En-ROADS ausprobiert: Wie nützlich sind Klimasimulatoren?

© Climate Interactive / MIT Sloan Sustainability Initiative

Ist es für uns zu spät, das Ruder bei den CO2-Emissionen herumzureißen? Mit einem Klimasimulator lassen sich die Folgen politischer Entscheidungen auf das Klima voraussagen – und das ist wirklich aufschlussreich.

Autor*in Lana O'Sullivan:

Übersetzung Benjamin Lucks, 24.07.23

Seit 1970 steigt die Temperatur auf der Erde sprunghaft an. Wissenschaftliche Berechnungen warnen schon lange, dass der Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 auf fast 4 Grad Celsius ansteigen könnte. Die Folge wäre eine Klimakatastrophe mit schwerwiegenden Auswirkungen auf das menschliche Leben und das gesamte Ökosystem der Erde.

Aber lässt sich dieses Problem überhaupt noch umkehren? Oder ist es bereits zu spät, um etwas zu ändern?

Wie wir bei RESET immer wieder erwähnen, stellen politische Maßnahmen das beste Mittel im Kampf gegen den Klimawandel dar. Prognosen darüber, wie sich politische Entscheidungen auf den Klimawandel auswirken, lassen sich allerdings nur schwer treffen. Angesichts der vielen komplexen Faktoren, die allesamt miteinander verknüpft sind, ist es für Entscheidungsträger*innen schwierig, effektive Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen.

Glücklicherweise gibt es immer bessere Lösungen, die uns ein klares Bild unserer Zukunft schon jetzt zeigen können.

© Climate Interactive / MIT Sloan Sustainability Initiative

En-ROADS: Folgen politischer Entscheidungen per Schieberegler sehen

En-ROADS ist ein leistungsstarker globaler Klimasimulator, mit dem sich Auswirkungen politischer Maßnahmen auf Faktoren wie Energiepreise, Temperatur, Luftqualität und Meeresspiegelanstieg untersuchen lassen. Der Simulator wurde von Climate Interactive in Zusammenarbeit mit der MIT Sloan Sustainability Initiative und Ventana Systems entwickelt. Das Programm bildet ein systemdynamisches Modell ab, das auf den zuverlässigsten und aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und bereits mithilfe zahlreicher Bewertungs-, Klima- und Energiemodelle kalibriert wurde. So wollen die Entwickler*innen möglichst genaue Vorhersagen gewährleisten.

Schwerpunkt der Untersuchungen durch En-ROADS sind allerdings die Veränderungen auf das Klima sowie auf Treibhausgasemissionen in den Bereichen Energie, Wirtschaft und öffentliche Politik. Als Basis für den Simulator diente eine umfassende Literaturstudie sowie die Berücksichtigung von Faktoren wie Verzögerungszeiten, Fortschrittsquoten, Preissensibilität, historisches Wachstum der Energiequellen und Energieeffizienzpotenzial. Hierdurch möchte man Entscheidungsträger*innen dabei helfen, die notwendigen Maßnahmen zu verstehen, die für eine wirksame Bekämpfung des Klimawandels erforderlich sind. Wenn die Prognosen von En-ROADS zutreffen, würde dies Unklarheiten über die Wirksamkeit politischer Entscheidungen beenden und wertvolle Zeit im Kampf gegen den tödlichen Temperaturanstieg sparen.

Das Alleinstellungsmerkmal von En-ROADS besteht zudem darin, dass es dabei helfen kann, Sorgen und potenziellen Lösungen miteinander zu verbinden. Durch die Visualisierung der Auswirkungen unserer Klimapolitik und deren Maßnahmen erhalten Nutzer*innen ein besseres Verständnis über die Möglichkeiten.

Laut Climate Interactive gelingt das wie folgt: „Unser ultimatives Ziel ist es, das Chaos zu durchdringen und gewählten Vertretern, Wirtschaftsführern und anderen Interessenvertretern das nötige Wissen zu vermitteln, um gerechte und wirksame Lösungen für das Klima umzusetzen.“

Mit der Entwicklung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und geprüfter Daten wird das Modell zudem kontinuierlich verfeinert und verbessert.

Mit En-ROADS zu arbeiten, verändere zudem die Wahrnehmung der Menschen in Bezug auf den Klimawandel. Gleichzeitig erwirke die Nutzung des Simulators eine instinktive Reaktion bei seinen Nutzer*innen: „Wir haben aus erster Hand erfahren, wie die Erkundung alternativer Szenarien mithilfe des Simulators die Nutzer in Regierungsbüros, Klassenzimmern und Vorstandsetagen von Unternehmen zum Handeln motiviert.“

Mit derartigen Ergebnissen spricht sich En-ROADS bereits herum – bis heute haben über 300.000 Menschen aus 85 Ländern, darunter mehr als 130 Mitglieder*innen des US-Kongresses, den Simulator genutzt. Von Expert*innen begutachtete Studien haben zudem gezeigt, dass En-ROADS den Menschen dabei hilft, die Beziehung zwischen Maßnahmen und Auswirkungen auf unser Klima zu verstehen.

„En-ROADS ist ganz einfach ein Wendepunkt in der Klimakrise für politische Entscheidungsträger und Menschen“, sagt John Kerry, Sonderbeauftragter des US-Präsidenten für Klimafragen. „Jeder hört immer mehr über die Wissenschaft, aber manchmal braucht es ein Demonstrationsinstrument wie En-ROADS, damit die Menschen aus erster Hand sehen, dass jeder von uns auf Kriegsfuß stehen und sich mobilisieren müsste, um diese Krise effektiv zu bekämpfen.“

Wie arbeitet En-ROADS?

En-ROADS wurde mit der Software Vensim erstellt und stellt ein hochentwickeltes, nichtlineares Differentialgleichungs-System-Dynamik-Modell dar. Der Code des Modells wird über SDEverywhere in WebAssembly konvertiert, sodass er in normalen Webbrowsern ausgeführt werden kann.

Trotz seiner Komplexität läuft En-ROADS daher effizient auf einem normalen Laptop und kann innerhalb von Sekunden Ergebnisse liefern. Der Simulator ist online frei zugänglich und in 17 Sprachen verfügbar.

En-ROADS verwendet etwa 14.000 Gleichungen und erzeugt die Ergebnisse in nur 60 Millisekunden, mit einer Zeitschrittweite von etwa 45 Tagen.

Also: Wie weit sind wir von 1,5 Grad entfernt?

Der Simulator ermöglicht es Nutzer*innen, eine Vielzahl von Variablen über Schieberegler zu verändern. Das hat wiederum Auswirkungen auf zwei Diagramme. Eines zeigt dabei die globalen Primärenergiequellen und ein Weiteres die Nettoemissionen von Treibhausgasen für die Jahre 2000 bis 2100.

© Climate Interactive / MIT Sloan Sustainability Initiative
Die Desktop-Version des En-ROADS-Simulators.

Es dauert zwar ein paar Minuten, bis man sich daran gewöhnt hat. Wenn man allerdings ein wenig mit dem Simulator herumspielt, sieht man schnell, wie sich selbst kleine Veränderungen in Variablen wie Abholzung, Bevölkerung und erneuerbare Energien auf die Nettoemissionen von Treibhausgasen auswirken. Eine spannende Erkenntnis ist dabei, dass, selbst wenn man sich auf eine Kennzahl konzentriert – etwa das Bevölkerungswachstum – und den Schieberegler auf das geringstmögliche Wachstum herunterzieht, die Vorhersage von En-ROAD lautet, dass der globale Temperaturanstieg nicht unter der 1,5-Grad-Schwelle bleiben wird.

Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen und die Erde vor den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu bewahren, sind weitreichende Veränderungen in allen Bereichen erforderlich – das visualisiert der Simulator ganz klar. Diese Erkenntnis ist natürlich erst einmal deprimierend – gleichzeitig machen die Daten auch sehr effektiv deutlich, was sich in der globalen Klimapolitik verändern muss.

Auch wenn der Simulator sie sehr anschaulich aufbereitet – die Daten, die uns En-ROAD liefert, stehen uns und auch politischen Entscheidungsträger*innen schon lange zur Verfügung. Wir wissen längst, welche Konsequenzen unser derzeitiger Umgang mit den Ressourcen des Planeten haben wird. Spätestens seit den 1980er Jahren liefert uns die Wissenschaft klare Erkenntnisse zu der drohenden Klimakatastrophe. Das Hauptproblem ist also nicht, dass wir keine Daten haben oder dass die Daten bis jetzt nicht eindeutig waren. Das Problem ist eher, dass weiterhin viel zu wenig dagegen unternommen wird.

Was wir also brauchen ist, dass die politischen Entscheidungsträger*innen tatsächlich auch damit anfangen, weitreichende Maßnahmen zu ergreifen. Simulatoren wie En-ROADS können den Druck auf die Regierungen erhöhen und es der Öffentlichkeit erleichtern zu sehen, welche Schritte wir unbedingt einleiten müssen.

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