„Frisch Gefischt“: Startup zeigt, wie schwer nachhaltiger Fischfang in Deutschland ist

© Frisch Gefischt / Wim Jansen

Der lokale Fischfang in Deutschland hat ein Problem, denn es gibt seit den 80er Jahren keine Fischauktionen mehr. Fische, die hierzulande gefangen werden, müssen einen Umweg nehmen. Um die Fischereiindustrie nachhaltiger zu gestalten, setzt das Hamburger Startup "Frisch Gefischt" daher auf eine Online-Lösung.

Autor*in Benjamin Lucks, 15.11.23

Übersetzung Christian Nathler:

Kaufen wir im Supermarkt Fische, Meeresfrüchte und Krustentiere, stammen diese aus zwei Quellen: Aus dem kommerziellen Fischfang oder aus Aquafarmen, in denen Fische in riesigen Becken großgezogen werden. Da es in Deutschland seit den 80er-Jahren keine Fischauktionen mehr gibt, sind diese Fische vor dem Verkauf bereits durch mehrere Länder gereist. Auch dann, wenn sie ursprünglich an deutschen Küsten gefangen wurden. Dadurch steigt der CO2-Ausstoß der Lebensmittel an. Hinzu kommen die starken negativen Auswirkungen des Fischfangs auf unsere Umwelt.

Seit Jahrzehnten ist klar, dass Überfischung die Biodiversität in unseren Weltmeeren schrumpfen lässt. Informationen von Greenpeace zufolge sind 90 Prozent der globalen Speisefischbestände gefährdet – und trotzdem wächst die Fischereiindustrie weltweit stark an. Auch die Fischzucht in Aquakulturen ist in den seltensten Fällen eine nachhaltige Alternative, denn sie produziert Unmengen von Abwasser. Gleichzeitig werden viele Speisefische aus Aquafarmen mit kleineren Fischen gefüttert, die wiederum wild gefangen werden.

In Deutschland wirklich frischen und nachhaltigen Fisch zu kaufen, ist also besonders schwer. Das Hamburger Startup „Frisch Gefischt“ möchte das mithilfe einer Online-Plattform ändern.

Aber was braucht es, um Fischfang überhaupt nachhaltiger zu gestalten?

Wie geht nachhaltige Fischerei?

Im Gespräch verriet uns Andreas Reinhardt, Geschäftsführer von „Frisch Gefischt“, dass sein Unternehmen ausschließlich mit lokalen Fischer*innen der Nord- und Ostsee zusammenarbeite. Auf den Einsatz von Zertifikaten wie das MSC-Siegel für den Wildfang von Fischen verzichte man dabei bewusst. „Wir haben nicht viel Glaube daran, dass Zertifikate der richtige Weg sind. MSC etwa ist die Fangmethode egal.“

Die Sicherheit, dass die genutzten Fangmethoden auch tatsächlich nachhaltig sind, erhalte man durch einen persönlichen Kontakt und über die Kontrolle von Fangmeldungen sowie weiteren Protokollen. „Man sieht es den Booten an“, sagt Reinhardt und erklärt, dass Boote für den Schleppfang über Konstruktionen verfügen, welche die Fische vor dem Fang aufscheuchen. Und genau gegen den Einsatz dieser Fangmethode verpflichten sich die Fischer*innen, die mit „Frisch Gefischt“ zusammenarbeiten.

© Frisch Gefischt / Wim Jansen
Fischer*innen, die mit „Frisch Gefischt“ zusammenarbeiten, verpflichten sich für den Einsatz nachhaltiger Fangmethoden

Denn: Grundschleppnetze stehen schon seit Jahren in der Kritik, da ihr Einsatz die empfindlichen Ökosysteme am Meeresboden zerstört. Mit ihnen ausgestattete Fischerboote ziehen Netze über den Meeresboden und sammeln die so aufgescheuchten Meerestiere ein. Dabei beschädigen sie empfindliche Korallenriffe und Meerespflanzen oder zerstören sie vollständig. Und das nimmt Fischen und weiteren Meeresbewohnern wiederum Lebens- und Schutzräume.

Darüber hinaus sorgen die genutzten Methoden für große Mengen an Beifang. Als Beifang bezeichnet man Fische, die sich kommerziell nicht nutzen lassen. Ein großes Problem, denn Schätzungen zufolge werden 40 Prozent der gefangenen Fische nach dem versehentlichen Fang tot oder stark geschwächt zurück ins Meer geworfen. Mit vorsichtigeren Fangmethoden können Fischer*innen das Aufkommen von Beifang deutlich verringern. Es gibt aber auch kreative Lösungen wie der Einsatz von LED-Warnlichtern auf Fischereibooten.

Neben nachhaltigen Fangmethoden legt „Frisch Gefischt“ zudem auch Wert darauf, dass Zuliefer*innen beim Fang auf saisonale Fischbestände achten. Sind die Bestände zu klein, wird ihnen die benötigte Zeit zur Regenerierung gelassen – die jeweilige Fischsorte wird dann im Onlineshop nicht angeboten.

Orientierung an der „Farm to Table“-Bewegung

Um die Kommunikation zwischen Fischer*innen und Kund*innen möglichst transparent und einfach zu machen, hat „Frisch Gefischt“ eine Online-Plattform entwickelt.

Direkt nach dem Abladen der Boote inventarisieren Mitarbeiter*innen den Fang im Onlinesystem. Restaurantbesitzer*innen oder jede*r weitere Kund*in sieht dann umgehend, welche Waren aktuell zur Verfügung stehen. Die gefangenen Fische transportiert „Frisch Gefischt“ in eigenen Kühlboxen ins Kühllager an der Hamburger Sternschanze. Von dort aus verschickt das Unternehmen die Bestellungen an verschiedene Standorte in Deutschland. Dabei orientiert sich das Startup an der „Farm to table“-Bewegung und verkürzt die Lieferzeit auf ein bis zwei Tage.

© Frisch Gefischt / Yves Pascal Eckhardt
„Frisch Gefischt“ Gründer Andreas Reinhardt und Lars Bäumer

Hierdurch sind die angebotenen Lebensmittel nicht nur frischer als andere Produkte aus dem Großhandel oder dem Supermarkt. Der Wegfall des Zwischenhandels verkürzt auch die Lieferwege. So kann „Frisch Gefischt“ das Problem der hohen CO2-Belastung durch Fischauktionen aus dem Ausland umgehen. Zudem ermöglicht es dem Unternehmen, bessere Löhne an die Fischer*innen zu bezahlen.

Aktuell konzentriert sich „Frisch Gefischt“ noch hauptsächlich auf Unternehmenskunden wie Restaurants oder die Betreiber*innen von Marktständen. Andreas Reinhardt verriet uns allerdings, dass sein Team derzeit an einer Plattform für Privatkund*innen arbeite. Voraussichtlich zum Wintergeschäft sollen die nachhaltigen Produkte dann auch in Privathaushalten verfügbar sein.

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