Gibt es mehr Proteste weltweit?

In der letzen Zeit haben sich Proteste weltweit gehäuft, so scheint es. Aber ist dem wirklich so? Gehen mehr Menschen denn je auf die Straße oder bekommen die Proteste eine größere mediale Aufmerksamkeit? Und wenn ja, was steckt dahinter?

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 23.05.14

Der Arabische Frühling, Aufstände in der Ukraine, in Thailand, Venezuela, der Türkei – auch wenn der Stein des Anstoßes und die Hintergründe sehr unterschiedlich sind so scheint es, als würden in vielen Teilen der Welt immer mehr Menschen für ihre Rechte auf die Straße gehen. Doch lässt sich tatsächlich von einer weltweit um sich greifenden Protestwelle sprechen oder erhalten die Proteste einfach nur eine größere mediale Aufmerksamkeit?

Unabhängig davon, ob es mehr Proteste gibt oder nicht, lässt sich festhalten: „Es ist klar, dass jetzt mehr über Proteste auf der Welt gesprochen wird. Die Frage ist nur, ob das daran liegt, dass es jetzt mehr Protest gibt oder mehr Berichterstattung?“, so Kalev Leeratu, Kommunikationswissenschaftler und Verwalter der GDELT-Datenbank der Georgetown University. „Vor 200 Jahren hätte die Öffentlichkeit wohl wenig vom syrischen Bürgerkrieg mitbekommen. Heute sehen wir die Bilder und Videos des Krieges quasi live.

Einige meiner Meinung nach sehr zentrale Aspekte der aktuellen Protestbewegungen nennt Professor Dieter Rucht, der das neue Institut für Protest- und Bewegungsforschung an der Humboldt Universität in Berlin aufgebaut hat. Rucht sieht darin vor allem eine Veränderung in der  Dynamik der Proteste. Und das hat seiner Ansicht nach vor allem drei Günde: ein stetig wachsendes Bildungsniveau, eine zunehmende Professionalisierung der Protestierenden vor allem im Bezug auf die Mediennutzung und Imitationseffekte und Transfers.

Diese drei Aspekte seien zusätzlich sich selbst verstärkend. Durch eine bessere Bildung steigt das Selbstbewusstsein der Menschen dem Staat gegenüber und eröffnet zudem neue Möglichkeiten der Mediennutzung. Protestierende wissen mittlerweile, wie sie in Blogs und Social Media Bilder und Texte produzieren können, die ihnen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Dazu kommt: Die neuen Techniken verringern auch das Risiko von Repressionsmaßnahmen, da ungerechte Maßnahmen schneller an die Öffentlichkeit geraten und über mehr Kanäle agiert werden kann.

Die Imitationseffekte und Transfers hängen wiederum unmittelbar mit den Möglichkeiten einer besseren Kommunikation zusammen: „Proteste vervielfältigen sich heute schneller. Die Occupy-Bewegung in New York basierte auf der Besetzung des Tahrir-Platzes und führte selbst zu einer Welle von Protesten in westlichen Ländern.“ All dies trägt dazu bei, dass die Protestkultur salonfähig geworden zu sein scheint, denn mittlerweile finden sich auch privilegierte Gruppen wie Zahnärzte, Staatsanwälte und Polizisten unter den Prostierenden, so Rucht.

Für eine weitere Professionalierung im Einsatz digitaler Medien von Aktivisten sorgen zudem Institutionen und NGOs wie z.B. das Berliner Tactical Tech Collective, die Studien und Anleitungen teilen, wie Informationen zu Aktionen werden können. Das Tactical Tech Team hat auch den Guide 10 tactics for turning information into action erstellt.

Unser Artikel Digitaler Aktivismus zeigt die vielfältigen Möglichkeiten digitaler Protestkultur auf.

Ausführlich zur Frage eines Anstiegs der Proteste der Cicero-Artikel Warum Proteste weltweit gären.

MARKIERT MIT
We will not be silent! – Online-Petitionen

Jeder kennt Unterschriftenlisten - und auch ihr Gegenstück, die Online-Petitionen bzw. E-Petitionen, flattern fast täglich in unseren digitalen Postkasten. Mit der Vielzahl an Stimmen sollen Entscheidungsträger auf Probleme aufmerksam gemacht und Missstände behoben werden. Doch wie viel Einfluss haben E-Petitionen wirklich?

Digitaler Aktivismus

Handys, Blogs und Social Networks: wie Aktivisten heute digitale Technologien nutzen, um für sozialen Fortschritt zu streiten, zeigen konkrete Beispiele aus der ganzen Welt - von ägyptischen Bloggern über Videoaktivisten in Syrien bis zum kenianischen Handyprojekt Ushahidi.