Aktuell ist vom europäischen Geist nur wenig zu spüren. Die Grenzen sind dicht, das Reisen untersagt, der Handel wird kontrolliert. Doch neben der Corona-Krise gibt es durchaus noch Projekte, an denen innereuropäisch zusammengearbeitet wird. Eines dieser Projekte ist die vom Umweltbundesamt (UBA) ins Leben gerufene App Scan4Chem, mit der europaweit besonders besorgniserregende Stoffe aufgedeckt werden sollen. Diese sogenannten „Substances of Very High Concern“, kurz SVHC können sich überall verbergen: in Weichmachern von Badematten und Duschvorhängen, in der Beschichtung der Pfanne, aber auch in Kleidung und in Kinderspielzeug. Die gelisteten SVHC-Stoffe können unsere Gesundheit gefährden – zum Beispiel in Form von Erbgutschäden, Unfruchtbarkeit oder Krebs. Einige der giftigen Stoffe können sich in unseren Körpern und auch in der Umwelt anreichern, wo sie sich nur schwer wieder abbauen lassen. Und je häufiger wir mit diesen Stoffen in Kontakt kommen, desto mehr steigt das Risiko für gesundheitliche Schäden.
Manchmal kann man schon am beißenden Geruch erkennen, ob ungesunde Stoffe freigesetzt werden, zum
Beispiel bei Gratis-Spielzeugen von Kinderzeitschriften oder in günstigeren Schuhgeschäften, die Ledergeruch imitieren wollen. Allein auf die Nase kann man sich natürlich nicht verlassen. Doch wie kann man sonst erkennen, ob die Alltagsgegenstände, die uns umgeben, ohne giftige Stoffe sind? Denn Inhaltsstoffe müssen in der EU nur bei Nahrung, Kosmetika oder anderen Flüssigkeiten wie Putzmittel angegeben werden, bei festen Gegenständen wie Kleidung oder Spielzeug müssen die Hersteller diese Angaben nur auf Anfrage offenlegen. Das bedeutet, dass vor jedem Kauf theoretisch der oder die Konsumierende eine schriftliche Anfrage stellen müsste – und die Antwort der Hersteller kann bis zu 45 Tage auf sich warten.
Anfragen bündeln und Marktmacht der Verbraucher*innen nutzen
Viel praktischer wäre es, wenn man mit einer App einfach den Barcode eines Produktes scannen könnte und so direkt erfährt, ob das Produkt giftige Stoffe enthält. Und noch besser wäre es natürlich, wenn diese App dann auch noch europaweit einsatzfähig wäre. Genau das ist der Ansatz der Scan4Chem-App. Doch dafür braucht es eine riesige Datenbank und die ist noch lange nicht gefüllt. So lobenswert und nützlich der Ansatz der App auch ist, aktuell ist sie auf die Hilfe von uns allen angewiesen. Denn nur, wenn ein Hersteller viele Anfragen erhält, sieht er sich gezwungen, die Stoffe seines Produktes auch anzugeben. „Bei zunehmendem Interesse der VerbraucherInnen können die Firmen es sich nicht mehr leisten, keine Auskunft zu geben“, erklärt die Projektmanagerin von AskREACH Eva Becker gegenüber RESET. AskREACH ist ein Projekt der EU, das Menschen europaweit für SVHC-Stoffe sensibilisieren möchte. Finanziert wird dieses Projekt und damit auch die App durch EU-Life, einem EU-Förderprogramm für Umweltschutzbelange.
Mit der App ist eine Anfrage wesentlich einfacher als per Hand eine E-Mail die Bitte zu formulieren, Auskunft über SVHC-Stoffe zu erhalten. Doch es braucht schon einiges an Engagement, um beim Einkaufen den Code zu scannen, dann eine E-Mail-Adresse des Herstellers zu recherchieren und die Daten zum Produkt und Hersteller einzugeben. Doch wenn wir Verbraucher*innen diese am Anfang zeitaufwendige Aufgabe übernehmen, können wir mit der App in Zukunft viel Zeit sparen – und Scan4Chem kann helfen, unsere Gesundheit und unsere Umwelt schützen.
Übrigens haben wir bei RESET auch schon andere Apps unter die Lupe genommen, die für einen nachhaltigeren Konsum sorgen sollen oder dabei helfen, sich für Umweltschutz zu engagieren. Alle unsere App-Checks findest du hier.