Der Earth Overshoot Day markiert den Tag des Jahres, an dem sämtliche Ressourcen durch die Menschheit verbraucht wurden, die die Natur innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann – ab dann übersteigt der Bedarf an Ressourcen also die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten und wir leben „auf Pump“. Im vergangenen Jahr fiel dieser Tag auf den 29. Juli, das früheste Datum seit Beginn der ökologischen Überschuldung in den 1970er Jahren.
Das Datum des diesjährigen Earth Overshoot Day wird auf den 22. August fallen, wie das Global Footprint Network Anfang Juni bekanntgab – das ist 25 Tage später als im Vorjahr. Damit wird eine Entwicklung unterbrochen, die in den letzten 50 Jahren zu beobachten war. Grund dafür ist eine drastische und plötzliche Verkleinerung unseres globalen CO2-Fußabdrucks: Dieser ist schätzungsweise um 14,5 Prozent geschrumpft – eine Folge der Maßnahmen, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie getroffen wurden.
Ermittelt wird das Datum des Earth Overshoot Day, indem die Nachfrage der biologischen Ressourcen der Menschheit des jeweiligen Jahres ins Verhältnis zur gesamten globalen Biokapazität desselben Jahres gesetzt wird; dazu werden u.a. Daten der Vereinten Nationen oder auch der Internationalen Energieagentur (IEA) genutzt. Seit den 1970er Jahren sprechen wir von einem „Overshoot“, also einer Überlastung unserer Erde. Und der „Weltüberlastungstag“ rückte seitdem, bis auf wenige Ausnahmen, immer weiter nach vorn, auch wenn sich das Tempo in den letzten zehn Jahren verlangsamt hat.
Es ist schwer zu sagen, ob dieses verlangsamte Tempo auf eine leichte relative Entkopplung von Ressourcennutzung und Wirtschaftswachstum zurückgeht oder ob es auf die schwächelnde Erholung der globalen Wirtschaft seit der Rezession von 2008 zurückzuführen ist. Eines ist in jedem Falle klar: Von einer nachhaltigen Wirtschaft sind wir noch weit entfernt. Auch in diesem Jahr und trotz der starken Rückgänge der wirtschaftlichen Aktivitäten wird die Menschheit immer noch 60 Prozent mehr Ressourcen verbrauchen, als unsere Erde nachhaltig zur Verfügung stellen und regenerieren kann. Wir würden also 1,6 Erden brauchen, um uns langfristig auf dem Stand des Ressourcenverbrauchs von 2020 zu halten.
Mit jedem Jahr bauen wir weitere ökologische Schulden auf und die Regenerationsfähigkeit der Erde nimmt weiter ab. Das heißt, selbst wenn unser Ressourcenverbrauch konstant bliebe, würde das „Overshoot“-Datum im folgenden Jahr früher liegen. Eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs in absoluten Zahlen ist daher unerlässlich!
Mit dem Blick auf die globale Ungleichheit wird die Herausforderung, vor der wir stehen, noch akuter. Jede entwickelte Wirtschaft verbraucht gegenwärtig (oft um ein Mehrfaches) mehr Ressourcen als ihre nationalen Biokapazitäten decken können, um den Bedarf ihrer Bürger*innen zu decken. Das bedeutet, dass wir, wenn wir in Zukunft eine Chance haben wollen, die Armut in ärmeren Ländern zu beseitigen, ohne dabei das Datum des Overshoot-Day vorzuziehen, den Ressourcenverbrauch in den einkommensstarken Volkswirtschaften des Globalen Nordens noch drastischer reduzieren müssen.
Obwohl die Corona-Maßnahmen und der darauf folgende wirtschaftliche Abschwung zweifellos zur Verschiebung des Earth Overshoot Day in diesem Jahr beigetragen haben, bleibt abzuwarten, welche langfristigen Auswirkungen sich daraus ergeben werden. Es ist sehr gut möglich, dass wir wieder zu den nicht-nachhaltigen „Business-as-usual“-Wachstumsstrategien zurückkehren werden. Die jüngsten Rettungsaktionen für Lufthansa und American Airlines sind nur zwei Beispiele für den Versuch, die alte Ordnung wieder zu etablieren. Es hat jedoch einige vielversprechende Entwicklungen gegeben, die darauf hindeuten, dass der Wandel langfristiger sein könnte. Die Corona-Pandemie hat zum Beispiel der Kohleindustrie einen enormen Tribut abverlangt, während die erneuerbaren Energien weitergewachsen sind.
Der spätere Earth Overshoot Day lässt die Rettung des Planeten plötzlich etwas machbarer erscheinen. Die Art und Weise, wie wir auf das Coronavirus reagiert haben, hat gezeigt, dass es möglich ist, drastische Veränderungen in unserer Lebensweise vorzunehmen. Und dass Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen in der Lage sind, schnell zu handeln, wenn unsere Zukunft auf dem Spiel steht. Wir sollten diese Chance nicht verstreichen lassen!
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.