Eine Pflanze von der Gattung der Frauenhaarfarne hat sich offenbar als erste florale Selfie-Fotografin hervorgetan: Die auf den Namen Pete getaufte Pflanze knipste im Rahmen eines Experiments der Zoological Society of London (ZSL) alle 20 Sekunden Fotos von sich selbst. Aber keine Sorge, es steht nicht etwa ein „Angriff der Killerpflanzen“ bevor. Das Experiment im Londoner Zoo hatte vielmehr zum Ziel zu untersuchen, wie das Potenzial der natürlichen biologischen Prozesse von Pflanzen zur Energieversorgung elektrischer Geräte genutzt werden kann.
Die Forschenden der ZSL begannen Anfang 2019, mit Pflanzen aus der Ausstellung Rainforest Life im Londoner Zoo zu experimentieren. Ziel war es, aus den natürlichen Abfallprodukten der Pflanzen eine elektrische Ladung zu erzeugen, mit der eine kleine Kamera betrieben werden kann. Durch den Prozess der Photosynthese sind Pflanzen in der Lage, Sonnenlicht zu nutzen, um Wasser und Kohlendioxid in Zucker (Glucose) und Sauerstoff umzuwandeln. Der Sauerstoff wird in die Atmosphäre abgegeben, während der Zucker zum Erhalt der Stängel und Wurzeln der Pflanze verwendet wird. Diesen Vorgang kennen Wissenschaftlern ebenso wie Schulkinder. Doch es gibt einen weniger bekannten Schritt des Prozesses, der unter der Erde stattfindet.
Normalerweise produzieren Pflanzen zu viel Zucker, um diesen direkt nutzen zu können, weshalb eine kleine Menge als Abfallprodukt in den Boden ausgeschieden wird. Dieser Zucker wird dann von Bodenmikroorganismen abgebaut, die wiederum eine kleine Menge an Energie produzieren. Im Rahmen der ZSL-Studie wurde versucht, diese Energie zu gewinnen und als Stromquelle – wenngleich eine kleine – zu nutzen. Erreicht wurde das durch die Installation von Anoden- und Kathodenstäben im Boden, die wiederum einen Supraleiter aufluden. Wenn dieser vollständig geladen war, wurde der Strom an eine Ultra-Low-Power-Kamera übertragen und es wurden Fotos aufgenommen – eines davon ist unten dargestellt.
Obwohl auf diese Weise nur rund 0,1 Milliwatt Energie erzeugt werden, reicht dies aus, um die Niedrigenergie-Anwendungen zu betreiben, die häufig für den Umweltschutz eingesetzt werden, beispielsweise Monitoring-Sensoren und Kamerafallen.
Für gewöhnlich ist Umweltüberwachung eine herausfordernde Aufgabe, vor allem in abgelegenem oder dicht bewachsenem Regenwaldgebiet. Wenn Forschende Expeditionen durchführen, bedeutet das einen hohen logistischen Unterstützungsbedarf und intensive Arbeitsbedingungen und geht einher mit zeitlichen, räumlichen und finanziellen Einschränkungen. Aus diesem Grund verlassen sich immer mehr Wissenschaftler*innen weltweit auf automatisierte oder Fernüberwachungstechnologien, um wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Obwohl diese Technologien wichtige Vorteile bieten und auch weniger störend für die Tierwelt ist, ist ihr größter Nachteil die Notwendigkeit von Strom.
Oft werden Batterien und Solarstrom verwendet, um diese Geräte zu betreiben, aber auch sie sind nicht perfekt. Batterien müssen ersetzt und entsorgt werden, während die Notwendigkeit von Sonnenlicht die Solarmodule ineffizient macht, wenn keine direkte Sonneneinstrahlung zur Verfügung steht, wie bei schlechten Wetterbedingungen oder in schattigen Bereichen des Regenwaldes. Pflanzen jedoch haben sich auf eine Weise entwickelt, die diese Probleme lösen kann, wie der ZSL-Experte für Naturschutztechnik, Al Davies, erklärt: „Pflanzen können im Schatten überleben und sich auf natürliche Weise so wachsen, dass sich das Potenzial ihrer Sonnenlichtaufnahme maximiert. Das bedeutet, dass das Potenzial für Energie aus Pflanzen nahezu unbegrenzt ist.“
Derzeit plant das Team einen zweiten Versuch in freier Wildbahn, um das Design ihrer Lösung weiter zu verbessern und deren Feldtauglichkeit zu erhöhen.
Die ZSL-Forschenden sind nicht die Ersten, die die Natur schützen wollen, indem sie sie als Vorbild für Technologie nutzen. Wir haben bei RESET z.B. bereits über Versuche berichtet, bei denen der Prozess der Photosynthese in einem Labor nachgeahmt wird, um Treibstoff zu erzeugen. Und ein anderes Forschungs-Team ließ sich von Faultieren inspirieren, um eine langsame, aber stabile mobile Überwachungs-Plattform zu entwickeln – für den Schutz von Faultieren.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.