Die Auswirkungen unseres Fleischkonsums auf den Klimawandel sind enorm. Die Tierhaltung verursacht mehr als 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Große Waldflächen werden gerodet, vor allem um Futtermittel anzubauen. Dabei wird Kohlendioxid freigesetzt. Zusätzlich entstehen Emissionen von Lachgas und Methan, deren Klimawirkung um das 25-fache höher ist als die von Kohlendioxid. Lachgas wird durch den Einsatz von Düngemitteln beim Futtermittelanbau frei. Besonders hohe Methanemissionen entstehen beim Verdauungsvorgang von Wiederkäuern. Zusätzlich entsteht zu viel Gülle, die in den Boden, in unsere Gewässer und sogar in die Meere gelangt und dort den Nitratgehalt nach oben treibt. Das natürliche Gleichgewicht wird so gestört und es kommt zu schwerwiegenden Folgen für Flora und Fauna.
Die Landwirtschaft ist auch der größte Süßwasserverbraucher weltweit: Rund 30 Prozent des weltweit genutzten Wassers gehen auf das Konto der Erzeugung tierischer Produkte, vor allem in der Produktion von Futtermitteln. Der Verbrauch von Grundwasser ist extrem problematisch und stört die Ökosysteme. Unter anderem durch die Übernutzung der Wasserressourcen befinden wir uns schon heute in einer globalen Wasserkrise. Klar ist: Fleischverzehr ist enorm ressourcenintensiv und vergrößert so den eigenen Ökologischen Fußabdruck erheblich.
Das „Fleisch“ der Zukunft
All diese Probleme sind uns bekannt. Dennoch bleibt der Fleischkonsum hoch. Im Jahr 2019 lag er in Deutschland bei 59,5 Kilo pro Kopf – und ist damit in den vergangenen beiden Jahrzenten weitgehend konstant geblieben. Doch es scheint dennoch eine Veränderung zu geben: Die Nachfrage nach Fleischalternativen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Fleischkonsum wird zunehmend nicht nur aus der Perspektive des Tierwohls, sondern auch der des Umweltschutzes kritisch gesehen. So sind alternative Ersatzprodukte auch wirtschaftlich interessant geworden und gehören mittlerweile zum Standard in jedem Supermarkt. Das Institut für Innovation und Technik (iit), Adelphi Consult und das Ecologic Institute haben im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) den Trendbericht „Fleisch der Zukunft“ verfasst und die Umweltauswirkungen verschiedener Fleischersatzprodukte auf Umwelt und Gesundheit untersucht. Im Rahmen der Studie wurde die Potenziale von pflanzenbasierten Fleischersatzprodukten, Insekten als Nahrungsmittel und In-vitro-Fleisch erforscht. „Überraschend war die Erkenntnis, dass es kein eindeutiges Ergebnis zugunsten einer Fleischalternative gab“, so Tobias Jetzke vom Institut für Innovation und Technik gegenüber RESET. Dies gilt vor allem für deren Umweltverträglichkeit. Es lohnt also, genau hinzusehen.
Fleischimitate auf Pflanzenbasis
Die gängigste Form von Fleischersatz sind pflanzlich hergestellte Produkte. Die Bandbreite dieser Produkte ist groß, weshalb sich die Studie ausschließlich auf Lebensmittel fokussiert, die versuchen, Fleisch zu imitieren. Das Ersatzprodukt soll aussehen, riechen und schmecken wie Fleisch, sich auch so anfühlen und einen vergleichbaren Proteingehalt haben. Die industrielle Verarbeitung von Seitan, Quorn (fermentiertes Myzel eines bestimmten Schlauchpilzes), Soja, Lupinen oder Erbsen ist hier am erfolgreichsten.
Pflanzenbasierte Ersatzprodukte sind heute Normalität, es gibt keine Vorbehalte oder Bedenken mehr. So gehören zum Beispiel Tofu-Gerichte inzwischen für viele Menschen zur normalen Ernährung. Im Vergleich zu konventionell erzeugtem Fleisch schneiden Produkte aus Pflanzen wie Weizen oder Soja ökologisch deutlich besser ab. Und auch in der Studie haben sie die Nase vorn. Tobias Jetzke erklärt: „Im Vergleich zur konventionellen Tierproduktion schneiden pflanzenbasierte Produkte hinsichtlich ihrer Umwelteffekte besser ab als essbare Insekten oder In-vitro-Fleisch.“ Dies liegt vor allem daran, dass sie auf direktem Weg den Menschen ernähren. In der Fleischproduktion gehen die gleichen Pflanzen einen Umweg, indem sie erst als Tierfutter eingesetzt werden. So gehen viele pflanzliche Kalorien verloren, bevor sie beim Menschen ankommen. Hinzu kommt natürlich der Einsatz von Ackerfläche, Wasser und Energie. So werden für ein Kilo Fleischersatz auf Sojabasis 2,8 Kilogramm Treibhausgase ausgestoßen, für ein Kilo „echtes“ Fleisch jedoch zwischen 4,1 und 30,5 Kilogramm. Unterm Strich ist die Ökobilanz des Fleischersatzes zwar besser, jedoch sind die Produkte auch nicht unproblematisch. „Wie so oft im Leben kommt es darauf an: Wo kommen die pflanzlichen Rohstoffe her? Wie stark ist der Verarbeitungsgrad? Wie sind die Verpackungsgrößen? Werden pflanzliche Alternativen anstelle von Fleischprodukten konsumiert oder als gelegentliche zusätzliche Alternative? Letztlich gibt es auf ein sehr komplexes Thema keine einfachen Antworten“, so Jetzke weiter. Beispielsweise kommt Soja selten aus ökologischer Landwirtschaft und ist oft gentechnisch verändert. Es ist also auch hier wichtig, nicht blind einzukaufen.
Insektenfleisch
Als weiteres Ersatzprodukt zu klassischem Fleisch wurde das Potenzial von Nahrungsmitteln aus essbaren Insekten erforscht. Insekten verwerten Futtermittel deutlich effizienter, weniger Fläche und Wasser wird benötigt. Die Studie gibt einen Treibhausgasausstoß von drei Kilogramm für ein Kilo „Insektenfleisch“ an: besser als klassisches Fleisch, jedoch schlechter als die pflanzlichen Ersatzprodukte. Ein Problem könnte hier jedoch die Vermarktung werden: Insekten als essbar und schmackhaft zu verkaufen scheint in unserer Kultur noch eine große Herausforderung zu sein. Zudem könnten die Produkte für Allergiker*innen problematisch sein.
Übrigens kann aus Insekten nicht nur Fleischersatz hergestellt werden: Wir berichteten auf unserer englischsprachigen Seite zum Beispiel bereits über eine Initiative in Guatemala, die aus Insekten nahrhaftes Mehl produziert und daraus dann Brot und Kekse backt. Außerdem haben wir in einem Artikel das indonesische Startup Biteback vorgestellt, das aus Käferlarven ein neuartiges Öl extrahiert – welches als gute Palmölalternative dient und dazu beitragen könnte, die Palmölproduktion runterzufahren.
In-vitro: Fleisch aus dem Labor
Das dritte und exotischste der untersuchten Ersatzprodukt ist sogenanntes In-vitro-Fleisch. Der Begriff kommt aus dem lateinischen und bedeutet „im Glas“. Gemeint ist im Labor hergestelltes Fleisch. Tierisches Gewebe wird gezüchtet, mit dem Ziel, Fleisch zum menschlichen Verzehr im industriellen Maßstab herzustellen. Wir haben bei RESET bereits über Labor-Burger und SuperMeat, ein israelisches Startup, berichtet, die versuchen, echtes Fleisch im Labor herzustellen.
Die Universität Oslo arbeitet an einem besonders beeindruckenden Projekt. Ein Forscherteam will eine Biobank aufbauen, die die Grundlage für die Produktion von Laborfleisch legen soll. Ziel ist eine „Tiefkühlfarm“, in der genetisches Material von Nutztieren aufbewahrt wird. Daraus lassen sich Stammzellen entwickeln, die als Ausgangspunkt für synthetisches Fleisch dienen. Gleichzeitig könnten vom Aussterben bedrohte Tierarten wiederbelebt werden, indem Stammzellen in das Ei einer eng verwandten lebenden Spezies eingesetzt werden.
Es ist jedoch schwer, die Ökobilanz und gesundheitlichen Auswirkungen von In-Vitro-Fleisch zu beurteilen, da die Forschung noch nicht weit genug ist. Aktuelle Prognosen lassen vermuten, dass das fertige Produkt wahrscheinlich weniger Wasser und Fläche, jedoch deutlich mehr Energie verbrauchen würde, als herkömmliches Fleisch. „In-vitro-Fleisch könnte eine größere Rolle spielen, sofern neben einem konkurrenzfähigen Preis auch die Produktionsbedingungen als positiver wahrgenommen werden als dies bei konventionellem Fleisch der Fall ist“, erklärt Tobias Jetzke.
Wie reduzieren wir also den Fleischkonsum?
Können Vorurteile von Verbraucher*innen gegenüber Produkten aus Insekten und In-vitro-Fleisch überwunden werden? Jetzke bewertet die Chancen beider Ersatzprodukte als Konkurrenz zu Fleisch sehr unterschiedlich: „Bei In-vitro-Fleisch handelt es sich um Fleisch, dass anders als konventionelles Fleisch hergestellt wird. Essbare Insekten hingegen werden Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht als Fleischprodukte angeboten, sondern als Alternative dazu. Fraglich ist also, ob Verbraucherinnen und Verbraucher grundsätzlich ihre Ernährungsgewohnheiten ändern und den Fleischkonsum reduzieren.“ In diesem Fall könnten essbare Insekten interessant werden. Bleibt der Fleischkonsum unverändert, spräche dies eher für In-vitro-Fleisch.
„Fleischersatzprodukte aus Pflanzen, Insekten und In-vitro-Fleisch können eine wichtige Brückenfunktion zur Reduktion des Fleischkonsums darstellen und die Umstellung kulturell gewachsener Ernährungsgewohnheiten erleichtern”, erklärt Stephan Richter, ebenfalls vom Institut für Innovation und Technik. Die Produkte haben das Potenzial, zu einer fleischärmeren Ernährung beizutragen. Allerdings ist der Gesamtanteil der Ersatzprodukte am weltweiten Fleischmarkt noch sehr gering. Prognosen zeigen außerdem, dass der weltweite Umsatz der Fleischindustrie in den nächsten Jahren noch weiter steigen wird. Noch sind zu wenige Menschen bereit, Fleisch zu ersetzen. Um also wirklich einen Fortschritt in Sachen Klimabilanz zu erreichen, müssten insbesondere die pflanzlichen Ersatzprodukte einen weitaus größeren Marktanteil erreichen.