunderten Firmen ab und evaluiert, wie sich Risiken kombinieren. Aus diesen Auswertungen wird dann rückwärts beste Kombination von Firmen konstruiert. Wir haben das übrigens auch noch einmal detaillierter in einem Video erklärt. Auf Basis dieser Software planen wir eine digitale Vermögensverwaltung zu gründen.

Inwiefern ist euer Ansatz neu bzw. gibt es etwas Vergleichbares?

Jennifer: Es gibt schon vergleichbare Ansätze. In Deutschland gibt es ungefähr 30 Robo-Advisors und ein paar davon profilieren sich auch im nachhaltigen Sektor. Allerdings wird das Geld typischerweise in Aktienfonds und ETFs angelegt, ich denke, weil hier das Risikomanagement einfacher ist. Nur zwei Robo-Advisors legen das Geld, so wie Goldmarie, in Einzelaktien an. Das macht rendite-technisch aber einen Riesenunterschied: Mit Einzelaktien kann man eine viel höhere Performance erzielen. Außerdem sind Portfolios aus Einzelaktien in Bezug auf die investierten Firmen wesentlich transparenter – das ist für uns sehr wichtig, weil wir bei Klimaschutz und Sozialverträglichkeit keine Kompromisse eingehen wollen.

Überlasst ihr die Zusammenstellung des Aktienmix zu 100 Prozent dem Algorithmus? Gibt es also keine menschlich-subjektiven Kriterien?

Jennifer: Die menschlich-subjektiven Kriterien gehen in die Auswahl des Aktienuniversums ein, aus denen wir das Portfolio berechnen. Die Einschränkung auf nachhaltig agierende Firmen hat natürlich einen gewaltigen Einfluss auf das Ergebnis: Wir sind aber davon überzeugt, dass ein Geschäftskonzept, das nicht auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert, zukunftsfähiger und langfristig lukrativer ist. Unsere Tests mit historischen Daten bestätigen das.

Caroline: Die optimale Kombination und Gewichtung der Aktien zu einem Portfolio überlassen wir dann aber komplett unserem Algorithmus. Durch unsere Fachexpertise können wir hier wissenschaftlichen State of the Art im Bereich der Finanzmathematik und der Mathematischen Optimierung anwenden. Das hat den Vorteil, dass rein auf Basis von objektiven Kriterien entschieden wird und menschliche Emotionen wie Gier oder Angst keine Rolle spielen. Außerdem kann man mit Hilfe von Computern große Mengen an Börsendaten analysieren und damit wesentlich mehr Firmen vergleichen und bewerten.

© Martin Hildebrand/Goldmarie Finanzen Die beiden Gründerinnen von Goldmarie Finanzen: Caroline Löbhard (rechts) und Jennifer Rasch.

Ihr habt ja berichtet, dass ihr die Software ursprünglich einmal nur für euch selbst implementiert hattet. Wie kam es dann zur Idee einer eigenen Gründung?

Jennifer: Genau, wir haben einfach kein Produkt gefunden, das unseren eigenen Ansprüchen genügt hat und eben unsere eigene Anlagestrategie entwickelt. In unserem Freundes- und Bekanntenkreis gab es dann so viel Interesse daran, dass wir auf die Idee gekommen sind, ein eigenes Produkt anzubieten. Bisher kann man unsere Strategie auf der Social-Trading-Plattform Wikifolio ansehen. Dort kann man auch Zertifikate kaufen, die auf unseren Portfolios dort basieren.

Euer Anspruch ist, dass die von euch zusammengestellten Aktienportfolios nachhaltig, ökologisch und sozialverträglich sind. Wie gewährleistet ihr das? Und inwiefern sind die hier angelegten Kriterien transparent nachvollziehbar?

Jennifer: Unser Algorithmus stellt die Aktienportfolios ausschließlich aus Unternehmen zusammen, die in renommierten Ökofonds enthalten sind. Wir nutzen hier also die Arbeit von Expert*innen der Ökofonds, die diese Unternehmen geprüft und für gut befunden haben. Kriterien sind hier beispielsweise eine nachhaltige Wirtschaft und soziale Unternehmensführung. Kontroverse Geschäftsfelder und -praktiken sind ein Ausschlusskriterium. Weil unsere Portfolios ausschließlich aus Einzelaktien bestehen, ist sofort ersichtlich, in welche Firmen investiert wurde. Im Gegensatz zu den Portfolios aus ETFs oder Fonds der meisten Robo-Advisors kann man daher auf den ersten Blick erkennen, wie viel Geld in welche Firma investiert wird.

Caroline: Es gibt Rating-Agenturen, die Unternehmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit evaluieren. Mittelfristig möchten wir solche Daten nutzen, um bei der Bewertung unserer Aktienportfolios Kriterien wie Klimaschutz oder Sozialverträglichkeit einzeln zu gewichten. Außerdem wollen wir mittelfristig personalisierte Portfolios anbieten, wo unsere Kund*innen ihre eigenen Kriterien verwirklichen können.

Wie unterscheiden sich eure Portfolios von sogenannten „grünen ETFs“?

Caroline: Vor allem durch die Ansprüche an Nachhaltigkeit. Unsere Portfolios bestehen nur aus Firmen, die den strengen Kriterien renommierter Ökofonds genügen. Wer sich einmal die Firmenlisten sogenannter „grüner ETFs“ anguckt, wird schnell feststellen, dass die Nachhaltigkeitsanforderungen dort eher niedrigschwellig angesetzt sind. Bei spezialisierten ETFs, die beispielsweise nur aus Firmen bestehen, die erneuerbare Energien als Kerngeschäft betreiben, ist das Problem die fehlende Diversität und die damit einhergehende fehlende Risikostreuung. Da unser Algorithmus Firmen kombiniert, deren Wertverlauf in der Vergangenheit oft entgegengesetzt verlaufen ist, wird das resultierende Portfolio automatisch diversifiziert. Das sieht man auch, wenn man sich unsere Portfolios im Hinblick auf Branchen- und Länderstreuung anguckt.

Wer ist eure Zielgruppe? Wendet ihr euch (auch) an Laien oder muss man bereits Ahnung vom Finanzmarkt haben?

Jennifer: Wir wenden wir uns an Leute, denen Klima- und Umweltschutz sowie Sozialverträglichkeit wichtig sind und die langfristig lukrativ investieren wollen, z.B. zur Altersvorsorge. Da Investments in reine Aktienportfolios, so wie wir sie anbieten, immer mit Risiken verbunden sind, unterstützen wir unsere Kund*innen dabei, das eigene Sicherheitsbedürfnis einzuschätzen und Vermögen entsprechend auf verschiedene Anlageklassen zu verteilen. Goldmarie deckt hierbei nur einen Teil ab: eine Geldanlage am Aktienmarkt, die potenziell Wertzuwachs generieren kann.

Caroline: Gerade in Deutschland sind sich Verbraucher*innen oft nicht bewusst, dass sie bei „sicheren Anlagen“ (wie etwa einem Sparkonto) durch die jährliche Inflation von 1,5 bis zwei Prozent und null Zinsen auf Dauer effektiv Geld verlieren – auch wenn sich der Kontostand nicht verändert. Aktien unterliegen zwar Schwankungen, sind aber dennoch Sachwerte. Deswegen denken wir, dass man bei Geldanlagen auch in Zukunft nicht um Aktien herumkommt. Hier bieten wir eine gute Möglichkeit für Laien, diversifiziert, nachhaltig und langfristig zu investieren.

Wie geht es bei euch weiter?

Jennifer: Es ist uns wichtig, schon jetzt die Performance unserer Portfolios öffentlich zu dokumentieren, dafür haben wir die Wikifolios angelegt. Im Moment arbeiten wir noch an Details und Schnittstellen unserer Software und schaffen die zum Marktstart nötigen Rahmenbedingungen. Wir möchten Goldmarie Finanzen 2021 als Unternehmen gründen und hoffen dann auf einen guten Geschäftsstart!

Danke für das Interview, Jennifer und Caroline!

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