Gebäudekühlung ohne Klimaanlage? Intelligente Fenster machen es möglich

Intelligente Fenster mit einer wärmeabweisenden Beschichtung bieten die Möglichkeit, Gebäude ohne den zusätzlichen Energieverbrauch von Klimaanlagen zu kühlen.

Sich an das Klima anpassende Fenster mit einer wärmeabweisenden Beschichtung können Gebäude ohne zusätzlichen Energieverbrauch kühlen.

Autor*in Christian Nathler:

Übersetzung Luisa Ilse, 20.09.23

Auf der Erde gibt es derzeit rund zwei Milliarden Klimaanlagen – das heißt, dass etwa jeder vierte Mensch ein solches Gerät besitzt. Da die Temperaturen, die Weltbevölkerung und der Lebensstandard steigen, wird sich die Anzahl an Klimaanlagen bis 2050 voraussichtlich fast verdreifachen. Aber wie wird eine Welt mit 5,6 Milliarden Klimaanlagen aussehen? Vermutlich nicht besonders gut, denn derzeit sind temperatursenkende Geräte für etwa vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Eines ist jedoch klar: Menschen werden ihre Häuser weiterhin kühlen müssen. Weniger klar ist dagegen, wie dies erreicht werden kann, ohne das Problem weiter zu verschärfen. Nachhaltige und energieeffiziente Lösungen für die Kühlung zu finden ist von entscheidender Bedeutung für eine Zukunft, in der Komfort nicht auf Kosten der Umwelt geschaffen wird.

Intelligente Fenster, kühlere Häuser

Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, ist die breite Einführung intelligenter Fenster. Diese technologisch fortschrittlichen Fenster sind so konzipiert, dass sie sich an wechselnde äußere Bedingungen anpassen und den Bedarf an übermäßiger Klimatisierung verringern. Die verwendete Technologie kann dabei variieren – von thermochromen Fenstern, die sich je nach Sonneneinstrahlung automatisch abtönen bis hin zu elektrochromen Fenstern, bei denen die Bewohner*innen den Grad der Tönung elektronisch steuern können. Einige intelligente Fenster sind sogar mit Sensoren ausgestattet, die die Intensität des Sonnenlichts erkennen und die Transparenz entsprechend anpassen. Während intelligente Fenster in Booten, Autos und Flugzeugen schon heute verbaut werden, muss der Zugang in die Baubranche erst noch gelingen.

Gebäude sind ein CO2-Schwergewicht: Das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Häuser hat einen Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen Deutschlands. Unsere Klimaziele erreichen wir nur, wenn diese Emissionen massiv gesenkt werden.

Wie aber gelingt die nachhaltige Transformation der Gebäude und welche Rolle spielen digitale Lösungen dabei? Das RESET-Greenbook gibt Antworten: Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren

Das perfekte Material gibt es nicht – noch nicht

Die zentrale Herausforderung liegt in der Entwicklung eines optimalen Materials für intelligente Fensterbeschichtungen. Bislang gibt es kein solches Material. Hydrogel-Polymere beispielsweise zeichnen sich durch eine hervorragende Wärmeableitung aus – sind aber zu undurchsichtig, was die Transparenz beeinträchtigt. Umgekehrt sind Stoffe wie VO2 zwar durchsichtig, aber aufgrund ihrer minderwertigen Wärmereflexionsfähigkeit nicht sehr energieeffizient.

Die jüngsten Fortschritte auf diesem Gebiet sind jedoch vielversprechend. Durch die Synergie von Quantencomputing und Künstlicher Intelligenz haben Wissenschaftler*innen der University of Notre Dame und der Kyung Hee University eine innovative transparente Beschichtung entwickelt, die die durch Fenster erzeugte Wärme aktiv umlenkt. Die Beschichtung senkt nachweislich die Innentemperatur, ohne auf Strom angewiesen zu sein – und ohne die Sicht durch das Fenster zu beeinträchtigen. In trockenen, heißen Städten sind Fenster mit dieser Beschichtung schätzungsweise bis zu einem Drittel energieeffizienter als solche ohne Beschichtung. Während sichtbares Licht eindringt und wärmeproduzierendes Licht draußen bleibt, wird Wärmeenergie in den Weltraum abgegeben. Dies hat den zusätzlichen Vorteil, dass Gegenstände und Oberflächen passiv gekühlt werden, ohne dass eine aktive Energiezufuhr – wie bei Klimaanlagen – erforderlich ist.

Auf Klimaanlagen und elektrische Ventilatoren entfallen etwa zehn Prozent des gesamten weltweiten Stromverbrauchs.

Sofortige Prüfung dank Quantencomputer und KI

Die Beschichtung der Forschenden besteht aus einer Vielzahl sorgfältig angeordneter, ultradünner Materialschichten. Der Einsatz eines Computermodells ermöglichte eine schnelle Bewertung möglicher Schichtkonfigurationen, um die optimale Materialkombination und -anordnung zu ermitteln.

„Ich denke, die Strategie der Quantenberechnung ist genauso wichtig wie das Material selbst“, erklärt Tengfei Luo, Dorini Family Professor of Energy Studies an der University of Notre Dame. „Mit diesem Ansatz waren wir in der Lage, das beste Material zu finden, einen Strahlungskühler zu entwerfen und seine Kühlwirkung experimentell nachzuweisen.“

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse schichteten die Wissenschaftler*innen Siliziumdioxid, Aluminiumoxid und Titanoxid auf ein Glasfundament. Anschließend bedeckten sie die Schichten mit einem Polymer, das in Kontaktlinsen verwendet wird. Das Ergebnis war eine 1,2 Mikrometer dicke Beschichtung, die alle bestehenden wärmereduzierenden Glasbeschichtungen übertraf.

Die Kosten bleiben ein Thema

Das Ziel besteht nun darin, vom Labor zur praktischen Umsetzung überzugehen. Die größte Herausforderung ist die Bezahlbarkeit – die komplexen Materialien und Herstellungsverfahren der Beschichtung verursachen hohe Produktionskosten. Sollte eine kostengünstigere Produktion gelingen, könnten Innovationen bei der Fensterbeschichtung dazu beitragen, Gebäude und Fahrzeuge zu kühlen und die Abhängigkeit von energieintensiven Klimaanlagen zu verringern. Andere Fortschritte wie Windfänger, nachhaltige Klimaanlagen, Fernkältenetze und die weißeste Farbe der Welt sind ebenfalls Teil einer ganzheitlichen Lösung.

Wir setzen bereits zirkuläre Methoden wie die Abwärmenutzung zur Beheizung unserer Gebäude ein. Genauso wichtig ist es bei steigenden globalen Temperaturen, dass wir effiziente und weniger energieintensive Technologien zur Kühlung von Gebäuden entwickeln. Wesentlich dabei ist auch, Häuser mit den Mitteln der Baukonstruktion von Anfang an energieeffizient zu planen, wie es zum Beispiel der Einfach-Bauen-Ansatz zeigt.

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Dieser Artikel gehört zum Dossier „Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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