Die Gewässer der Europäischen Union erstrecken sich von den baltischen Staaten bis zum Atlantik und zum Mittelmeer und umfassen auch die Meeresgewässer vor dem Vereinigten Königreich und Irland. Im Rahmen der vereinbarten Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) werden für jedes Land Fangquoten festgelegt, um die Fischbestände nachhaltiger zu bewirtschaften. Wenn man sich diese Daten jedoch genauer ansieht, passen die Zahlen nicht immer zusammen. Es scheint, als würden ständig Schlupflöcher ausgenutzt und Regeln gebrochen – was katastrophal für die Umwelt ist und die Zukunft der europäischen Fischbestände gefährdet. Für bestimmte Fischarten sind diese bereits auf einem gefährlich niedrigen Niveau.
So schreiben die EU-Vorschriften eigentlich vor, dass der Beifang an untermaßigen, also zu kleinen Fischen, nicht mehr über Bord geworfen werden darf. Allerdings wird beispielsweise bei Kabeljau zwangsläufig auch untermaßiger Beifang gemacht, das zeigen die über viele Jahre erfassten Daten. Das Vereinigte Königreich vermeldete im vergangenen Jahr jedoch Null Tonnen. Laut der Organisation Our Fish (eine Initiative von Funding Fish) müssten jedoch mindestens 7.500 Tonnen an untermaßig gefangenem Kabeljau registriert sein.
Dass untermaßiger Fang nicht gemeldet wurde, bedeutet letztlich, dass die zu kleinen Fische – entgegen der EU-Vorschrift – wieder ins Meer „entsorgt“ werden. Die Fischereibetriebe nutzen so die Zusatzquote aus, die ihnen eingeräumt wird, um die Last der Anlandung von Beifang zu bewältigen. Diese wird von ihnen stattdessen genutzt, um mehr erwachsene Fische zu fangen. Das System, das eigentlich vor Überfischung schützen soll, wird also manipuliert und in ihr Gegenteil verkehrt.
Fische werden außerdem oft – sterbend oder bereits tot – ins Meer zurückgeworfen, weil sie einen geringen Handelswert haben oder ihr Fang durch Fangquoten limitiert wird.
Das Projekt Fishyleaks.eu wurde von Our Fish gegründet, um Menschen, die in der Fischereibranche, in Behörden oder anderen Bereichen tätig sind, eine vertrauliche und anonyme Möglichkeit zu bieten, über unzulässige, unethische oder illegale Fangmethoden zu berichten. Ein Beispiel dafür ist das Videomaterial über groß angelegte illegale Rückwürfe vor der Küste Schottlands im Jahr 2014, bei dem Tausende von „ungewollten“ toten Fischen ins Wasser zurückbefördert wurden. Und dass, obwohl ein Verbot des so genannten „High Grading“ besteht, bei dem die Fische mit dem niedrigsten Verkaufswert wieder im Meer landen und nur die Fänge mit dem höchsten Wert erfasst und angelandet werden.
„Wir haben Fishyleaks gegründet, um denen zu helfen, die Informationen mit uns teilen wollen, und zwar vertraulich, anonym und sicher“, erklärt Rebecca Hubbard, Programmdirektorin von Our Fish. „Die europäische Fischerei ist eine gemeinsame Ressource zum Nutzen aller Bürger, die daher nachhaltig und rechtmäßig verwaltet werden sollte, um die Zukunft der Küstengemeinden, die Ernährungssicherheit und die Erhaltung Meere angesichts der Klimakrise zu gewährleisten. Fishyleaks möchte eine Plattform für Menschen bieten, die Zeugen von Aktivitäten sind, die diese wichtigen Bestrebungen untergraben. So können sie diese Informationen teilen und gleichzeitig das Risiko für sich selbst minimieren.“
Aber auch andere Arten von Verstößen oder unethischem Verhalten können gemeldet werden. Gibt es zum Beispiel Fänge auf See, die beim Anlanden im Hafen als etwas anderes gemeldet werden? Werden wichtige Berichte über Misswirtschaft in der Fischereiindustrie zurückgehalten und nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben?
Schätzungsweise 1,7 Millionen Tonnen Fisch werden jedes Jahr in der gesamten EU entsorgt. „Our Fish erhält oft Nachrichten über Verstöße, aber es fehlen die nötigen Nachweise, um diese zu belegen. Wir hoffen, durch die Informationen über Fishyleaks die Probleme in diesem Sektor aufdecken zu können, um so Lösungen voranzutreiben“, so Hubbard. Die über Fishyleaks empfangenen Inhalte werden über ihr sicheres Nachrichtensystem und durch Gegenkontrolle mit anderen Quellen analysiert und verifiziert, bevor sie gegebenenfalls in Berichten an die nationalen Fischereibehörden, die nationalen oder EU-Parlamente, die EU-Kommission oder andere zuständige Behörden weitergegeben werden.
Fishyleaks.eu wurde mit der Open-Source-Plattform GlobaLeaks für sichere und anonyme Whistleblowing-Initiativen entwickelt. Genutzt wird diese Plattform derzeit von mehr als 1.000 Projekten auf der ganzen Welt, von Anti-Korruptionsinitiativen bis hin zu investigativem Journalismus und mehr. Die Fishyleaks-Website ist derzeit nur auf Englisch verfügbar, laut der offiziellen Pressemitteilung werden jedoch weitere Sprachversionen folgen. Derzeit kann jeder Mensch, der über Fishyleaks einen Bericht einreichen möchte, dies in der Sprache tun, mit der er sich am wohlsten fühlt – a Our Fish führt Übersetzungen von Berichten durch.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.