Weltweit leben immer mehr Menschen in großen Städten und Metropolen. Jedoch ist bei Weitem nicht jede Stadt für wachsende Menschenmassen ausgelegt. Schon der morgendliche Weg zur Arbeit kann so zur stundenlangen Tortur auf verstopften Straßen werden. Das kostet nicht nur Nerven, sondern belastet auch die Umwelt. Ein neues Verkehrsmittel will diese Situation verbessern: Weltweit arbeiten Unternehmen an der Entwicklung von Flugtaxis, auch in Deutschland. Sie sollen den bisher ungenutzten Luftraum über den Städten nutzen. Kritiker sehen in der Idee jedoch eher einen lauten, teuren und wenig umweltbewussten Traum einiger gut betuchter Unternehmer.
Lilium und Volocopter: Pionierarbeit aus Deutschland?
Das Startup Lilium aus Oberpfaffenhofen bei München arbeitet seit 2015 an der Entwicklung eines Jets, der als öffentliches Transportmittel eingesetzt werden soll. Das vollständig elektronisch betriebene Fluggerät startet und landet vertikal. So soll es nur wenig Platz brauchen und gut im städtischen Raum einsetzbar sein. Der Jet kann vier Passagiere mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 km/h an ihr Ziel bringen. Erste Testflüge waren bereits erfolgreich und Lilium will bis 2025 in mehreren Städten auf dem Markt sein.
Das Unternehmen Volocopter aus Bruchsal hat bereits im Jahr 2011 die ersten Testflüge absolviert. Das aktuelle Modell, der VoloCity, ist ebenfalls zu 100 Prozent elektrisch betrieben und soll bei einer Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h bis zu 35 km weit fliegen können. Beide Fluggeräte wären damit also vor allem für den Nahverkehr geeignet. Ebenso wie der Lilium-Jet soll der VoloCity sowohl sicher als auch außergewöhnlich leise sein. Außerdem, so heißt es von den Unternehmen, sollen die Flüge nicht wesentlich teurer sein als eine Fahrt mit dem Taxi auf der Straße.
Die Idee klingt zunächst vielversprechend: Wenn am Boden kein Platz mehr ist, wird der Verkehr einfach in die Luft verlagert. Hier beginnt jedoch schon der erste Denkfehler. Denn die Bepackungsdichte in der Luft ist um ein Vielfaches geringer als auf den Straßen. Es entstünde sehr schnell ein Platzproblem, sollten zukünftig neben Paket- und Überwachungsdrohnen sowie privaten Fluggeräten auch noch Taxis durch die Luft fliegen. Ein Konzept für die Regelung des Luftverkehrs über Städten gibt es nicht. Hinzu kommt, dass für Flugtaxis Start- und Landeplätze eingerichtet werden müssen. Hierfür würden sich beispielsweise Hausdächer eignen, eine leicht zugängliche Integration der Landeplätze in das Stadtbild der Straßen wird aus Mangel an Platz jedoch kaum möglich sein. Dies nimmt dem Konzept schnell die Praktikabilität, wie am Beispiel Dubai zu sehen ist: Hier veranstaltet Volocopter derzeit Testflüge und will genau zwei Start- und Landeplätze betreiben. So bleiben die Lufttaxis wohl mehr eine touristische Attraktion als eine Alternative zu anderen Verkehrsmitteln. Ein Massentransportmittel sind sie keinesfalls.
Ein weiteres offensichtliches Problem ist der Antrieb der Fluggeräte. Wer schon einmal bei einem Hubschrauber-Start dabei war, weiß, dass dabei ohrenbetäubender Lärm und extrem starker Wind entstehen. Zwar beteuern die Unternehmen, ihre Flugtaxis würden außerordentlich leise sein, aber: Der Volocopter beispielsweise hat 18 Rotoren. Ein geräusch- und windloses Starten und Landen scheint kaum möglich zu sein. Ähnlich problematisch verhält es sich beim Thema Energie: Die Geräte sollen zwar zu 100 Prozent elektrisch betrieben werden, jedoch wird wohl eine große Menge Strom benötigt, um sie fliegen lassen zu können. Diesen ausschließlich aus erneuerbaren Energien zu beziehen, wäre die Voraussetzung für einen nachhaltigen Betrieb und eine große Herausforderung. Zu guter Letzt muss auch an die Privatsphäre „überflogener“ Menschen gedacht werden. Vor einer Zulassung kommen hier große rechtliche Probleme auf die Betreiber zu.
Technische Spielerei statt Lösung des Verkehrsproblems
Flugtaxis scheinen auf den ersten Blick eine sehr attraktive Beförderungsalternative zu sein. Sieht man genauer hin, zeigt sich jedoch schnell, dass sie kaum in der Lage sein werden, die akuten Verkehrsprobleme unserer Städte zu lösen. Viel mehr als der technologische Traum einer kleinen, reichen Elite scheinen sie nicht zu sein. Zukünftig muss der Weg vor allem weg vom Individualverkehr führen, um wirklich einen Fortschritt zu erzielen. Statt die Träumereien vom Fliegen zu fördern, sollten Investitionen vor allem in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs fließen und unsere Innenstädte attraktiver für Fußgänger*innen und Radfahrende gestalten. Auch die Weiterentwicklung von Elektroautos, der Ausbau der Ladeinfrastruktur und eine bessere Auslastung der auf den Straßen vorhandenen Gefährte, zum Beispiel durch Ride-Sharing, sind sinnvollere Ziele.
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