Für einen großen Teil der weltweiten Müllberge ist mittlerweile Elektroschrott verantwortlich. Die Gründe dafür sind vielfältig: Häufig hat das damit zu tun, dass viele von uns mit ihren Smartphones, Tablets und Notebooks immer auf dem aktuellen Stand sein wollen. Da wie bei der Mode mindestens einmal jährlich neue Produktserien auf den Markt kommen, ist das aktuelle Gerät schnell veraltet.
Gleichzeitig ist bei vielen elektronischen Geräten kein Unfall Ursache für ein frühes Ende, sondern eine schlechte Verarbeitung. In diesem Zusammenhang wird auch von der serienmäßig mitgelieferten „geplanten Obsoleszenz“ gesprochen. Ein anderer Begriff dafür ist auch die „Soll-Bruchstelle“.
Gemeint ist damit eine seitens der Hersteller eingebaute Schwachstelle, die meist früher als später dafür sorgt, dass ein Gerät nicht mehr funktioniert. Den Rest der Geschichte kennt jede:r: Man bringt das kaputte Gerät zum nächsten Shop und bekommt hier die Auskunft, dass eine Reparatur entweder gar nicht möglich ist oder so teuer, dass sie sich im Vergleich zum Preis eines neuen Gerätes kaum lohnt. Und schon landet wieder ein Smartphone, Drucker oder Tablet auf dem Müll.
Fatal wird das Ganze in dem Moment, wo der Elektroschrott nicht entsprechend recycelt wird, sondern zur „Weiterverwertung“ illegal in afrikanische Länder, Indien oder China verschifft wird. Manche der Geräte werden hier vielleicht noch repariert und einige Jahre weitergenutzt. Aber irgendwann landen sie doch auf meist illegalen Müllkippen – auf Kosten von Menschen und Umwelt. Außerdem gehen so kostbare Ressourcen unwiederbringlich verloren, da weit weniger Rohstoffe aus den Geräten gewonnen werden, als würden sie professionell recycelt.
Elektroschrott pro Jahr? Eine Müllwagenschlange, die um die halbe Erde reicht!
Elektroschrott ist einer der am schnellsten wachsende Teil des weltweiten Müllberges – und gleichzeitig einer der bedenklichsten. Die europäische Umweltbehörde hat berechnet, dass die Menge an Elektroschrott rund dreimal schneller wächst als jede andere Art von Hausmüll. Im Jahr 2022 wurden weltweit schätzungsweise 62 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert. Füllt man den jährlich weltweit anfallenden Elektroschrott in Müllwagen, ergäbe dies eine Schlange, die sich um den halben Erdball erstreckt.
Immer kürzere Produktzyklen lassen den Elektroschrottberg rasant anwachsen. Heutzutage hat fast jeder deutsche Haushalt einen PC zu Hause. In Zahlen sind das rund 92 Prozent. Und auch in Ländern des globalen Südens nimmt der Anteil stetig zu. Die Prognose für afrikanische Länder deutet auf einen kontinuierlichen Anstieg der Internetnutzer:innen hin. In der Zeit von 2024 bis 2029 wird mit einem Wachstum von rund 52 Prozent gerechnet. Die Nachfrage nach Elektrogeräte ist also weiterhin enorm – und die Elektroschottberge dürften dadurch weiter wachsen.
Das Gold ist im Müllberg vergraben
In Deutschland gibt es seit 2015 ein Entsorgungsgesetz für Elektroschrott, dass den Geschäften vorschreibt, Altgeräte zurückzunehmen und sie zu recyceln. An und für sich eine gute Sache, da die Rückgabe so leicht gemacht wird. Aufhorchen lässt jedoch, dass nur ein Viertel der verkauften Elektronik auch als Elektroschrott bei den Erfassungsstellen landet.
Sicherlich verstauben viele Geräte in Schubladen, Kellern und Garagen. Wer hat nicht noch ein bis zwei Altgeräte in irgendeiner Ecke liegen …? Doch es ist davon auszugehen, dass die meisten Kleingeräte im Hausmüll landen.
Die Konsequenzen sind dramatisch. Durch Elektrogeräte auf den Müllkippen gelangen Blei, Quecksilber, Arsen, Kadmium, Beryllium und andere Giftstoffe in den Boden. Außerdem verschwenden wir mit jedem Produkt mit einer Batterie oder einem Stecker, das wir auf den Müll werfen, wertvolle Ressourcen.
Neben Edelmetallen wie Gold, Palladium und Silber spielen seltene Erden eine immer wichtigere Rolle bei der Herstellung elektronischer Bauteile. Dazu gehört zum Beispiel Indium, ein Nebenprodukt des Zinkabbaus, das Verwendung in Elektroprodukten wie Bildschirmen und Smartphones findet. Obwohl die Indiumvorräte langsam zur Neige gehen, wird das seltene Metall kaum recycelt. Und Indium ist kein Einzelfall. Eine ähnlich große Nachfrage gibt es auch für die seltenen Elemente Wismut und Ruthenium.
Teilweise kommt es zu einem massivem Preisanstieg bei den seltenen Elementen. Das zeigt vor allem die Endlichkeit dieser Ressourcen. Um so wichtiger ist es, endlich gut funktionierende Recyclingverfahren zu entwickeln.
Wer alte Elektrogeräte bei einem Recyclingunternehmen oder einer kommunalen Sammelstelle abgibt, kann nicht immer davon ausgehen, dass sie auch umweltgerecht entsorgt werden. Mit Sicherheit gibt es auch vorbildliche Firmen. Doch viele verkaufen den Elektromüll an Maklerfirmen, die die gebrauchten Elektrogeräte in andere Länder mit laxen Umweltstandards exportieren. Dort werden unsere ausgemusterten Geräte entweder repariert und weiterverkauft oder illegal entsorgt. Teilweise werden von Müllsammler:innen Metalle aus den Geräten entnommen. Was nicht recycelt werden kann, wird verbrannt. Das führt nicht nur dazu, dass wiederverwertbare Komponenten unwiederbringlich zerstört, sondern auch Menschen und Umwelt erheblich geschädigt werden.
Elektroschrott macht krank
Ein Recycling der wertvollen Rohstoffe unumgänglich macht nicht nur die Ressourcenknappheit, sondern auch der unsachgemässe und gewissenlose Umgang mit Elektroschrott. Unser Recyclingsystem bietet skrupellosen Geldmachern Schlupflöcher. Immer noch landen große Mengen des Sondermülls in Ländern des globalen Südens. Bevorzugte Ziele sind Nigeria, Ghana, Pakistan, Indien und China. Dort wird er in den sogenannten „Hinterhofwerkstätten“ von den Ärmsten der Armen, oftmals Frauen und Kindern, mit bloßen Händen auseinandergenommen. Ungeschützt sind sie den Giftstoffen ausgesetzt: Blei, das die Fortpflanzung beeinträchtigen kann, Quecksilber, das Nervenschäden und Cadmium, das Nierenschäden verursacht.
Ein Forschungsprojekt der Universität Queensland führte in Zusammenarbeit mit der WHO zudem Wachstums-, Atem- und Verhaltensstörungen auf den Kontakt mit Elektroschrott zurück. Giftstoffe wie Dioxine, Furane und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) entstehen beim Verbrennen von PVC-Kunststoffen und werden von den Arbeiter:innen eingeatmet. All das landet danach in der Umwelt, verschmutzt Böden und vergiftet das Wasser.
Ein weltweit verbindlicher Leitfaden zum Zerlegen von Elektroschrott und zur Maximierung der Recycling-Erträge ist eines der vorrangigsten StEP-Ziele. «Solving the E-Waste Problem» (StEP) ist im Jahr 2004 als Intitiative mehrerer UN-Organisationen initiiert worden und befördert Partnerschaften zwischen Unternehmen, Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen sowie dem Wissenschaftsbereich. Ziele sind unter anderem, die Lebensdauer von Computern und anderen elektronischen Gebrauchsgegenstände zu erhöhen, die Umweltverschmutzung bei deren Entsorgung beziehungsweise beim Recycling zu vermindern sowie die Wiederverwertung zunehmend wertvoller Bestandteile des Elektroschrotts zu verbessern.
Seit April 2024 gibt es in der EU zusätzlich das Recht auf Reparatur. Es soll dafür sorgen, dass elektronische Geräte länger genutzt werden und so Elektroschrott vermieden wird.
Mit Molkenprotein Elektroschrott in Gold verwandeln
Das Recycling von Elektroschrott ist (noch) sehr ineffizient. Molkenprotein ist ein einfach herzustellendes Produkt aus der Lebensmittelindustrie. Wissenschaftler:innen haben einen Prozess entwickelt, der Gold mithilfe dieses Stoffes aus Elektroschrott zurückgewinnen kann.
Und was kannst du tun?
Wie der Artikel deutlich gemacht hat, befinden wir uns in einem Teufelskreis, der auch die Rohstoffgewinnung für elektronische Geräte und deren Herstellung mit einbezieht. Nach wie vor passiert auf Seite der Unternehmen zu wenig, um entscheidende Verbesserungen auf dem Elektromarkt herbeizuführen. Doch hier und da gibt es Hoffnungsschimmer: Startups wie Fairphone oder Shiftphone haben es sich zur Aufgabe gemacht, fair produzierte Smartphones mit leicht austauschbaren Ersatzteilen auf den Markt zu bringen.
Elektronik: Besser mieten statt kaufen
Es muss nicht immer ein neuer Laptop oder ein neues Smartphone sein. Unternehmen wie Commown vermieten über eine Plattform ökologische und modulare Smartphones, Kopfhörer, Laptops und Computer. Damit möchte die Kooperative den Konsum von Elektronik nachhaltiger und verantwortungsvoller gestalten.
Außerdem lassen sich viele Geräte noch reparieren, auch wenn du im nächstgelegenen Shop eine andere Info erhältst. Hilfreich ist hier die Plattform iFixit: Bei iFixit findest du leicht verständliche Reparaturanleitungen für Geräte aller Art und ein großes Angebot an Ersatzteilen. Mehr Infos im Artikel iFixit – Reparieren leicht gemacht.
Essbare Elektronik: Mit verdaulichen Robotern und nahrhaften Drohnen Elektroschrott reduzieren
Schon mal von essbarer Elektronik gehört? Klingt nach einem Widerspruch, könnte aber – neben anderen Vorteilen – eine Lösung für weniger Elektroschrott darstellen. Die Drohnen bestehen hauptsächlich aus Kartoffelstärke und Zellulose.
Wenn ein Gerät wirklich unbrauchbar ist, ist die richtige Entsorgung entscheidend. Der Artikel Elektroschrott – Zu wertvoll für die Tonne informiert über die verschiedenen Möglichkeiten.
Dieser Artikel wurde im April 2013 erstmalig veröffentlicht und im März 2024 aktualisiert.