Obwohl das afghanische Gesetz Männern und Frauen gleiche Rechte zuspricht: Die Realität sieht in dem bis 2001 von der radikal-islamistischen Taliban dominierten Land nach wie vor anders aus. Eine erst im Januar 2017 erschienene Studie des afghanischen Gesundheitsministeriums belegt, dass trotz formal gleichen Rechten über 80 Prozent der befragten Ehefrauen keine abgeschlossene Schulbildung besitzen. Nur 13 Prozent der Frauen waren neben den häuslichen Pflichten berufstätig, während nahezu alle im Zuge der Studie befragten Männer einer haushaltsfernen Arbeit nachgingen. In den sozialen Medien konnte unter dem Hashtag #WhereIsMyName in den letzten Monaten ein weiteres Phänomen bezeugt werden, welches die Ungleichheit von Frauen und Männern in Afghanistan aufzeigt: Frauen besitzen in der Öffentlichkeit keinen eigenen Namen, sondern werden ausschließlich mit „Frau von“ oder „Tochter von“ angesprochen und von ihren Männern als „Mutter der Kinder“ oder besser noch „Mein Haushalt“ adressiert.
Dennoch beginnen viele Frauen in Afghanistan, sich für mehr Gleichberechtigung einzusetzen und sich vom repressiven Patriarchat zu emanzipieren. Ein wichtiges Anliegen der aktiven Frauen: andere Frauen über ihre Rechte und Möglichkeiten zu informieren. Das ist das Ziel des neuen TV-Senders ZAN-TV (Website ist noch im Aufbau), der von Frauen für Frauen gestaltet wird.
ZAN TV: Für informierte, selbtstbewusste Frauen
Nasrin Nawa, Produzentin bei ZAN TV, erläutert in einem Interview mit Zeit Online, warum sie gerade einen Fernsehsender als wichtiges Instrument für die Emanzipation und Bildung von Frauen ansieht: „Die afghanische Gesellschaft ist männerdominiert. Mit ZAN TV werden die Frauen endlich sichtbar.“ Sie sagt weiter: „Viele Afghaninnen können nicht lesen und schreiben. Aber Fernsehen schauen sie alle, auch weil viele Frauen viel Zeit zu Hause verbringen.“
Das Programm von ZAN TV orientiert sich an den Interessen und Bedürfnissen seiner Zielgruppe und deckt thematisch von Politik über Wirtschaft, Religion und Unterhaltung bis hin zu Gesundheits- oder Erziehungsfragen ein breites Spektrum ab. Die Journalistinnen berichten auch über Tabuthemen, wie beispielsweise über häusliche Gewalt und Frauen, die wegen sogenannter „Sittenverbrechen“ (z. B. die Flucht vor Zwangsheirat oder häuslicher Gewalt), im Gefängnis sitzen. Auch die Regierung wird in den Sendungen schon mal für ihre passive Haltung gegenüber Frauenrechten kritisiert. In Anbetracht der geltenden Konventionen ist es da kein Wunder, dass sich die Mitarbeiterinnen von ZAN TV mitunter harscher Kritik und sogar Bedrohungen ausgesetzt sehen. Khatira Ahamdi, ebenfalls Produzentin im Sender berichtet in einem Video des Nachrichtenportal Reuters: „Ich habe auch Drohungen bekommen, seit ich in der Medienbranche arbeite. Und meine Onkel und Cousins sagen, eine Frau soll nicht beim Fernsehen arbeiten. Doch ich höre nicht auf sie“.
Die ZAN-TVlerinnen erhalten jedoch auch viel Zuspruch und Motivation von begeisterten Unterstützern. Allein die Übersetzungsfunktion der Kommentare bei Facebook zeigt, dass viele Frauen – aber auch Männer! – die mutigen Damen für ihr Engagement feiern und ihre Mission unterstützen. Wir sagen: Hut ab und weiter so!
Dieses englischsprachige Video des Nachrichtensenders Aljazeera gibt weitere Einblicke in die Arbeitsweisen von ZAN TV und enthält ein Interview mit dem männlichen Gründer des Senders, Hamid Samar.