Forschende entwickeln kompostierbares Display

Cristian Eslava

Ob alte Handys, Fernseher oder Küchengeräte – Elektroschrott wird zu einem immer größeren Problem. Um dem entgegenzuwirken, haben Forschende nun ein biologisch abbaubares Display entwickelt.

Autor*in Leonie Asendorpf, 28.01.21

Übersetzung Leonie Asendorpf:

53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott: Soviel haben Menschen im Jahr 2019 weltweit erzeugt. Das ist deutlich mehr als alle Erwachsenen in Europa wiegen, würde man sie zusammen auf eine Waage stellen. Ein vergleichbares Gewicht hätten übrigens 350 Kreuzfahrtschiffe von der Größe der Queen Mary 2. Die Zahl geht auf den aktuellen Bericht des Global E-Waste Monitor der Vereinten Nationen zurück. Laut Bericht wird bis 2030 mit einer jährlich erzeugten Menge von 74 Millionen Tonnen gerechnet. Mit insgesamt 12 Millionen Tonnen liegt Europa hinter Asien (mit 24,9 Millionen) und Amerika (mit 13,1 Millionen) auf Platz drei der größten Erzeuger elektronischer Abfälle.

Damit ist Elektroschrott der weltweit am schnellsten wachsende inländische Abfallstrom, der vor allem durch den höheren Verbrauch elektrischer und elektronischer Geräte, kurze Lebenszyklen und wenige Reparaturmöglichkeiten angetrieben wird“, so der Bericht. Von der Gesamtmenge des 2019 erzeugten Elektroschrotts wurden jedoch nur 17,4 Prozent gesammelt und recycelt. Elektroschrott enthält gefährliche Schwermetalle wie Quecksilber oder Blei, die nicht nur die Umwelt schädigen, sondern auch für die Gesundheit von Menschen und Tieren sehr gefährlich sind. Wertvolle Rohstoffe wie Gold, Silber, Kupfer oder Platin werden zudem mit nicht-recycelten Geräten zudem größtenteils verbrannt.

Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie entwickeln kompostierbares Display

Einem Team aus Wissenschafter*innen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist es nun erstmalig gelungen, ein Display zu entwickeln, dessen Bioabbaubarkeit von unabhängiger Seite geprüft und bestätigt wurde. Die Ergebnisse der Forschung wurden im Journal of Materials Chemistry veröffentlicht. „Mit unserer Entwicklung konnten wir zum ersten Mal zeigen, dass es möglich ist, nachhaltige Displays aus überwiegend natürlichen Materialien mithilfe industriell relevanter Fertigungsmethoden herzustellen“, so Manuel Pietsch, Erstautor der Publikation und Forscher des Lichttechnischen Instituts (LTI) des KIT am InnovationLab in Heidelberg. „Wir hoffen, dass das Display in Kombination mit dem Recycling oder der Wiederverwendbarkeit von anderen elektrischen Geräten dazu beiträgt, dass einige der Umweltauswirkungen von Elektroschrott minimiert, oder sogar ganz verhindert werden können.“

Das Display ist Teil eines Forschungsprojektes, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. In dem Projekt geht es um biologisch abbaubare leuchtende und reflektiv sowie farbändernde Bauteile, die für Anzeigen benutzt werden können. Die Bioabbaubarkeit des neuen Displays ist gemäß ISO 14855 von der Isega Forschungs- und Untersuchungsgesellschaft mbH geprüft worden.

Wie das kompostierbare Display zusammengebaut ist und wie es funktioniert

Das Display besteht aus verschiedenen Schichten: Zuerst kommt das Substrat. Dieses besteht aus einer Art Cellulose-Folie. Die nächste Schicht besteht aus einem organischen Polymer, welches für die Farbänderung zuständig ist. Am Ende wird alles, zusammen mit den einzelnen Elektroden, die das Display ansteuern, mit einer letzten Schicht versiegelt. Diese letzte Schicht, die man als Elektrolyt braucht, besteht aus einer Mischung aus Gelatine, Wasser, Kochsalz und Glycerin. Wenn man diese über die Ränder hinaus und auch unter dem Substrat eingibt, dann lässt sich das Display sogar auf der Haut tragen. Doch wie funktioniert so ein kompostierbares Display?

„Es gibt zwei verschiedene Arten von Displays: einmal emmitierende Displays, wie beispielsweise LED- oder LSD-Displays wie man sie vom Handy kennt. Und es gibt reflektierende Displays, wie man sie zum Beispiel von einem E-Paper kennt“, erklärt Pietsch. Bei dem neuen Display des KIT handelt es sich um ein reflektives Display. „Durch das Anlegen oder Herausnehmen von Spannung ändert das Polymer seine optischen Eigenschaften. Die Absorption von diesem Material verändert sich also und absorbiert einen anderen Wellenanteil im Licht. Dadurch ändert sich auch die Farbe, die wir dann sehen.“ Der erzeugte Farbzustand bleibt nach Beenden der Stromzufuhr sogar noch eine Weile erhalten. Das Display kann also impulsmäßig betrieben werden.

Die nötige elektrische Spannung beträgt dabei nur etwa 2,4 Volt. Das Display verbraucht also nur sehr wenig Strom – einer der Vorteile, die das Display gegenüber herkömmlichen Displays hat. Einen weiteren Vorteil bietet die verhältnismäßig einfache Herstellung, denn das Display kann mit einem Tintenstrahldrucker ausgedruckt werden. Dieses Verfahren macht die Herstellung einfach und ressourcenschonend. Außerdem kann das Design, wenn man das Display für eine neue Anwendung braucht, mit dieser Methode immer wieder verändert werden.

Anwendung auf Lebensmittelverpackungen oder im medizinischen Bereich

Bislang kann das Display „nur“ simple Anzeigen, wie beispielsweise Zahlen auf einem Wecker oder Taschenrechner, oder Balken, wie man sie von Batterieanzeigen kennt, darstellen. „Wir sprechen hier erstmal nur von einfachen Anzeigen, nicht von komplizierteren wie bei einem Smartphone. Das wäre schön, wenn wir das auch noch hinbekommen würden in der nahen Zukunft, aber das ist natürlich nochmal um einiges komplexer und herausfordernder“, so Pietsch.

Anwendung könnte das Display beispielsweise auf Lebensmittelverpackungen (als Display für qualitätsüberwachende Sensoren, beispielsweise für das Mindesthaltbarkeitsdatum), oder im medizinischen Bereich finden. In Letzterem werden aus hygienischen Gründen bisher häufig Einmalanwendungen benutzt oder die Anzeigen müssen aufwendig gereinigt werden. Hier könnten zukünftig stattdessen biologisch abbaubare Displays eingesetzt werden. Je nachdem, was benötigt wird, könnte das Display-Design individuell für verschieden Anwendungen angepasst werden. In diesem Bereich könnte es laut Pietsch auch nützlich sein, dass das Display auf der Haut haften kann: „Bei einem EKG kann das Display dann beispielsweise zusammen mit den anderen Elektroden, die ein Patient eh schon hat, auf der Haut anliegen und man müsste kein zusätzliches Display tragen.“

Was jede*r gegen Elektroschrott tun kann

Forschungsprojekte wie die am KIT geben Hoffnung, dass langfristige Lösungen gefunden werden, um unseren Berg aus Elektroschrott wieder schrumpfen zu lassen. Doch bevor biologisch abbaubare Displays zum Einsatz kommen, wird noch einige Zeit vergehen. Doch es gibt viele Möglichkeiten, die Menge an erzeugtem Elektroschrott zu verringern, angefangen bei einem nachhaltigen, umwelt- und menschenfreundlicheren Ressourcenabbau auf Herstellerebene über konsequente Recycling-Regelungen auf politischer Ebene bis hin zum Gang zum Supermarkt, um die alten Batterien ordnungsgemäß zu entsorgen oder dem Kauf von fairen oder gebrauchten Elektrogeräten auf Verbraucher*innenebene. Weitere Tipps findest du hier: So verkleinerst du deinen digitalen Fußabdruck

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