Elektroschrott: Was passiert mit unseren Geräten, nachdem sie nicht mehr gebraucht werden?

Der Durchschnittscomputer hat eine Halbwertszeit von wenigen Monaten. Dann muss ein Neuer mit mehr Arbeitsspeicher oder "coolerem" Design her. Das gleiche gilt für Smartphones und andere technische Geräte. Doch was passiert mit dem Elektroschrott?

Autor*in Jenny Louise Becker, 11.03.24

Für einen großen Teil der weltweiten Müllberge ist mittlerweile Elektroschrott verantwortlich. Warum gerade hier so viel weggeworfen wird? Die Gründe sind vielfältig: Häufig hat das damit zu tun, dass viele von uns mit ihren Smartphones, Tablets und Notebooks immer auf dem aktuellen Stand sein wollen. Da wie bei der Mode mindestens einmal jährlich neue Produktserien auf den Markt kommen, ist das aktuelle Gerät schnell veraltet.

electronic waste

Mit Molkenprotein Elektroschrott in Gold verwandeln

Das Recycling von Elektroschrott ist (noch) sehr ineffizient. Molkenprotein ist ein einfach herzustellendes Produkt aus der Lebensmittelindustrie. Wissenschaftler*innen haben einen Prozess entwickelt, der Gold mithilfe dieses Stoffes aus Elektroschrott zurückgewinnen kann.

Gleichzeitig ist bei vielen elektronischen Geräten kein Unfall Ursache für ein frühes Ende, sondern eine schlechte Verarbeitung. In diesem Zusammenhang wird auch von der serienmäßig mitgelieferten „geplanten Obsoleszenz“ gesprochen. Ein anderer Begriff dafür ist auch die „Soll-Bruchstelle“. Gemeint ist damit eine seitens der Hersteller eingebaute Schwachstelle, die meist früher als später dafür sorgt, dass dein Gerät nicht mehr funktioniert. Den Rest der Geschichte kennt jede*r: Man bringt das kaputte Gerät zum nächsten Shop und bekommt hier die Auskunft, dass eine Reparatur entweder gar nicht möglich ist oder so teuer, dass sie sich im Vergleich zum Preis eines neuen Gerätes kaum lohnt. Und schon landet wieder ein Smartphone, Drucker oder Tablet auf dem Müll.

Essbare Elektronik: Mit verdaulichen Robotern und nahrhaften Drohnen Elektroschrott reduzieren

Schon mal von essbarer Elektronik gehört? Klingt nach einem Widerspruch, könnte aber – neben anderen Vorteilen – eine Lösung gegen Elektroschrott darstellen. Bestehen tuen die Drohnen hauptsächlich aus Kartoffelstärke und Zellulose.

Fatal wird das Ganze in dem Moment, wo der Elektroschrott nicht entsprechend recycelt wird, sondern zur „Weiterverwertung“ illegal in afrikanische Länder, Indien oder China verschifft wird. Viele der Geräte werden hier oft noch repariert und einige Jahre weitergenutzt. Aber irgendwann landen sie doch auf meist illegalen Müllkippen und werden auf Kosten von Menschen und Umwelt zerlegt. Außerdem gehen so kostbare Ressourcen unwiederbringlich verloren, da weit weniger Rohstoffe aus den Geräten gewonnen werden, als würden sie professionell recycelt.

Elektroschrott pro Jahr? Eine Müllwagenschlange, die um die halbe Erde reicht!

Elektroschrott ist einer der am schnellsten anwachsenden Anteile des weltweiten Müllberges – und gleichzeitig einer der bedenklichsten. Die europäische Umweltbehörde hat berechnet, dass die Menge an Elektroschrott – jährlich nahezu 40 Millionen Tonnen – rund dreimal schneller wächst als jede andere Art von Hausmüll. Füllt man den jährlich weltweit anfallenden Elektroschrott in Müllwagen, ergäbe dies eine Schlange, die sich um den halben Erdball erstreckt.

Immer kürzere Produktzyklen lassen den Elektroschrottberg immer rasanter anwachsen. Heutzutage hat fast jeder deutsche Haushalt einen PC zu Hause. In Zahlen sind es rund 92 Prozent. Und auch in Ländern des globalen Südens nimmt der Anteil stetig zu. Beispielsweise sind in afrikanischen Ländern inzwischen rund 28,7 Prozent der Bevölkerung online. Ähnliche Zahlen gibt es für Indien. Das Wachstumspotenzial für Elektrogeräte ist also – vor allem in Ländern des globalen Südens enorm. Die Elektroschottberge dürften sich dadurch kaum verringern.

Das Gold ist im Müllberg vergraben

In Deutschland gibt es seit 2015 ein Entsorgungsgesetz für Elektroschrott, dass den Geschäften vorschreibt, Altgeräte zurückzunehmen und sie zu recyclen. Aufhorchen lässt jedoch, dass etwa dreimal so viel Elektronik verkauft wird, wie als E-Müll bei den Erfassungsstellen landen. Sicherlich verstauben viele Geräte in Kellern und Garagen, doch die meisten Kleingeräte landen im Hausmüll. Weltweit produzieren die USA den meisten Elektronikmüll mit jährlich rund 350.000 Smartphones und 120.000 Laptops.

Seit April 2024 gibt es in der EU zusätzlich das Recht auf Reparatur. Hoffentlich lassen sich so zukünftig viele elektronische Geräte länger nutzen und ein Großteil des Elektronikschrotts vermeiden.

Die Konsequenzen sind dramatisch. Durch E-Geräte auf den Müllkippen gelangen Blei, Quecksilber, Arsen, Kadmium, Beryllium und andere Giftstoffe in den Boden. Außerdem verschwenden wir mit jedem Produkt mit einer Batterie oder einem Stecker, das wir auf den Müll werfen, wertvolle Ressourcen. Und: Wer alte Elektrogeräte bei einem Recyclingunternehmen oder einer kommunalen Sammelstelle abgibt, kann nicht davon ausgehen, dass sie auch umweltgerecht entsorgt werden. Sicher gibt es auch vorbildliche Firmen, doch viele verkaufen den E-Müll an Maklerfirmen, die die gebrauchten Elektrogeräte in andere Länder mit laxen Umweltstandards exportieren. Dort werden unsere ausgemusterten Geräte entweder repariert und weiterverkauft oder illegal entsorgt. Teilweise werden von Müllsammler*innen Metalle aus den Geräten entnommen. Was nicht recycelt werden kann, wird verbrannt. Das führt nicht nur dazu, dass wiederverwertbare Komponenten unwiederbringlich zerstört, sondern auch Menschen und Umwelt erheblich geschädigt werden. Fehlende Abwasserfilter sorgen dafür, dass Chemikalien das Grundwasser vergiften und übersäuerte Böden für landwirtschaftliche Zwecke unnutzbar machen.

Neben Edelmetallen wie Gold, Palladium und Silber spielen seltene Elemente eine immer wichtigere Rolle bei der Herstellung elektronischer Bauteile. Beispielsweise Indium, ein Nebenprodukt des Zinkabbaus, das Verwendung in Elektroprodukten wie Bildschirmen und Smartphones findet. Obwohl die Indiumvorräte langsam zur Neige gehen, wird das seltene Metall kaum recycelt. Indium ist kein Einzelfall, ähnlich große Nachfrage gibt es auch für die seltenen Elemente Wismut und Ruthenium.

Teilweise kommt es zumindest phasenweise zu massivem Preisanstieg bei den seltenen Elementen. Das zeigt vor allem die Endlichkeit dieser Ressourcen. Um so wichtiger ist es, endlich gut funktionierende Recyclingverfahren zu entwickeln.

Elektroschrott macht krank

Ein Recycling der wertvollen Rohstoffe unumgänglich macht aber nicht nur die Ressourcenknappheit, sondern auch der unsachgemässe und gewissenlose Umgang mit Elektroschrott. Unser Recyclingsystem bietet skrupellosen Geldmachern Schlupflöcher. Immer noch landen große Mengen des Sondermülls in Ländern des globalen Südens. Bevorzugte Ziele sind Nigeria, Ghana, Pakistan, Indien und China. Dort wird er in den sogenannten „Hinterhofwerkstätten“ von den Ärmsten der Armen, oftmals Frauen und Kindern, mit bloßen Händen auseinandergenommen. Ungeschützt sind sie den Giftstoffen ausgesetzt: Blei, das die Fortpflanzung beeinträchtigen kann; Quecksilber, das Nervenschäden und Cadmium, das Nierenschäden verursacht. Ein Forschungsprojekt der Universität Queensland führte in Zusammenarbeit mit der WHO zudem Wachstums-, Atem- und Verhaltensstörungen auf den Kontakt mit Elektroschrott zurück. Giftstoffe wie Dioxine, Furane und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) entstehen beim Verbrennen von PVC-Kunststoffen und werden von den Arbeiter*innen eingeatmet. All das landet danach in der Umwelt und verschmutzt Böden und vergiftet das Wasser.

Ein weltweit verbindlicher Leitfaden zum Zerlegen von Elektroschrott und zur Maximierung der Recycling-Erträge ist eines der vorrangigsten StEP-Ziele. «Solving the E-Waste Problem» (StEP) ist im Jahr 2004 als neutrale Intitiative mehrerer UN-Organisationen initiiert worden und befördert Partnerschaften zwischen Unternehmen, Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen sowie dem Wissenschaftsbereich. Ziele sind unter anderem, die Lebensdauer von Computern und anderen elektronischen Gebrauchsgegenstände zu erhöhen, die Umweltverschmutzung bei deren Entsorgung beziehungsweise beim Recycling zu vermindern sowie die Wiederverwertung zunehmend wertvoller Bestandteile des Elektroschrotts zu verbessern.

Und was kannst du tun?

Wie der Artikel deutlich gemacht hat, befinden wir uns in einem Teufelskreis, der auch die Rohstoffgewinnung für elektronische Geräte und deren Herstellung mit einbezieht. Nach wie vor passiert auf Seite der Unternehmen wenig, um entscheidende Verbesserungen auf dem Elektromarkt herbeizuführen. Doch hier und da gibt es Hoffnungsschimmer: Startups wie Fairphone oder Shiftphone haben es sich zur Aufgabe gemacht, faire Smartphones mit leicht austauschbaren Blocksystemen auf den Markt zu bringen.

Elektronik: Besser mieten statt kaufen

Es muss nicht immer ein neuer Laptop oder ein neues Smartphone sein. Unternehmen wie Commown vermieten über eine Plattform ökologische und modulare Smartphones, Kopfhörer, Laptops und Computer. Damit möchte die Kooperative den Konsum von Elektronik nachhaltiger und verantwortungsvoller gestalten.

Außerdem lassen sich viele Geräte noch reparieren, auch wenn du im nächstgelegenen Shop eine andere Info erhälst. Hilfreich ist hier die Plattform iFixit: bei iFixit findest du leicht verständliche Reparaturanleitungen für Geräte aller Art und ein großes Angebot an Ersatzteilen. Mehr Infos im Artikel iFixit – Reparieren leicht gemacht.

Wenn ein Gerät wirklich unbrauchbar ist, ist die richtige Entsorgung entscheidend. Der Artikel Elektroschrott – Zu wertvoll für die Tonne informiert über die verschiedenen Möglichkeiten.

Dieser Artikel wurde im April 2013 erstmalig veröffentlicht und im März 2024 aktualisiert.

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