Diese radikal nachhaltige Webseite zeigt, wie ein umweltfreundliches Internet aussehen könnte

Webseiten werden immer schneller, umfangreicher... und umweltschädlicher. Das geht auch anders – mit Solarkraft und nachhaltigem Webdesign – wie die Webseite des Solar Low-Tech Magazines demonstriert.

Autor Leander Jones:

Übersetzung Leander Jones, 11.05.20

Viele Expert*innen haben in den letzten Wochen die Hoffnung geäußert, dass die durch die Corona-Pandemie nötige Verlagerung von Kommunikation und wirtschaftlichen Aktivitäten ins Internet auch langfristig dazu führen könnte, dass der Treibhausgasausstoß reduziert wird.

Leider ist es nicht ganz so einfach, denn das Internet und die Infrastruktur, die es umgibt, haben eine größere und schädlichere Wirkung aufs Klima, als es den meisten Menschen bewusst ist. Die von der Digitaltechnologie verursachten weltweiten CO2-Emissionen stiegen zwischen 2013 und 2017 auf 3,7 Prozent – das ist mehr, als selbst die Luftfahrtindustrie zu verantworten hat. Da immer mehr Menschen online sind und damit immer mehr Daten zwischen Smartphones, Tablets und anderen internetfähigen Geräten ausgetauscht werden, wird sich diese Zahl bis 2025 voraussichtlich auf acht Prozent verdoppeln. Es wird außerdem prognostiziert, dass die Informations- und Kommunikationstechnologieindustrie (IKT) im gleichen Zeitraum für bis zu 20 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich sein wird.

Es gib dafür eine Reihe von Ursachen: von den riesigen Energiemengen, die für die Herstellung von Mikrochips benötigt werden, über die kurze Lebensdauer der Produkte (die durch die geplante Obsoleszenz, also die vom Hersteller geplante verkürzte Lebensdauer eines Produktes, noch verstärkt wird) bis hin zu den erschreckend niedrigen Recyclingraten für elektronische Güter. Ein Großteil des für die IKT benötigten Stroms wird jedoch nicht von den Geräten selbst verbraucht, sondern für den Betrieb und die Wartung der physischen Infrastruktur, die dem Internet zugrunde liegt. Jede einzelne Online-Aktion wird über riesige und komplexe, ressourcenintensive Netzwerke an Server geschickt, die Informationen speichern und abrufen. Um die gigantischen Serverfarmen zu bauen, zu betreiben und vor Überhitzung zu schützen, werden riesige Mengen an Energie benötigt. (Mehr Informationen zu den Umweltauswirkungen der digitalen Welt findest du hier.)

Ein Lösungsansatz zur Reduktion der klimaschädlichen Wirkung des Internets ist natürlich, Serverfarmen und Co mit erneuerbarer Energie zu betreiben. Und tatsächlich tun dies bereits mehrere Webhosting-Plattformen. Und der Internet-Gigant Google hat im vergangenen Jahr eine Rekordsumme in erneuerbare Energien investiert, um seinen globalen Energieverbrauch auszugleichen – wobei der Betrieb seiner Rechenzentren allerdings längst nicht zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien erfolgt. So weit, so gut – das Problem dabei ist, dass das Internet bereits heute etwa dreimal mehr Energie verbraucht als die gesamte (derzeitige) Kapazität von Wind und Sonne weltweit. Und der digitale Energieverbrauch wächst schneller als die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.

Kris de Decker vom Low-Tech Magazine hat aufgrund dieser Problematiken eine kompakte, zu 100 Prozent solarbetriebene Webseite erstellt. Diese wird nicht wie andere solarbetriebene Webseiten über das Stromnetz oder andere Energiequellen gesichert. Das bedeutet: Wenn die Sonne für längere Zeit nicht scheint, dann geht die Seite einfach offline.

© Solar Low-Tech Magazine Bei Wolken oder nachts geht die radikal-nachhaltige Schwester-Webseite des Low-Tech-Magazines einfach offline.

Dass seine Webseite bei Bewölkung oder nachts einfach offline geht, sieht de Decker nicht als ärgerlichen Nebeneffekt des Projekts, sondern es sei „ganz entscheidend“, dass sie das tut. „Denn das ist eigentlich eine der wichtigen Botschaften hier“, erzählt er gegenüber RESET. „Die Geschäfte sind nicht immer geöffnet. Warum sollte eine Webseite immer verfügbar sein?“ Er glaubt, dass einer der Hauptgründe, warum der Energieverbrauch des Internets so schnell zunimmt, in der Erwartungshaltung liege, jederzeit auf alles zugreifen zu können. Diese Erwartung ist aber – das müssen wir uns vergegenwärtigen – noch recht jung. „Vor zehn Jahren warst du nur online, wenn du an deinem Schreibtisch gesessen hast. Seit der Einführung von Smartphones und drahtlosem Internet sind die Menschen ständig in Verbindung. Und das ist ein Problem für den Energieverbrauch, aber es hat auch viele soziale und psychologische Folgen.“

Zu akzeptieren, dass die Webseite manchmal offline gehen wird, würde helfen, Ressourcen zu sparen. Denn um während einer Schlechtwetterperiode online zu bleiben, müsste eine viel größere Batterie verwendet werden, die zudem „alle drei oder vier Jahre ersetzt werden müsste – und das sind eine Menge Ressourcen, eine Menge Energie und Bergbau und all die ökologischen und sozialen Folgen, die damit einhergehen“.

Aber kann dieses Modell wirklich über das gesamte Internet hinweg angewendet werden? Oder wie steht es mit essentiellen Diensten? „Es gibt Ausnahmen, sicher, aber für die meisten Dinge wäre es kein Problem. Wenn man sich den Datenverkehr aus dem Internet anschaut, besteht der zu 80 Prozent aus Videos. Viele davon sind Katzenvideos und andere dumme Dinge. Wenn die wegen schlechtem Wetter offline gehen würden, käme niemand zu Schaden“.

Dass seine Webseite solarbetrieben ist, sei laut de Decker aber nicht ihr wichtigster Aspekt. Wichtiger ist ihre Leichtbauweise. Bilder und Videos sind die datenlastigsten (und damit energieintensivsten) Elemente des Internets und sie haben zu einer „Verfettung“ von Webseiten beigetragen, deren durchschnittliche Größe sich zwischen 2011 und 2017 mehr als verdreifacht hat. Auf der Solar-Webseite gibt es deshalb keine Videos und sämtliche Bilder sind in Graustufen und mit einer Technik namens Dithering komprimiert. Darüber hinaus ist die Webseite statisch, was bedeutet, dass sie als einfacher Satz von Dokumenten auf der Festplatte des Servers existiert. Die meisten Webseiten sind heutzutage dynamisch, was wiederkehrende Aktualisierungen erfordert, wenn die Seiten besucht werden. (Mehr Details dazu, wie man eine Low-Tech-Webseite gestaltet, findest du hier und hier.)

„Die Leute denken nicht an den Energieverbrauch, wenn sie eine Webseite erstellen. Bevor ich diese hier gebaut habe, war ich da keine Ausnahme“, berichtet de Decker. „Wenn ich zum Beispiel ein Bild auf meine alte Webseite hochgeladen habe, gab es nichts, das mir gesagt hätte, wie groß sie war. Webplattformen regen die Leute nicht dazu an, darüber nachzudenken. Es ist wichtig, dass sich das ändert“. Selbst wenn die Server mit erneuerbarer Energie betrieben werden, der Energieverbrauch aber auf einem hohen Niveau bleibt, „dann ändert man nicht wirklich etwas“, sagt de Decker. „Es ist wirklich wichtig, die Infrastruktur zu verkleinern.“

Aufgrund des Wettbewerbs streben digitale Unternehmen ständig danach, den Benutzerkomfort um jeden Preis zu verbessern; und Energieeffizienzsteigerungen werden durch sich ständig ändernde Leistungsmaßstäbe und Verbrauchererwartungen zunichte gemacht. Wenn nicht gezielte Maßnahmen zur Neuausrichtung der Prioritäten ergriffen, werden wir also in eine immer stärker digitalisierte Zukunft mit einem wachsenden Energieverbrauch pro Benutzer steuern. Es sei wichtig, sich daran zu erinnern, so de Decker, dass „das Internet kein autonomes Wesen ist. Sein wachsender Energieverbrauch ist die Folge tatsächlicher Entscheidungen, die von Software-Entwicklern, Webdesignern, Marketing-Abteilungen, Verlegern und Internet-Nutzern getroffen werden. Mit einer leichtgewichtigen, netzunabhängigen, solarbetriebenen Webseite wollen wir zeigen, dass auch andere Entscheidungen getroffen werden können.“

Wenn es eines gibt, was die Corona-Pandemie gezeigt hat, dann, dass die Regierungen durchaus die Macht haben, entschieden für das Gemeinwohl zu handeln – und dass sie angesichts der unerbittlichen Marktkräfte nicht machtlos sind. Kluge staatliche Interventionen – wie die Forderung der EU an Netflix, YouTube und andere, die Bitrate ihrer Videos zu reduzieren, um die Funktionalität des Internets aufrechtzuerhalten – können wirksame Parameter für digitale Unternehmen bieten. Künftige mutige Schritte von Regierungen könnten den Verlauf des Marktwettbewerbs weg von den derzeitigen datenlastigen Prioritäten neu ausrichten und es den Akteuren – wie Entwicklern, Designern, Vermarktern – erleichtern, das Internet nachhaltiger zu gestalten. Es gilt, fehlendes Bewusstsein und mangelnde Willenskraft zu überwinden – denn ein nachhaltiges Internet ist in technologischer Hinsicht durchaus machbar.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.

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