Seit der Jahrtausendwende konnte die Recyclingbranche hierzulande tendenziell höhere Umsätze erzielen. Das ist aber nur bedingt als Erfolg zu verbuchen, denn Deutschland gehört, was das gesamte Aufkommen von Haushaltsabfällen angeht, mit Frankreich und Italien im EU-Vergleich zu den Schwergewichten in der Abfallproduktion. Diesem Problem hat sich eine Gruppe aus Unternehmer*innen, Informatiker*innen und Projektmanager*innen angenommen. Die Idee: loopsai, eine Software, die Bewegungen der Roh- und Abfallstoffe sowie die Energieströme analysiert und dafür sorgen soll, dass sie weiterverwertet werden.
Mit einer Software gegen Verschwendung
Das übergeordnete Ziel von loopsai ist die Entwicklung eines „Tools für die nachhaltige Kreislauf-Gesellschaft mit einer Wirtschaft, in der wir Ressourcen maximal effektiv nutzen“ können, wie es das Team auf der eigenen Website beschreibt. Zudem seien die Hürden, Kreisläufe zu entdecken, sehr hoch. Mit loopsai sollen diese Hürden kleiner werden. Die intelligente Software soll bisher unentdeckte Stoffkreisläufe aufspüren, damit beispielsweise Firmen sie in einem nächsten Schritt optimal in Produktionsabläufe einbinden können. In der Konsequenz reduziert sich so die Menge an Abfall und damit auch klimaschädliche CO2-Emissionen und ein hoher Wasserverbrauch.
Für diesen Einfall gab es den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Forschung 2021. Laut der Jury ist loopsai eine „vielversprechende Lösung, um hochkomplexe Stoffströme nicht nur zu erfassen und besser zu verstehen; sie bietet auch die Gelegenheit sie so miteinander zu vernetzen, dass am Ende ein geschlossener Kreislauf entsteht. So könnten nicht nur Angebot und Nachfrage besser bedient, sondern auch wertvolle Ressourcen eingespart und Transportwege verkürzt werden.“
Das Beispiel Kaffeesatz und Pilzzucht
Getestet und optimiert wird die Software derzeit in einer Pilzfarm in einem Hamburger Bunker. Der eingangs erwähnte Kaffesatz, der meist als Abfall im Müll landet, wird hier zum wichtigen Nährstoff, um Pilzkulturen zu züchten. Solche Stoffkreisläufe sind laut Sören Schäfer aus dem loopsai-Team nichts Neues: „Was jetzt neu mit loopsai ins Spiel kommt ist, dass wir mittels künstlicher Intelligenz, die mit einem Reallabor gekoppelt wird, Erkenntnisse generieren, auf die wir sonst nicht kommen würden.“ Denn: Viele Stoffkreislauffragen seien mit dem menschlichen Verstand nicht immer greifbar.
Mithilfe von sensorisch gesammelten Daten wird die loopsai-KI mit Informationen gefüttert. So zieht die Software Rückschlüsse auf die Prozesse in der Pilzfarm und projiziert diese auf einen virtuellen Zwilling. Die Erkenntnisse und die damit einhergehenden Optimierungen können damit erst am Computer getestet werden, bevor die Anpassung im echten Leben folgt. Die KI optimiert dabei nicht nur die Hauptprodukte wie Kaffeegetränke oder Speisepilze, sondern hat alle Stoffströme im Blick, zum Beispiel: Wie wirkt sich das Beimischen eines weiteren organischen Abfalls zum Kaffeesatz auf die Produktionsmenge einer urbanen Pilzfarm aus? Besonders praktisch an der Software: Sie braucht nur wenige Informationen, um mit der Analyse und Optimierung zu starten.
Damit das Programm barrierefrei und damit flächendeckend zum Einsatz kommt, soll es als Open Source zur Verfügung stehen. Das loopsai-Team wird ergänzend kostenpflichtige Schulungen anbieten, um Kommunen und sozial-ökologisch orientierten Unternehmen zu ermöglichen, die ressourcenschonende Software bestmöglich einzusetzen.