Langsam, aber sicher nimmt das weltweite Bewusstsein für die ökologischen und sozialen Probleme unserer Zeit zu – und damit wächst auch die Zahl der Gesetze, Verpflichtungen und Beschränkungen, mit denen diese Probleme gelöst werden sollen. Doch diese Maßnahmen sind nur dann erfolgreich, wenn verschiedenen Akteure – seien es Unternehmen, Regierungen oder internationale Organisationen – gewährleisten, dass sie eingehalten werden. Und oft genug basiert die Einhaltung auf einem System der Selbstregulierung und des Vertrauens. Verlassen kann man sich darauf jedoch nicht immer. Hier kommen Whistleblower ins Spiel. Die Hinweisgeber*innen, die oft Insider in Organisationen, Unternehmen und Regierungen sind, informieren die Öffentlichkeit darüber, was hinter verschlossenen Türen wirklich vor sich geht.
Doch einfach ist das nie, und wer über Korruption, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltsünden berichtet, muss mit Konsequenzen rechnen – oft sogar mit tödlichen. GlobaLeaks möchte Whistleblowing sicherer und einfacher machen und setzt auf Open-Source-Online-Tools, die Journalist*innen, Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen flexible und geschützte Gateways bieten, um brisante Informationen weiterzugeben.
2010 wurde das Projekt von dem in Italien ansässigen Hermes Center for Transparency and Digital Human Rights ins Leben gerufen, heute bietet GlobaLeaks Dienste in über 20 Sprachen an und wurde von über 60 Projekten auf der ganzen Welt eingesetzt. Derzeit wird GlobaLeaks von Akteur*innen aus verschiedenen Bereichen genutzt; von investigativen Journalist*innen, um sichere Orte für Gespräche und die einfache Übermittlung von Dokumenten zu schaffen bis hin zu verschiedenen Organisationen, die ihre Quellen schützen wollen, als sicheres Instrument zur Meldung von Menschenrechtsverletzungen. Die französische Zeitung Le Monde richtete beispielsweise 2015 mit GlobaLeaks ihre Plattform Source sûre ein und das europaweite Projekt Investigate Europe greift ebenfalls auf die GlobaLeaks-Software für die Kommunikation und den Dokumententransfer zu.
Insgesamt nutzen mehr als 700 Einrichtungen in der EU die GlobaLeaks-Software für die Korruptionsbekämpfung, darunter Transparency International und die italienische Nationale Behörde. Doch nicht nur Menschen in Europa greifen auf die Plattform zurück, wenn es darum geht, brisante Informationen öffentlich zu machen. In Afrika wurde mithilfe von GlobaLeaks ein Portal für Journalist*innen und Korruptionsbekämpfer*innen entwickelt und die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs in der Zentralafrikanischen Republik nutzt die Plattform als sicheres Instrument für Zeug*innen, die über internationale Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen berichten.
Im Kern bietet GlobaLeaks eine frei verfügbare Webadministrationssoftware, mit der einfach Whistleblowing-Websites erstellt werden können. Da ein einziger Ansatz nicht unbedingt für alle Situationen geeignet ist, ist GlobaLeaks leicht anpassbar. Die so erstellten Websites können dann für die Kommunikation mit Hinweisgeber*innen oder die Übermittlung von Dokumenten und Daten genutzt werden.
Das vielleicht wichtigste Ziel von GlobaLeak ist allerdings, seinen Nutzer*innen Vertrauen zu geben. Die Plattform verfügt über robuste Sicherheits- und Rechtsfunktionen, wie zum Beispiel eine kostenlose Verschlüsselungssoftware, und speichert keine IP-Adressen und hinterlässt keine Spuren in Webbrowsern. In Kombination mit anonymen Browsing-Projekten wie dem Tor-Browser wird Whistleblowern ein sicheres Umfeld geboten, wenn sie sich entscheiden, ihre Identität preiszugeben. Aktuell leitet GlobaLeaks auch zwei Projekte, WhistleblowingPA und Expanding Anonymous Tipping (EAT), mit denen die Nutzung der Software noch weiter ausgeweitet werden soll.
Whistleblower gehen Themen mit großer gesellschaftlicher Bedeutung an
Whistleblowing kann die erste Verteidigungslinie gegen unethische und illegale Praktiken von Unternehmen oder Regierungen sein, laut Transparency International ist die Weitergabe des Insiderwissens sogar eines der wirksamsten Mittel zur Bekämpfung von Korruption. Doch die Bedeutung kann noch viel weitreichender gesehen werden, denn indem Whistleblower als Stellvertreter*innen für die Gesellschaft agieren, können sie auf die aktuellen Herausforderungen dieser Gesellschaft reagieren, sei es der Klimawandel, die Verbreitung von Atomwaffen oder Menschenrechtsverletzungen.
Allerdings ist die Zahl derer, die solche gesellschaftlich relevanten Informationen weitergeben, immer noch relativ überschaubar. Ein Grund sind mit Sicherheit die drohenden Sanktionen, denn Whistleblower müssen damit rechnen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, strafrechtlich verfolgt zu werden und in extremen Fällen mit Gewalt und sogar dem Tod bedroht zu werden. Erst im August 2021 wurde eine ehemalige Beamtin der südafrikanischen Gesundheitsbehörde vor ihrem Haus erschossen, weil sie betrügerische Coronavirus-Verträge aufgedeckt hatte.
Einige Regierungen haben Rechtsvorschriften erlassen, wie zum Beispiel das britische Gesetz über die Offenlegung von öffentlichem Interesse (Public Interest Disclosure Act), das Whistleblowern Schutz bietet, doch sind diese in der Regel auf Beschäftigungsverhältnisse beschränkt. Zahlreiche „Official Secret Acts“ und andere Gesetze machen das Whistleblowing auf Regierungsebene dagegen immer noch illegal.
Die GlobaLeaks-Technologie bietet die Möglichkeit, Whistleblowing-Netzwerke zu stärken. Und indem eine direkte Verbindung zwischen den Hinweisgeber*innen und der Öffentlichkeit, die von ihren Enthüllungen profitiert, hergestellt wird, können Whistleblower mit mehr Vertrauen und Sicherheit rechnen.
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, dass Whistleblower nicht mit Regierungen und großen Unternehmen und Organisationen konkurrieren können, denn diese haben die Mittel und die Macht, um potenzielle Whistleblower leicht einzuschüchtern. Doch Gemeinschaften, die sich in zivilgesellschaftlichen Technologienetzwerken – wie auch GlobaLeaks – zusammentun, können ihre Ressourcen bündeln und sich gegenseitig unterstützen.
Whistleblowing im Umwelt- und Klimaschutz wird in Zukunft zunehmen
195 Staaten und die Europäische Union haben die Pariser Klimaziele unterzeichnet und auch eine wachsende Zahl an Unternehmen hat sich in den letzten Jahren auf öffentlichen Druck hin zu eigenen Klimazielen verpflichtet. Doch je näher die Fristen für vorzeigbare Ergebnisse rücken, desto wahrscheinlicher wird auch Betrug und Schummelei – und desto wichtiger wird es werden, dass diese von Hinweisgeber*innen öffentlich gemacht werden. Insbesondere Umweltinitiativen könnten dabei stark von den Informationen profitieren.
Denkbar ist auch, andere Civic-Tech-Lösungen mit Whistleblowing zu verknüpfen, denn GlobaLeaks als Open-Source-Software kann aktiv von Gemeinschaften und Freiwilligen weiterentwickelt und für verschiedenste Anwendungen angepasst werden. So kann beispielsweise der Einsatz günstiger Umweltsensoren Bürger*innen, die nicht mit Regierungen oder Unternehmen verbunden sind, zu potenziellen Hinweisgeber*innen und investigativen Amateurjournalist*innen machen.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.
Der Artikel ist Teil des Dosssiers „Civic Tech – Wege aus der Klimakrise mit digitalem bürgerschaftlichen Engagement“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier Civic Tech
Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen. Mehr Informationen hier.