Auf den Flaschen von Mineral- und Tafelwasser locken schneebedeckte Berge, saftige Wiesen und kristallklare Seen. Für die von Mineralwasserherstellern versprochene Wellness-Idylle bezahlen wir gerne mehr – und verursachen mit unserem Wasser aus der Plastikflasche Müllberge aus Plastik und Probleme bei der lokalen Bevölkerung. Warum sind so viele Menschen bereit, Geld für Wasser auszugebene, auch wenn es frei Haus verfügbar ist? Und was hat es mit dem Flaschenwasser genau auf sich?
89 Milliarden Liter Wasser in Plastikflaschen jährlich
Weltweit werden ca. 89 Milliarden Liter Wasser jährlich in Plastikflaschen abgefüllt. 80 Prozent dieser Flaschen werden nicht recycelt. Dabei ist der Konsum an Wasser aus der Flasche sehr unterschiedlich verteilt. Während Europa, Nord- und Südamerika mehr als 150 Liter pro Kopf kunsumieren, sind es in weiten Teilen der Welt – noch – kaum mehr als 24 Liter.
© Euromonitor International
Vor allem in den USA boomt das Flaschenwaser: 2011 konsumierte jeder US-Bürger, egal ob Mann, Frau oder Kind, 222 Flaschen, das sind vier Flaschen Wasser pro Woche. (Verkauszahlen der Beverage Marketing Corp).
In Deutschland sieht die Situation ähnlich dramatisch aus. Mit viel Kohlensäure, medium oder still – die Bundesbürger lieben Mineralwasser. Laut Siftung Warentest trägt jeder Deutsche rund 137 Liter Flaschenwasser jedes Jahr nach Hause (Zahl von 2011). Früher machten regionale Brunnenbetriebe das große Geschäft, heute kommt das meiste Wasser aus der preiswerten 1,5-Liter Flasche vom Discounter – und die bestehen zu allermeist aus Plastik. Insgesamt landen 70 Prozent der Mineralwässer in Einwegflaschen im Handel, Tendenz steigend.
Flaschenwasser ist teurer und kaum besser als Leitungswasser
Kritiker bezeichnen Flaschenwasser als einen der besten Marketingtricks unserer Zeit. Denn dass sich hinter der Bezeichnung „Tafelwasser“ ein extrem überteuertes, mit Kohlensäure versetztes Leitungswasser verbirgt, ahnen die Wenigsten. Und auch die Qualität von Quell- und Mineralwässern ist kaum besser als die von Leitungswasser, im Gegenteil. Leitungswasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt und wird auf mehr gesundheitsschädliche Substanzen getestet als Mineral- und Quellwasser, da die Trinkwasserverordnung mehr Grenzwerte als die Mineral- und Tafelwasserverordnung vorschreibt. Mehr zu den Unterschieden erfährst du in dem Artikel Trinkwasser: Aus dem Rohr statt aus der (Plastik)Pulle. In dem Bericht „Rund um das Trinkwasser“ informiert das Umweltbundesamts über Qualität und Aufbereitung von Trinkwasser.
Auch wenn qualitativ selten besser, ist das Wasser aus der Flasche erheblich teurer. Zwei Liter Mineralwasser kosten im Durchschnitt einen Euro. Für den gleichen Euro bekommt man ca. 200! Liter Leitungswasser. Abgesehen vom Preis sprechen vor allem ökologische Aspekte für das Wasser aus der Leitung.
Die Ökobilanz der Plastik-Flasche: Ein Desaster
Die spezifischen Umweltbelastungen von Mineralwasser wurden in einer Studie des Interessenverbands Schweizer Wasserversorger (SVGW) untersucht und mit der Ökobilanz von Trinkwasser aus dem Hahn verglichen. Gekühltes sprudelndes Mineralwasser in der Einwegflasche hat demnach eine 3,5 mal so hohe Umweltbelastung wie gekühltes sprudelndes Trinkwasser aus dem Hahn. Wesentliche Aspekte sind dabei die Verpackung und der Transport.
Ähnliches belegte auch 2009 eine amerikanische Studie des Pacific Institute: Die Wissenschaftler errechneten, dass allein für die Herstellung der Plastikflaschen weltweit 50 Millionen Barrel Öl im Jahr benötigt werden – das ist ungefähr der Ölbedarf der USA für zweieinhalb Tage. Die Transport- und Energiekosten lassen sich wesentlich schwerer berechnen, da manche Flasche Kontinente überquert, andere hingegen nur in die nächstgelegene Stadt reisen. Festhalten lässt sich dennoch, dass die Ökobilanz sich mit kürzeren Transportwegen verbessert, da hier weniger Kraftstoffe verbraucht und damit auch weniger Emissionen freigegeben werden.
Recycling? – Fehlanzeige. Pfand bei Plastikflaschen bedeutet nicht gleich Recycling. Neben der Produktion und dem Transport der Flaschen ist eine weiteres Problem der Plastikmüll der Einweg-Flaschen, denn: Plastik verschwindet nicht einfach. Bereits jetzt türmt sich Plastik zu hohen Bergen am Rande der Städte und an Stränden, es schwimmt im Meer und in den Flüssen – mit verheerenden Folgen für Tiere und Ökosystem. Noch in hunderten von Jahren wird jedes Stückchen Plastik, das nicht verbrannt wurde, irgendwo auf der Erde zu finden sein.
Mehr zum Plastikproblem in unseren Meeren im RESET- Beitrag: Plastic Ocean – Plastikinseln im Meer.
Volle Flaschen, trockene Brunnen
Die Erfolgsstory des Flaschenwassers kommt meistens nur den Herstellern zu Gute. Werden Wasserrechte an private Firmen verkauft, bleibt die Versorgung der mittellosen Bevölkerung oft auf der Strecke – in Europa, aber vor allem auch in Ländern, in denen es traditionell an Wasser mangelt. Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen ganze Dörfer sprichwörtlich auf dem Trockenen sitzen, nachdem Firmen die Nutzungsrechte an lokalen Wasservorkommen erworben haben und die Quellen leersaugen. Im südindischen Plachimida pumpte Coca Cola jahrelang jeden Tag hundertausende Liter Trinkwasser ab, um es in Flaschen abzutransportieren. Die Brunnen der umgebenden Dörfer trockneten aus. Nach langen gerichtlichen Auseinandersetzungen musste Coca Cola den Betrieb einstellen. Aus Pakistan ist ein ähnlicher Fall bekannt, verantwortlich hier war der Großkonzern Nestlé.
Während so einerseits lokale Wasservorkommen zu einem kostbaren Gut werden, investieren Unternehmen große Summen, um Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten zum Kauf von Flaschenwasser zu animieren. Wie die Einführung eines neuen Mineralwassers in einem Land des Südens funktioniert, hat Nestlé vor einigen Jahren mit seiner Marke Pure Life eindrucksvoll demonstriert. Um auch Menschen mit kleinem Einkommen anzusprechen veranstaltet der Konzern neben der konventionellen Werbung Gesundheitsseminare, in denen z.B. Krankenschwestern über die negativen Folgen des Konsums von Leitungswasser aufklären. Dazu der Wasseraktivist Jens Loewe: „Mit ihrem Wasser versprechen Unternehmen wie Nestlé und Danone Gesundheit und langes Leben – aber in den meisten Fällen ist Leitungswasser genauso gut, zumal wenn die Leute es abkochen.“
Und Maude Barlow, ehmalige UN-Chefberaterin angesichts der Tatsache, dass mehr Kinder an einer schlechten Trinkwasserversorgung sterben als an AIDS, Kriegen oder Tropenkrankheiten: „Wenn ein Unternehmen wie Nestlé kommt und sagt ‚Pure Life’ ist die Antwort und mit dieser Marke der Bevökerung ihr eigenes Grundwasser für viel Geld verkauft und behauptet, dass ihr Brunnenwasser nicht trinkbar ist, dann ist das mehr als verantwortungslos – das ist ein krimineller Akt.“
Heute ist Pure Life das zweiterfolgreichste Flaschenwasser der Welt – nach Aqua von Danone. Weitere internationale Konzerne, die den weltweiten Markt für Mineral- und Tafelwasser beherrschen sind Coca Cola, Pepsi und Unilever. Die Konzerne haben sich für oft sehr wenig Geld Wasserrechte für große Gebiete und lange Zeiträume gesichert. Das Geschäft mit dem Wasser ist lukrativ: Anlageberater empfehlen mittlerweile Investitionen in Flaschenwasser. In Ländern wie China, Thailand, Indonesien, Mexiko oder Brasilien liegen die Zuwachsraten beim Absatz über Jahre zwischen 6 und 12 % pro Jahr.
Doch solange noch immer viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben ist es wesentlich wichtiger, die öffentliche Wasserversorgung auszubauen als für die meisten Menschen kaum finanzierbares Flaschenwasser zu bewerben, das auch noch ein Müllproblem mit sich bringt.
Vom „Müllproblem“ zum neuen Zuhause
Doch es besteht Hoffnung: Nicht überall wird der Trend zum Plastikwasser fortgesetzt. Einige Schulen und Universitäten haben mittlerweile Plastikflaschen verbannt, oft auf Druck von Studentenorganisationen.
In einem begrenzten Rahmen lässt sich mit Plastikflaschen auch Sinnvolles tun, z.B. indem man ihnen ein zweites Leben gibt. Dare, die nigerianischen Organisation für erneuerbare Energien, baut mit wenig Aufwand Flaschenhäuser in Nigeria und Hug it Forward errichtet Schulen aus Plastikflaschen in Guatemala. Die Flaschen werden ihnen bestimmt nicht so schnell ausgehen: Mit unseren bereits produzierten Bergen an Plastikmüll können ganze Dörfer gebaut werden. Wir können also getrost aufhören, weiter Plastikwasser zu konsumieren.
Wie das geht erfährst Du in dem Artikel Trinkwasser: Aus dem Rohr statt aus Plastikflasche
Der animierte Clip „The Story of Bottled Water“ bringt das Problem mit den Plastiflaschen auf den Punkt:
Quellen und Links
- Video: Story of Bottled Water
- Doku über Geschäftpraktiken von Nestlé: Bottled life
- Doku „Abgefüllt“
- Die A Tip: Tap – European Water Initiative mit TeilnehmerInnen aus Berlin und Bilbao hat sich zum Ziel gesetzt, auf Leitungswasser als Alternativgetränk zu Flaschenwasser aufmerksam zu machen. Infos, Termine und Aktionen findest du auf der Website: A tiptap.org
- In dem Bericht „Rund um das Trinkwasser“ des Umweltbundesamts 2011“ findest du Infos zum Trinkwasser; von der Gewinnung und Aufbereitung bis zu Tipps zum Genuss von Hahnenwasser.
- Der „Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit und des Umweltbundesamtes an die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasser) in Deutschland (2011 – 2013)“ informiert über die Qualität des Trinkwassers.
- McIntire-Strasburg, Jeff (2009), Bottled water: Can it ever be green?
- swissinfo (2006), Hahnenwasser bleibt unschlagbar
- Jungbluth, Niels, 2006: Vergleich der Umweltbelastungen von Hahnenwasser und Mineralwasser. In: Gas, Wasser, Abwasser 2006
- Jungbluth, Niels und Mireille Emmenegger, 2005: Ökobilanz Trinkwasser – Mineralwasser. ESU-Services GmbH im Auftrag des Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches
- Greenpeace Magazin, Leitungswasser trinken!
- Heusinger, Eva, Tobias Reichert, Klaus Wöldecke, u.a. 2000: Einkaufen verändert die Welt. Die Auswirkungen unserer Ernährung auf Umwelt und Entwicklung, Stuttgart: Schmetterling-Verlag
- Der große Schmu mit Tafelwasser, in: manager-magazin.de vom 3.3.2004
- Zum Nachlesen: Die Trinkwasserverordnung für Deutschland und Mineral- und Tafelwasserverordnung
Indra Jungblut/ RESET-Redaktion, 2013