Wenn es um aussortierte Produkte geht und was mit ihnen danach geschieht, liegt der Fokus meistens auf der Verschwendung von Lebensmitteln. Und das nicht grundlos: Laut BMEL landen jedes Jahr elf Millionen Tonnen an Lebensmittel im Abfall. Doch was passiert eigentlich mit Produkten ohne Mindesthaltbarkeitsdatum? Mit Produkten, die aussortiert werden, weil zum Beispiel eine neue Linie auf den Markt gebracht werden soll oder Kleidung, die durch kleine Fehler nicht mehr verkaufsfähig ist? In der Modebranche ist es leider nicht unüblich, dass „alte“ Kleidung vernichtet wird, vor allem bei Luxusmarken. Oft wird Überschüssiges verbrannt, um den Marktwert zu halten und Exklusivität zu wahren. Aber auch die Modekette H&M geriet vor zwei Jahren negativ in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass sie neue, nicht verkaufte Kleidung in großen Mengen verbrannte. Dass es auch anders geht, zeigt Jessica Könnecke mit ihrem Unternehmen „Mit Ecken und Kanten“, das sie im November 2017 gründete.
„Mit Ecken und Kanten“ ging mit einem Shop online, in dem nachhaltige und faire Produkte, die kleine „Unperfektheiten“ aufweisen, eine zweite Chance gegeben wird. Doppelt nachhaltig also. Im regulären Handel werden diese Produkte nicht mehr verkauft, da sie zum Beispiel eine alte Verpackung haben oder sich die Rezeptur verändert hat. Dadurch können sie im Online-Shop günstiger angeboten werden. Das Sortiment reicht dabei von nachhaltiger Mode für Frauen, Männern und Kindern über Naturkosmetik und Zero-Waste- bis hin zu Papeterie-Produkten. Kleidungsstücke mit kleinen Schönheitsfehlern, ehemalige Show Pieces auf Messen oder Musterteile wird dabei die Möglichkeit gegeben, trotzdem gekauft zu werden. Ähnlich sieht es mit Naturkosmetikprodukten aus. Sie haben oft eine alte Verpackung und wurden aus dem Sortiment genommen, da die Rezeptur geändert wurde oder das Produkt zukünftig gar nicht mehr angeboten wird. Auch Zero-Waste-Produkte, also Produkte, die es ermöglichen, auf Abfall zu verzichten, sind im Shop erhältlich. Dabei arbeitet Jessica Könnecke mit Partnern wie ECO Brotbox oder Beeofix zusammen. Die angebotenen Produkte sind auch hier B-Ware, das heißt, sie weisen einen kleinen Mangel auf, durch den sie nicht mehr im regulären Handel verkauft werden können. Das kann eine Delle in der metallenen Brotbox sein oder Bienenwachstücher, die zu tief geschnitten sind.
Ein anderer Partner ist das Berliner Startup Mimycri, das aus den Überresten kaputter Schlauchboote, mit denen Geflüchtete die Küste von Griechenland erreichten, strapazierfähige und wasserdichte Rucksäcke, Beutel und Taschen herstellt. Gleichzeitig arbeitet das Startup mit Geflüchteten zusammen und bietet diesen so ein Einkommen. Die Produkte, die im Shop angeboten werden, können aber nicht mehr regulär verkauft werden, da sie noch ein altes Logo tragen.
Seit September 2018 gibt es nicht nur den Online-Shop, sondern auch einen physischen Laden in Nürnberg. Dort finden sich neben den „unperfekten“ Produkten auch Informationen über einen nachhaltigen Lebensstil.
Ein ganz ähnliches Konzept wie das von „Mit Ecken und Kanten“ existiert übrigens auch für Nahrungsmittel: SirPlus ist ein Supermarkt für gerettete Lebensmittel, der bislang vier Filialen in Berlin hat. Außerdem gibt es einen Online-Shop, in dem überschüssige Lebensmittel angeboten und günstiger als üblich verkauft werden.