Fast 90 Prozent des weltweiten Warenverkehrs werden über die Schifffahrt abgewickelt – alleine in der EU werden 40 Prozent aller Güter des Binnenhandels auf dem Wasserweg transportiert. Rund 40.000 Handelsschiffe sind konstant auf dem Globus unterwegs, die Tendenz ist steigend.
Zwar gilt die Schifffahrt im Vergleich zum LKW oder zum Flugzeug als umweltfreundlicher (der Schiffsverkehr ist für etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich), doch wird oftmals unterschlagen, dass durch das für Schiffe notwendige schwerhaltige Schweröl die Emissionen von Luftschadstoffen – wie Ruß oder Schwefeldioxid – weitaus höher sind. Darüber hinaus werden Müllteppiche auf dem Meer produziert, es wird Öl an die Strände gespült und der Lebensraum von Meersbewohnern massiv gestört.
Schiffe ohne Fracht
Insbesondere sogenannten Leerfahrten fördern letztgenanntes. Aufgrund von komplizierten Import- und Exportbestimmungen oder nur schwer koordinierbaren Routen kommt es häufig vor, dass Waren quer über die Welt transportiert werden, die Rückfahrt aber ohne Fracht angetreten wird – und als Leerfahrt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ökologische Folgen nach sich zieht.
Damit die Schiffsschraube bei solchen Fahrten nicht aus dem Wasser ragt, wird, um Gewicht zu gewinnen, der Stauraum von Handelsschiffen bei Leerfahrten mit Meerwasser aufgefüllt. Dieses wird am jeweiligen Zielhafen wieder ins Meer zurück abgelassen. So vermischen sich Bakterien und Wassertiere aus den unterschiedlichsten Gefilden. Beispielsweise entladen Öltanker mit einer Länge von rund 300 Metern, die zwischen Asien und Europa pendeln, über 110.000 Kubikmeter Ballastwasser, welches das ökologische Gleichgewicht massiv beeinträchtigt.
Ein neuer Ansatz in der Schifffahrt
Leerfahrten zu verringern ist das Ziel von drei Gründern: Mittels der Plattform visi-match.com sollen anstehende Leerfahrten frühzeitig erkannt werden – und eine Art Mitfahrgelegenheit für Güter auf Schiffsstraßen geschaffen werden. Da bisher keine zentrale Datenverarbeitung existierte, die den Transport- und Logistikunternehmen vermittelte, wann leerstehende Container wieder zurück zum ursprünglichen Beladeort geführt werden, hat das Startup aus Bückeburg (zwischen Hannover und Bielefeld) eine Nische gefunden.
Gängiges System war es bisher, Listen in unterschiedlichsten Formaten an Abnehmer zu versenden, die teilweise aufgrund von kurzfristigen Änderungen in wenigen Stunden komplett veraltet waren und zu einem nahezu undurchdringbaren Chaos führten. Sowohl Ort, Datum, Zeit, Containertyp und Reederei mussten individuell abgestimmt werden. Visi-Match setzt genau hier an: Ein Portal, in dem all diese Informationen in Echtzeit abgestimmt werden und somit problemlos eingesehen und genutzt werden können.
Bei erfolgreicher Vermittlung erhält die Plattform 9,95 Euro – gemessen an den ökologischen und wirtschaftlichen Einsparungen (die mei mindestens 200 Euro liegen) ist das eine Win-Win-Situation. Laut eigenen Aussagen sind die Prognosen und die Entwicklung der Plattform vielversprechend. Eine stärkere Nutzung führt zu höheren Trefferquoten und zu einer besseren Datendichte – alleine seit Testbeginn der Betaversion vor zwei Jahren ist das Netz von Angeboten so gewachsen, dass die Betreiber in Europa praktisch immer einen Anbieter versprechen.
Die Jury des Deutschen Mobilitätspreises war zumindest vom Konzept überzeugt und kürte visi-match.com zum Preisträger 2018. Na dann, Leinen los!