Wohnhäuser, Bürogebäude, Brücken – überall kommt Beton als Baustoff in modernen Städten zum Einsatz. Das Material ist robust, vergleichsweise günstig herzustellen und sorgt ganz von selbst für eine rudimentäre Wärme- und Schalldämmung. Allerdings setzt die Herstellung von Beton fast ein Zehntel der gesamten menschengemachten CO2-Emissionen weltweit frei. Für eine erfolgreiche Gebäudewende müssen wir Beton daher schnellstmöglich durch Alternativen ersetzen.
Wie der Einsatz einer dieser Alternativen aussehen kann, zeigt das Gebäude “CUBE”, das von der Technischen Universität Dresden als Pilotprojekt konzipiert und gebaut wurde. Es ist das erste Gebäude, das vollständig aus Carbonbeton gefertigt wurde – abgesehen von seinen Fenstern aus einer Glas-Stahl-Konstruktion. Der Bau mit Carbonbeton benötigt dabei nur etwa die Hälfte an Materialkosten und setzt nur knapp ein Fünftel der CO2-Äquivalente frei.
Aber was macht Beton eigentlich so umweltschädlich?
Beton und sein Zementproblem
Einer der Hauptbestandteile von Beton ist Zement. Wer schon einmal in ländlichen Gegenden auf einen riesigen Gebäudekomplex gestoßen ist, zu dem im Minutentakt LKWs fahren, der hat womöglich ein Zementwerk gesehen.
Für die Herstellung von Zement werden große Mengen an Kalkstein und Ton benötigt. Diese Materialien werden in großen Mühlen zu einem feinen Sand zermahlen und anschließend in Hochöfen bei über 1.400 Grad gebrannt. Schon deren Betrieb ist extrem ressourcen- und energieaufwändig. Allein das Anheizen der Öfen ist für ein Drittel der CO2-Emissionen bei der Betonherstellung verantwortlich.
In Deutschland verursacht die Betonherstellung jedes Jahr etwa 20 Millionen Tonnen CO2 an. Weltweit sind es 2,8 Milliarden Tonnen, die sich mit dem kritischen Baustoff in Verbindung bringen lassen. Zum Vergleich: Das sind etwa acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.
Die Betonherstellung – beziehungsweise den Betrieb von Hochöfen – effizienter zu gestalten, ist aber keine wirklich sinnvolle Lösung. Frank Winnefeld, Forscher für nachhaltigen Zement an der Empa in Dübendorf, sieht dadurch nur den kleinsten Teil des Problems gelöst. Gegenüber Spektrum äußerte er, dass der Großteil freigesetzter CO2-Emissionen bei einer chemischen Reaktion des Kalksteins entstehe.
In der Forschung gibt es durchaus Ansätze, um die Herstellung von Beton nachhaltiger zu gestalten. So sieht ein anderes Verfahren die Verwendung von Wasser und Kalziumkarbonat vor, welches sich über elektrische Energie zerlegen ließe. Das freigewordene Kalziumhydroxid lässt sich dann zusammen mit Sand zu Zement verarbeiten. Bei Ideen, wie etwa Beton aus alten Windeln herzustellen, handelt es sich dagegen eher um Projekte, an denen Forscher*innen noch eine Weile arbeiten müssen. Doch während die zündende Idee für grünen Beton noch einige Zeit benötigt, gibt es schon jetzt Möglichkeiten, den Bedarf an herkömmlichem Beton zu senken. Und eine dieser Lösungen ist Carbonbeton.
Carbon statt Stahl spart deutlich Material ein
Um Beton als Baustoff nutzbar zu machen, gießt man Zement in Formen oder trägt mehrere Schichten des Materials übereinander auf. Dabei werden Stahlbewehrungen in den Betonteilen platziert, um die fertigen Bauteile belastbarer zu machen. Gleichzeitig verhindert der eingesetzte Stahl die Bildung von Rissen in der Oberfläche des Betons.
Im Carbonbeton werden diese Bewehrungen durch geflochtene Matten aus Kohlenstofffäden ersetzt. Dadurch verhält sich Carbonbeton in der Handhabung ganz ähnlich wie herkömmlicher Stahlbeton. Baufirmen können die benötigten Bauteile gießen oder in Schichten übereinander auftragen. Allerdings können sie hierbei deutlich sparsamer sein, denn Carbon schlägt die Stahlbewehrungen besonders in einer Eigenschaft: Er kann nicht rosten.
Dringt Feuchtigkeit in herkömmlichen Beton ein, korrodieren die Stahlbewehrungen und die Bauteile laufen Gefahr, instabil zu werden. Die Lösung war daher bisher, dickere Bauteile zu bauen, um die Bewehrungen zu schützen. Da Carbon nicht rosten kann, lassen sich Bauteile deutlich dünner produzieren. Laut Prof. Curbach der TU Dresden ließe sich dadurch eine Materialersparnis von bis zu 50 Prozent realisieren.
CUBE beweist, dass sich Carbonbeton schon jetzt als Baustoff eignet
Carbonbeton wird in der Industrie durchaus schon als Baumaterial genutzt – aktuell allerdings nur bei der Restauration von Brücken oder sonstiger Infrastruktur. Das erste Gebäude, das komplett aus Carbonbeton gebaut wurde, steht in Dresden. Das CUBE ist dabei ein Leuchtturmprojekt, das vom Bundeministerium für Bildung und Forschung finanziert wurde.
Abgesehen von der Materialersparnis demonstriert das CUBE die neuen Möglichkeiten des Carbonbetons anhand zweier Schalen, die einander gegenüber angeordnet sind und sich ineinander verdrehen. Solche Formen sind mit herkömmlichem Beton nicht möglich. Gegenüber dem Rat für nachhaltige Entwicklung verriet Oberbauleiter Matthias Hietze: “Wir wollten zeigen, was technisch und wirtschaftlich möglich ist.” Aus diesem Grund habe man zusammen mit dem Münchener Architekturbüro Henn eher ungewöhnliche Formen und Gestaltungen entwickelt.
Virtuell lässt sich das gesamte Gebäude auf der Homepage des Projektes begehen. Zur Konstruktion des CUBE gehören neben der Außenschale aus Carbonbeton ein zweistöckiger Kern mit Büroräumen. Der restliche Innenraum dient als Seminar- und Meetingräume.
Welche Hürden muss Carbonbeton noch überwinden?
Auch wenn das CUBE in Dresden bereits demonstriert, wie moderne Gebäude aus Carbonbeton aussehen können – einige Hürden gilt es noch zu überwinden. Denn herkömmliche Wände aus Stahlbeton bieten mit ihrer dicken Konstruktion nicht nur eine hohe Stabilität, sie sorgen auch gleichzeitig für eine gute Wärme- und Schalldämmung. Die dünneren Wände aus Carbonbeton leisten das aktuell nicht. Um den neuartigen Beton etwa für Wohnhäuser verwenden zu können, muss er also mit weiteren Materialien zur Dämmung kombiniert werden.
Auch mögliche gesundheitliche Gefahren des neuen Baustoffes werden aktuell noch erforscht. Die Uni Rostock führt einen eigenen Forschungsbereich, um herauszufinden, “ob im Lebenszyklus des Materials gesundheitsschädliche Substanzen entstehen”. Das Projekt ist dabei Teil eines Vorhabens mit mehr als 160 Partnern aus der Industrie und Forschung.
Falls sich Carbonbeton in den nächsten Jahren als robust, sicher und gesundheitlich unbedenklich herausstellt, gibt es noch eine letzte Eigenschaft, die wir für nachhaltige Gebäude mitbedenken müssen.
Lässt sich Carbonbeton recyceln?
Eine positive Eigenschaft hat Stahlbeton durchaus: Die Bauteile lassen sich beim Abriss sehr gut in Stahl und Beton trennen. Abrissunternehmen zerkleinern die Betonteile dafür in mehreren Schritten und ziehen die Stahlbewehrungen anschließend mit Magneten heraus. Das ist nicht nur besonders einfach, sondern das Recycling gelingt auch mit einer stofflichen Reinheit von nahezu 100 Prozent. Abgerissener Beton lässt sich anschließend als recycelter Werkstoff für Frischbeton weiterverarbeiten oder als Tragschicht im Straßen- und Wegebau einsetzen.
Was allgemein als Argument für die Verwendung von Stahlbeton verwendet wird, sieht in der Realität aber ganz anders aus. Denn gerade in Deutschland nutzt die Industrie nur äußerst geringe Mengen an Recycling-Beton. Obwohl jährlich etwa 60 Millionen Tonnen Bauschutt durch Abbruch und Rückbau anfallen, nutzen Unternehmen nur etwa 0,6 Millionen Tonnen als Zuschlag bei der Betonherstellung.
Zudem ist auch Carbonbeton sehr gut recycelbar. Mit heutigen Methoden erreichen Forscher*innen des Carbon Concrete Compound e.V. bereits eine 98 prozentige Reinheit bei der Trennung des Betons und der Kohlenstoffmatten. Wie beim Stahlbeton wird der getrennte Beton dann dem Betronrecycling zugeführt, aus den Bewehrungen lassen sich die Kohlenstofffasern lösen und für neue Produkte wiederverwenden.
Das Verfahren beim Recycling von Carbonbeton ist allerdings ein wenig aufwändiger. Denn Kohlenstoff ist nicht magnetisch und muss stattdessen über alternative Sortierverfahren aus dem zerkleinerten Carbonbeton herausgezogen werden. Hierbei kommen zum Beispiel Kamerasysteme in Verbindung mit Druckluftdüsen, wie etwa beim Glasrecycling zum Einsatz.
Vorteile überwiegen insgesamt
Insgesamt kann Carbonbeton ein großes Problem nicht lösen: Die starke Umweltbelastung, die mit der Zementproduktion einhergeht. Wir benötigen also noch immer entweder nachhaltigere Herstellungsverfahren von Beton oder weniger ressourcenintensive Alternativen zu Beton, die sogar aus organischen Stoffen wie Pilzen bestehen könnten.
Gebäude sind ein CO2-Schwergewicht: Das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Häuser hat einen Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen Deutschlands. Unsere Klimaziele erreichen wir nur, wenn diese Emissionen massiv gesenkt werden.
Wie aber gelingt die nachhaltige Transformation der Gebäude und welche Rolle spielen digitale Lösungen dabei? Das RESET-Greenbook gibt Antworten: Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren
Gebäude sind ein CO2-Schwergewicht: Das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Häuser hat einen Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen Deutschlands. Unsere Klimaziele erreichen wir nur, wenn diese Emissionen massiv gesenkt werden.
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Bis wir vergleichbar robuste und langlebige Rohstoffe gefunden haben, ist Carbonbeton aber eine gute Alternative zum herkömmlichen Stahlbeton. Mit einer besseren Langlebigkeit, einer höheren Belastbarkeit, ähnlichen Fertigungsprozessen und mehr Flexibilität bietet Carbonbeton auch unabhängig von nachhaltigen Aspekten Vorteile.
Dazu gehört auch eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft, die nach aktuellem Forschungsstand mit Carbonbeton durchaus möglich wäre. Allerdings vertraut die Wirtschaft zu stark auf die Neuproduktion von Beton – egal, ob mit Bewehrungen aus Stahl oder Kohlefasern.
Dieser Artikel gehört zum Dossier „Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.