Der illegale Handel mit Wildtieren und -pflanzen generiert jährliche Umsätze im Wert von schätzungsweise neun bis 23 Milliarden US-Dollar. Damit liegt diese Form der Kriminalität weltweit auf Platz vier der organisierten Verbrechen – hinter dem Drogen- und Menschenhandel und der Produktpiraterie. Millionen Tonnen an Holz, Meeresfrüchten und anderen Wildtierprodukten gelangen jedes Jahr auf den Schwarzmarkt; häufig in verarbeiteter Form, z.B. als Möbel, Schnitzereien, Pulver, Öle oder Filets, was die Artbestimmung erschwert: Handelt es sich um eine bedrohte Tier- oder Pflanzenspezies? Hat man es gar mit einer invasiven Art oder einem Schädling zu tun? Die zweifelsfreie Bestimmung solcher Produkte ist jedoch wichtig für den Schutz der Biodiversität. Im Idealfall sollten sie gar nicht erst auf den Markt gelangen.
Ob legal oder illegal, selbst Experten haben bei der visuellen Identifikation von Tier- und Pflanzenarten Schwierigkeiten. Abhilfe schafft hier nur die genetische Analyse. In der Praxis steht sie jedoch meist nicht denjenigen zur Verfügung, die sie am stärksten benötigen: Die Akteure an den Landesgrenzen sowie entlang der Wertschöpfungsketten. Denn wer hat schon ein vollausgestattetes Labor und geschultes Personal und kann obendrein die Kosten für eine stetige Nutzung tragen?
Eine Technologie fast wie aus dem Supermarkt
Das Non-Profit-Startup Conservation X Labs aus Washington DC arbeitet an der Entwicklung eines sogenannten DNA Barcode Scanners und setzt sich damit für die Demokratisierung der genetischen Analyse ein. Das Motto lautet hier: Nutzungsbarrieren abbauen. Denn die DNA-Analyse ist eigentlich eine brillante Methode, bei der Anwendung hapert es jedoch häufig. Mithilfe des neuen Scanners kann eine Produktprobe nun in Minutenschnelle auf Artebene bestimmt werden. Dazu entnimmt man der Probe zunächst ein kleines Gewebestück. Mit Wasser und einem Reinigungsmittel wird die darin enthaltene DNA anschließend in eine Lösung gebracht. Dieses Gemisch wird dann auf eine Kartusche aufgetragen, welche anschließend für den Identifikationsprozess in den Scanner eingesetzt wird.
Jeder von uns kennt die industriellen Strichcodes aus dem Supermarkt. Ähnlich wie diese sind auch bestimmte kurze Genabschnitte für jede Art einmalig – man spricht von DNA-Barcodes. Sie bilden mittlerweile den globalen Standard zur Identifikation von Arten. Das Gerät von Conservation X Labs nutzt die Referenzdatenbank Barcode of Life Database (BOLD) zum Abgleich der Probe.
Aufgrund seiner geringen Größe ist der Scanner problemlos im Feld mitzuführen und dazu erschwinglich. Er soll weltweit einsatzfähig sein, insbesondere in weniger industrialisierten Ländern, die typischerweise die Quelle illegaler Naturprodukte sind. Die Bedienung ist einfach, sodass auch Schreib- und Lesefähigkeiten nicht erforderlich sind. Selbst die Stromversorgung muss nicht kontinuierlich sein. Diese Technologie könnte sich als Coup gegen Wilderei erweisen und das Artensterben schneller eindämmen als je zuvor.
Der Wilderei den Kampf ansagen
Die übergeordnete Mission von Conservation X Labs ist es, das menschengemachte Artensterben zu beenden. Alex Dehgan, der CEO und Mitbegründer des Startups, ist der Ansicht, dass die Naturschutzforschung Probleme zwar zu analysieren wisse, aber die Lösungen oft nicht kenne. Das Non-Profit will daher nicht erst bei den Symptomen des Phänomens ansetzen, sondern bereits bei den wichtigsten Treibern.
Der DNA Barcode Scanner ist das erste kommerzielle Produkt von Conservation X Labs, das mit der Doktorarbeit von Dr. Hal Holmes, dem heute leitenden Produktingenieur, seinen Anfang nahm. Mehrere Prototypen wurden bereits erstellt und Tests mit potenziellen Kunden durchgeführt. Gegen Ende 2019 soll das Gerät für den Preis von rund 100 US-Dollar auf den Markt kommen. Nutzer der Technologie könnte es viele geben: Zoll- und Grenzschutzbeamte, Mitarbeiter der Fischereiaufsicht, Supply-Chain-Manager, aber auch Wissenschaftler, Naturschützer oder interessierte Bürger.
Conservation X Labs hat noch weitere spannende Projekte. So schreibt das Unternehmen regelmäßig Preise bzw. Wettbewerbe aus, um Technologie-Innovationen mit Bezug zum Biodiversitätsschutz zu fördern. Dabei kommen Ingenieure, Biologen, Designer, Unternehmer und Anthropologen unweigerlich zusammen. Interdisziplinarität scheint die Zukunft des Naturschutzes zu sein. Sicherlich können technologische Errungenschaften aber nur Teillösungen eines größeren Problems sein. Die sozialen Verstrickungen sitzen oft tiefer: So fehlen vielen Wilderern Alternativen, um der Armut zu entfliehen. Nicht selten spielen auch labile politische Strukturen eine Rolle. Dennoch: Der DNA Barcode Scanner könnte zu einem Meilenstein im Kampf gegen die Wilderei werden.