Freiburger Startup will das Surfen im Netz sicherer und grüner machen

Das Freiburger Startup Gardion hat einen VPN-Dienst entwickelt, mit dem die eigenen Daten mittels leistungsstarker Netzwerkfilter im Internet besser geschützt werden sollen – und das mit 100 Prozent Ökostrom.

Autor*in Leonie Asendorpf, 09.04.20

Große Datentracker wie Google oder Facebook verdienen ihr Geld mit dem Sammeln unserer Daten. Fast bei jeder Website, die wir öffnen, werden unsere Informationen an verschiedene Domains gesendet. Datenschutzskandale, wie der um das Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica, haben gezeigt, wie leicht große Unternehmen persönliche Nutzerdaten missbrauchen können. Da fast alle Websites beispielsweise Google-Dienste integriert haben, ist der komplette Schutz vor solchen großen Datensammlern heutzutage praktisch unmöglich. Die Köpfe hinter dem Freiburger Startup Gardion wollen sich dieser Überwachung jedoch widersetzen und Menschen die Möglichkeit geben, sich und ihre Daten zu schützen. Auf ihrer Website schreiben sie: „Wir werden abgehört, manipuliert und angegriffen. Holen wir uns das Internet zurück.“

Um diese Idee in Taten umzusetzen, haben die Freiburger einen VPN-Dienst entwickelt, der das Netz filtert, analysiert und Nutzer*innen und ihre Daten bestmöglich schützen soll. Die Abkürzung VPN steht für „Virtual Private Network“ (virtuelles privates Netzwerk). Vor allem in großen Unternehmen werden solche VPN-Dienste bereits eingesetzt und sollen dort verhindern, dass interne Daten nach außen gelangen. Für private oder professionelle Nutzer*innen, deren Arbeitgeber*innen noch keine VPN- Provider einsetzen, gebe es laut Thomas Schlenkhoff, einem der Gründer des Startups, solche Dienste jedoch noch nicht: „Meiner Kenntnis nach gibt es keinen VPN-Anbieter mit Rechtssitz in Deutschland, der tatsächlich den Internetverkehr filtert“, so Schlenkhoff gegenüber RESET.

„Ganz viele VPN-Betreiber werben mit Privacy, meinen aber im Regelfall nur die Verschleierung der IP-Adresse“, so Schlenkhoff gegenüber RESET. Das heißt, dass die dem eigenen Gerät zugewiesene Adresse beim Surfen nicht zugeordnet und damit auch nicht nachverfolgt werden kann. Das sei jedoch, so Schlenkhoff, aus Privatsphäre-Sicht viel zu kurzgefasst, da große Werbe-Tracker, wie die von Google, mithilfe von gesetzten Cookies trotzdem nachverfolgen können, von welchem Gerät aus Nutzer*innen im Internet sind. „Eine VPN-basierte Lösung wie unsere bietet einem die Möglichkeit zu entscheiden, dass alles, was zu Google, Google Fonts oder Google Analytics geht, blockiert wird.“ Das ist nicht nur aus Datenschutz-Perspektive sinnvoll. Denn durch die Netzwerkfilterung wird auch Datenvolumen eingespart. Öffnet man beispielsweise die „Spiegel Online“-Website, würden laut Gardion durch die VPN-Filter des Startups nur etwa fünf MB, anstatt etwa 26 MB verbraucht. Der Datenverbrauch schrumpft also um etwa ein Fünftel.

Im Unterschied zu anderen Providern, die ihren Sitz meist außerhalb Deutschlands haben, arbeitet das Team von Gardion von Freiburg aus. Für Nutzer*innen böte der Sitz in Deutschland eine Sicherheit, so Schlenkhoff, da es hierzulande einen klaren Rechtsrahmen gibt – anders, als wenn der Anbieter in Panama säße.

Energie aus Ökostrom

Die große Besonderheit von Gardion: Das zugehörige Rechenzentrum bezieht Energie aus 100 Prozent TÜV-zertifizierter Wasserkraft. Der Strom wird vom badischen Energieanbieter Energiedienst hergestellt. Dieser erzeugt Energie aus dem Wasser im Rhein und verschiedenen Speicherkraftwerken von Stauseen im Schwarzwald.

Der Rechenzentrumsbetrieb deckt den Großteil des Stromverbrauchs ab. Etwa 20 Prozent des Ressourcenverbrauchs stecken jedoch in dem Strom, der zwischen den privaten Routern und den Servern des Gardion-Rechenzentrums verbraucht wird. Für diesen sei eine Zusammenarbeit mit der Non-Profit-Organisation atmosfair geplant, die Treibhausgasemissionen ausgleicht, indem sie in Klimaschutzprojekte investiert. Schlenkhoff ist überzeugt: „Wenn wir anfangen, auch die ganzen kleinen Alltagsdinge wie Mobiltelefonie oder im Internet surfen mit Ökostrom zu betreiben, dann tun wir insgesamt viel Gutes für den Planeten und das ist es, wo auch wir hinwollen.“

Entstehung und Zielgruppen

Finanziert wurde das 2017 gegründete Projekt anfangs aus privaten Ersparnissen. 2018 kamen dann einmalig staatliche Förderungen hinzu. Zum einen aus dem staatlichen EXIsT-Programm für technische Ausgründungen aus Hochschulen und zum anderen durch das vom Land Baden-Württemberg geförderte BW-Pre-Seed, einem Programm, welches innovative Gründungsvorhaben im IT-Bereich unterstützt. „Außer einer staatlichen Förderung wollen wir möglichst keine externen Investoren dabeihaben, damit wir möglichst frei an unserem Produkt herumschrauben können“, erklärt Schlenkhoff. Aktuell besteht das Team von Gardion aus den zwei Gründern Thomas Schlenkhoff und Benjamin Fröhlich, zwei Teilzeitkräften und einem Werkstudenten.

Der VPN-Dienst Gardion hat zwei Zielgruppen. Die ersten sind die „Überzeugungstäter“, wie sie Gardion-intern genannt werden, also Menschen, die bereits sehr datenschutzsensibel sind. Für Privatnutzer*innen ist ein Satz von etwa 20 verschiedenen, auf unterschiedliche Interessen angepassten Filtersets geplant. Aus diesen sollen Nutzer*innen dann die Zusammenstellung aussuchen können, die am besten ihren Anforderungen entspricht.

Die zweite Zielgruppe besteht aus Menschen, die das VPN für Berufliches verwenden möchten. Wenn also beispielsweise ein Steuerberater unterwegs im ICE arbeitet, dann beschränkt das VPN seine Arbeit mit voreingestellten Filtern und lässt nur die, für seine Arbeit relevanten Webseiten zu. Hierfür entwickelt das Freiburger Team Filtersets, die an die Interessen oder Berufsgruppen angepasst und von einzelnen Unternehmen gemietet werden können. Zur Entwicklung dieser Filtersets plant das Gardion-Team mit Menschen aus den jeweiligen Berufsgruppen zusammenzuarbeiten.

Neben der Filterung soll es auch eine Netzwerkanalyse geben, die sich allerdings noch in der Entwicklung befindet. Geplant sind Push-Nachrichten oder E-Mails, die Nutzer*innen darauf hinwiesen sollen, wenn sie auf sogenannte Lookalike-Domains, also Fake-Websites, die sich nur anhand kleiner Tippfehler von den seriösen Originalen unterscheiden, gelockt wurden. Außerdem sollen Nutzer*innen auf Wunsch Alternativen zu oft genutzten, jedoch nicht sicheren Websites vorgeschlagen werden.

Zurzeit befindet sich das Projekt noch in der Testphase und kann kostenlos ausprobiert werden. Nach Fertigstellung des VPN-Dienstes soll das Angebot (pro Nutzer*in für alle Geräte) zehn Euro pro Monat kosten. Ende Juni soll außerdem eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext starten, in deren Rahmen Menschen, die das Projekt spannend finden, das Freiburger Startup unterstützten können. Im Spätsommer dieses Jahres soll das Produkt dann für Privatnutzer*innen an den Markt gehen, für professionelle Nutzer*innen ab Ende dieses Jahres.

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