Die Verringerung des CO2-Ausstoßes ist das entscheidende Element, um den Klimawandel zu stoppen. Innerhalb der europäischen Union wurde daher eine bestimmte Menge an Emissionen festgelegt, die die Industrie ausstoßen darf. Diese Menge wird über Zertifikate aufgeteilt, die Unternehmen erwerben müssen. Zur Zeit kostet eine Tonne CO2 rund 30 Euro. Die Nachfrage bestimmt dabei den Preis: je weniger Zertifikate es gibt, desto höher steigt der Preis für eine Tonne und desto teurer wird der CO2-Austoß am Ende für die Industrie. Wie der Handel mit Zertifikaten funktioniert erklärt dieser Artikel ausführlich: Emissionsrechtehandel.
In diesen komplizierten Handel mit Emissionsrechten ist ein Startup aus Deutschland eingestiegen. ForTomorrow kauft CO2-Zertifikate auf und sammelt sie auf einem Konto. So stehen diese der Industrie nicht mehr zu Verfügung. Das Startup hofft, damit die Zertifikate derart zu verknappen, dass Unternehmen nicht mehr ausreichend CO2- Zertifikate erhalten, um ihre Emissionen ausgleichen zu können und gezwungen sind, weniger Kohlenstoffdioxid zu produzieren und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Langfristig will ForTomorrow damit bewirken, dass die Industrie weniger Emissionen erzeugt.
Die Gründerin Ruth von Heusinger arbeitete selbst bei verschiedenen Energieunternehmen und im Emissionshandel. Dabei vermisste sie die Möglichkeit, die Emissionen mit Klimaschutzmaßnahmen in Europa zu kompensieren – und gründete ForTomorrow.
Finanziert wird der Kauf von Emissionszertifikaten von den ForTomorrow-Nutzer*innen. Wer einmalig zahlt oder ein Klima-Abo für sich als Einzelperson oder gleich für die ganze Familie abschließt, für den gleicht das Startup den C02-Ausstoß aus. Das passiert allerdings nur zur Hälfte durch den Kauf von Zertifikaten. Die andere Hälfte investiert ForTomorrow in das Pflanzen von Bäumen. Auch hier geht das junge Unternehmen einen in der Branche eher unüblichen Weg: Die Bäume werden in Deutschland gepflanzt. Dadurch, dass in Deutschland Wälder geschützt sind und illegale Abholzung nicht geduldet wird, sieht ForTomorrow eine größere Wahrscheinlichkeit als in vielen anderen Regionen der Welt, dass der Baum viele Jahre Zeit zum Wachsen hat. Die Aufforstung findet zusammen mit der Schutzgemeinschaft deutscher Wald und nur auf staatlichen Flächen statt, so dass der neu gepflanzte Wald der Gesellschaft gehört.
Die im Februar 2020 veröffentlichte Studie „Die Dynamik sozialer Kipppunkte zur Stabilisierung des Erdklimas bis 2050“ macht Hoffnung, dass die Idee von ForTomorrow gute Chancen hat, langfristig zu funktionieren. Ein internationales Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat verschiedene gesellschaftlich-soziale Kippelemente benannt, die einen schnellen weltweiten Übergang in eine kohlenstoffneutrale Welt nach sich ziehen könnten. Diese Kippelemente könnten durch konkrete und gezielt eingesetzte Eingriffe ausgelöst werden. Ein Beispiel ist das „Divestment“, also der Abzug von Geld aus verschmutzenden Industrien. So lässt sich der Markt auch mit einer relativ kleinen Zahl von Investoren drehen. In diesem Zusammenhang lässt sich auch ForTomorrow betrachten. Doch damit der Hebel des Startups wirklich wirkungsvoll ist, müssen sehr viele Zertifikate eingeheimst werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Plan aufgeht.