Fairphone 2: Das weltweit nachhaltigste Smartphone?

Eine neue Studie untersucht die Stärken und Schwächen des neuen Fairphones. Was sagen die Experten?

Autor*in Simon Dupree, 04.08.16

Bereits 2013 berichtete RESET über das Erscheinen des ersten Fairphones. Die niederländische Firma Fairphone B. V. startete damals eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne. Das erste nachhaltige und fair produziertes Smartphone kam bei den Kunden super an und die Mindestbestellzahl wurde viel schneller erreicht als gedacht. Vor einigen Monaten erschien der Nachfolger, das Fairphone 2.

Das Fairphone 2 ist ein leistungsstarkes Android-Smartphone, das dafür konzipiert wurde, besonders lange zu halten. Zusammen mit den über 100.000 anderen Fairphone-Besitzern können wir einen sozialen Wandel in der Tech-Industrie herbeiführen“, heißt es auf der Website des Herstellers.

Mit dem Ziel, die Stärken und Schwächen des neuen Fairphones aufzuzeigen, veröffentlichten die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM), gemeinsam eine Studie zur Nachhaltigkeit des Fairphone 2. Im Auftrag der Telekom Deutschland wurde eine Expertenbefragung in Deutschland und Österreich mit folgender Leitfrage durchgeführt: „Wie nachhaltig ist das Fairphone 2?

Um möglichst viele Ansprüche und Sichtweisen zu berücksichtigen, wurden mehr als 48 Experten von Umweltschutz- sowie Verbraucherverbänden, wissenschaftlichen Instituten, Universitäten, kirchlichen Institutionen sowie Gewerkschaften befragt. Die Befragten äußerten sich unter anderem zu den Punkten faire Arbeitsbedingungen, verantwortlicher Rohstoffabbau, Lebenszyklus und Transparenz. Das Hauptergebnis der Studie ist, dass das Fairphone 2 im Vergleich zu anderen Mobiltelefonen überdurchschnittlich nachhaltig und langlebig ist.

Das Fairphone 2: Lange soll es leben!

Neben ein paar Kritikpunkten, wurden viele Aspekte des fairen Phones von den Experten als durchaus positiv bewertet. Hier ein Überblick der wichtigsten Ergebnisse.

1. Modularer Aufbau

Die Modularität des Fairphone 2 wird als die herausragende Eigenschaft des Gerätes gesehen. Durch den modularen Aufbau des Phones kann der Benutzer Ersatzteile problemlos selber einbauen. Somit werden Reparaturmöglichkeit, Lebensdauer und die gesamte Ressourceneffizienz erhöht. Durch individuelle Reparaturen müssen die Geräte nicht ständig ersetzt werden und Elektroschrott kann vermieden werden. Zudem wird ein Bewusstsein für Langlebigkeit geschaffen. Die modulare Bauweise „sollte zukünftig von allen IT-Herstellern umgesetzt werden“, fordert der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

2. Verantwortlicher Rohstoffabbau und faire Arbeitsbedingungen 

Das Fairphone soll die Umwelt schonen und gleichzeitig faire Produktions- und Arbeitsbedingungen ermöglichen. In jedem Smartphone steckt eine Vielzahl an Metallen und seltene Erden wie z.B. Tantal, Gold, Palladium, Silber, Kobalt und Kupfer. Problematisch daran ist, dass bei der Gewinnung der Rohstoffe in den seltensten Fällen Umweltstandards und Arbeiterrechte berücksichtigt werden. Gerade im Bereich Elektronik sind die Arbeitsbedingungen beim Rohstoffabbau in Afrika oder der Produktfertigung in Asien häufig problematisch (im RESET-Artikel „Umweltproblem: Mobiltelefon“ erfahrt ihr mehr zu diesem Thema).

Viele Experten lobten das Fairphone-Unternehmen, da es ausschließlich mit konfliktfreien Mineralien aus der Demokratischen Republik Kongo arbeitet. Es befinden sich viele verantwortungsvoll geförderte Rohstoffe in der Lieferkette des Smartphones. Obwohl das Fairphone im Bereich Arbeitsbedingungen als beispielgebend bewertet wurde, bestehe aber gerade in diesem Bereich weiterhin Verbesserungsbedarf. „Auch wenn noch nicht alle Arbeitsschutzkriterien in der Produktion eingehalten werden, hat das Projekt eine Signalwirkung für die gesamte Elektronikbranche. Andere Hersteller von Mobilfunkgeräten dürfen sich dem Thema Nachhaltigkeit nicht verschließen und sollten dem guten Beispiel von Fairphone schnellstmöglich folgen“, sagt der DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Thomas Fischer. 

Die schlechteste Bewertung erhielt der Aspekt Schadstoffe, „wobei vor allem mangelnde Informationen als Begründung angeführt wurden“, sagt Gruppenleiter am Fraunhofer IZM Karsten Schischke. Ebenfalls sollten Upgrade-Vorgänge sowie technische Aufrüstungen stärker als bisher berücksichtigt werden. Über Gold, Tantal, Wolfram und Zinn könnten darüber hinaus auch andere fair abgebaute Rohstoffe verwendet werden (Quelle: DUH).

3. Vorbildfunktion

Das Fairphone soll andere Hersteller und Mobilfunkanbieter zum Umdenken bewegen. 

Die Experten sind sich einig: Die Fairphone-Initiative setzt innerhalb des Smartphone-Bereichs neue Maßstäbe und thematisiert endlich die ethisch vertretbare Produktion von IT-Geräten. Das Konzept soll zu Veränderungen in der Lieferkette, im Fertigungsprozess und beim Produktdesign, auch bei anderen Herstellern, führen. „Fairphone konnte in seinem Verantwortungsbereich beispielgebende Veränderungen im Umwelt- und Sozialbereich anstoßen“ (DUH).

Nun bleibt abzuwarten, ob transnationale Großunternehmen diesem Beispiel folgen. Denn nur so könnte man aus diesem bisher kleinen Anstoß einen sozialen Wandel in der Tech-Industrie, hin zum nachhaltigen Smartphone herbeiführen. 

Die Ergebnisse der Studie werden am 7. September auf der Electronics Goes Green Konferenz in Berlin der internationalen Fachöffentlichkeit präsentiert. Die Studie gibt´s hier zum kostenlosen Download

Weitere Tipps, wie du einen Beitrag für faire elektronische IT- und Computer-Produkte leisten kannst, findest du im RESET-Artikel „Fair IT“.

Das Fairphone hat Konkurrenz! Informationen zum Shiftphone, dem nachhaltigen Smartphone aus Hessen, erhältst du in diesem RESET-Artikel.

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