Zu Zeiten, in denen Wind die Windräder antreibt und die Sonne strahlt, steht viel Energie zur Verfügung. Außerdem ist sie dann nicht nur grün, sondern auch sehr günstig. Doch mit einem Standard-Stromtarif, wie ihn die meisten Energieversorger anbieten, bekommst du davon nichts mit. Dabei könnten Verbraucher:innen Kosten sparen, wenn sie ihren Stromverbrauch auf Zeiten verschieben, in denen viel grüner Strom bereitsteht. Gleichzeitig erleichtert die sogenannte Lastenverschiebung den Umstieg auf erneuerbare Energien. Stromanbieter wie Tibber setzen allerdings schon heute auf dynamische Stromtarife.
Mit Tibber von der Dynamik der Strombörse profitieren
Strom – ob aus Wind, Sonne, Wasserkraft oder Kohle – wird an der Strombörse gehandelt. In Deutschland geschieht dies in Leipzig an der EEX. Vor allem durch die Zunahme an erneuerbaren Energiequellen schwankt hier der Preis stündlich, je nachdem, wie hoch Angebot und Nachfrage sind. Wenn der Wind weht und die Sonne scheint, ist das Angebot hoch und die Preise sind dementsprechend niedrig. Die meisten Stromversorger geben diese Schwankungen in ihren Fixpreis-Tarifen nicht weiter. Wir zahlen den gleichen Preis pro Kilowattstunde, egal ob die Börsenpreise steigen oder fallen.
„Große Industrieunternehmen sind schon immer über besondere Verträge mit den Stromanbietern flexibel gewesen. Da wir jetzt eine viel volatilere Einspeisung haben, muss das auch auf andere Verbraucher:innen ausgeweitet werden“, fordert daher auch Dr. Astrid Aretz, die am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zu nachhaltiger Energiewirtschaft und Klimaschutz forscht, im Interview mit RESET. Unternehmen wie der Öko-Stromanbieter Tibber sind hier Vorreiter. Der dynamische Stromtarif von Tibber richtet sich an private Haushalte und orientiert sich an den aktuellen Börsenstrompreisen.
„Die Preisgestaltung, also die Spanne zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Strompreis an einem Tag kann groß sein. Wenn Wind weht, dann zahle ich als Endkunde für eine Kilowattstunde etwa 15 Cent. Wenn es wirklich eine Flaute gibt, kann der Preis auf 30 oder 50 Cent hochgehen“, so Aretz. Der Preis für gewöhnlichen Haushaltsstrom liegt dagegen aktuell im Durchschnitt bei rund 29 Cent je Kilowattstunde (Stand 2023). Bei örtlichen Grundversorgern kann dieser auch auf mehr als 40 Cent hochgehen.
Wenn man mit einem dynamischen Stromtarif den Energiebedarf im Haushalt also regelmäßig auf Zeiten mit günstigem Strom verschiebt, lässt sich Geld sparen. Und durch den zunehmenden Anteil an günstigen erneuerbaren Energien werden die Vorteile von börsenorientierten Preise noch größer. Vor allem Haushalte mit E-Auto, Wärmepumpe oder elektrischem Warmwasserspeicher, die einen hohen Strombedarf haben, profitieren von den Tarifen.
Grundvoraussetzung für dynamische Tarife: Eine stündliche Abrechnung
Um dynamische Börsenstrompreise an Kund:innen weitergeben zu können, bedarf es einer stündlichen, verbrauchsgenauen Abrechnung. Technische Grundvoraussetzung dafür ist eine intelligente Messeinrichtung wie ein Smart-Meter. Dieser kann erfassen, wie viel Strom zu einer bestimmten Zeit verbraucht wurde.
Allerdings sind diese in Deutschland noch wenig verbreitet. Während in Schweden bereits seit 2009 und in Norwegen seit 2017 in fast jedem Haushalt ein Smart-Meter zu finden ist, geht der Smart-Meter-Rollout hierzulande nur schleppend voran.
Um schon heute auch Menschen ohne Smart-Meter dynamische Strompreise anbieten zu können, hat Tibber als Übergangslösung den Stromtracker Tibber-Pulse entwickelt. Damit werden einfache digitale Zähler zu schlauen Messgeräten. Der Stromtracker ermöglicht die Übermittlung von Zählerständen in Echtzeit. Durch die Platzierung an der Infrarot- oder LED-Schnittstelle eines digitalen Zählers schickt Tibber-Pulse die Zählerstände an die Tibber App.
Mithilfe von Algorithmen kauft Tibber stündlich den günstigsten Ökostrom. Dieser wird dann zum Einkaufspreis an die Kund:innen weitergegeben.
Tibber setzt auf eine ausgeklügelte IT-Infrastruktur
Um ihr Verbrauchsverhalten flexibler am Stromangebot ausrichten zu können, benötigen Verbraucher:innen zusätzlich Preissignale. Tibber setzt dazu auf eine App, in der Kund:innen jederzeit live ihren aktuellen Stromverbrauch verfolgen können. Außerdem wird ihnen eine visuelle Aufschlüsselung ihres Verbrauchs angezeigt. Dadurch sollen die Nutzer:innen Anreize erhalten, ihr Verbrauchsverhalten an die Schwankungen der Strombörse anzupassen.
Die Preispolitik zeigt Wirkung, sagt Laura Schlensak von Tibber. „Am deutlichsten zu erkennen ist das angepasste Verhalten beim Smart Charging. Wenn die Strompreise besonders günstig sind – und damit der Anteil der erneuerbaren Energien hoch ist, wie beispielsweise an sonnigen Sommertagen um die Mittagszeit – ist die Verbrauchskurve besonders hoch.“
Die Energiewende mit dynamischen Preisen voranbringen
Mit dynamischen Preisen können Verbraucher:innen aber nicht nur Kosten sparen, sondern darin steckt auch großes Potenzial für die Energiewende. „Durch die veränderte Preisgestaltung kann man Anreize schaffen, um Lasten zu verlagern“, sagt Aretz. Wenn viele Haushalte ihren Stromverbrauch in Zeiten verschieben, in denen es ein großes Stromangebot gibt, werden günstige und CO2-arme erneuerbare Energien ausgeschöpft und Netzüberlastungen vermieden.
Ob dynamische Preise tatsächlich auch in der Breite zu einer Lastenverschiebung führen, wird sich noch zeigen müssen. „Wir versuchen Forschungsarbeiten voranzutreiben, aber genau weiß man es noch nicht. Ich denke, bei Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen gibt es sicher ein großes Potenzial, aber die Frage ist, was angepasste Betriebszeiten von kleinen Verbrauchern wie Waschmaschinen ausmachen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es auch hier wirklich nennenswertes Potenzial gibt, das man auch mit einbeziehen sollte.“
Die Lastenverschiebung unterstützen könnte zudem, wenn zu den dynamischen Preisen in Zukunft noch eine weitere Automatisierung dazukommt. „Also, dass man tatsächlich sagen kann: ‚Es ist mir egal, wann mein Elektroauto geladen wird, ich möchte nur morgen um zehn irgendwo hinfahren, und dann soll es voll sein.‘ Und dann wird es automatisch zu einer passenden Zeit geladen“, so Aretz. Auch bei Wärmepumpen, die ebenfalls größere Mengen Strom benötigen, und kleineren Verbrauchern wie Waschmaschinen ist es naheliegend, sie zu Zeiten mit hohem Stromangebot zu betreiben. „Das ist einfach die Möglichkeit, auch kleinere Verbraucher mitzunehmen und in dieses System mit ihrem Verbrauchsverhalten noch besser zu integrieren.“
Konventionelle Anbieter hatten bisher kaum Anreize, die veralteten Strukturen zu ändern
Warum aber gibt es erst seit Kurzem dynamische Stromtarife auf dem deutschen Markt? „Auf der einen Seite haben Verbraucherinnen und Verbraucher einen derartigen Tarif bisher wenig nachgefragt, da es sowohl an Aufklärung und Wissen als auch schlicht an der Infrastruktur fehlt, um solche Tarife überhaupt möglich zu machen – ein klassisches Henne-Ei-Problem“, sagt Laura Schlensak. „Auf der anderen Seite – und das gehört zur Wahrheit dazu – haben viele Anbieter von den alten Strukturen des deutschen Marktes profitiert, da sich mit den aus wenig transparenten Beschaffungsstrategien resultierenden fixen Strompreisen gutes Geld verdienen ließ.“
Auf dem skandinavischen Markt gibt es Tibber schon seit 2017 (Norwegen) bzw. 2018 (Schweden) und das Unternehmen hat mittlerweile über 400.000 Kund:innen. Aufseiten der großen Energieunternehmen in Deutschland fehlen digitale Kompetenzen dagegen. Stündliche dynamische Tarife und die damit verbundenen komplexen Abrechnungsmodelle können daher nicht in der Breite umgesetzt werden, berichtet Schlensak.
Daher finden sich vor allem kleinere Energieanbieter mit einem dynamischen Öko-Stromtarif auf dem deutschen Markt, zum Beispiel Ostrom, Rabot Charge, 1KOMMA5° und Octopus. In den nächsten Jahren werden aber weitere Angebote dazu kommen. Ab 2025 besteht für Energielieferanten die Verpflichtung, dynamische Tarife anzubieten. Allerdings, und das ist ein großer Haken, nur für Kund:innen mit einem Smart-Meter. Doch auch dieser soll kommen. Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende, das im Mai 2023 in Kraft getreten ist, soll der Einbau von Smart-Metern unbürokratischer und schneller möglich sein.
Bevor wir alle mit einem intelligenten Messgerät ausgestattet sind, gibt es jedoch weitere Hürden zu überwinden. Astrid Aretz hat diese Erfahrung selbst gemacht. „Ich habe versucht, mir einen Smart-Meter einbauen zu lassen. Nach zwei Minuten war klar, dass wir keinen bekommen, weil wir keinen Handyempfang im Keller haben.“ Wie ihr ergeht es vielen Verbraucher:innen. Wer also schon jetzt von dynamischen Preisen profitieren möchte, kommt oft nicht an der Anschaffung einer Überbrückungstechnologie wie dem Tibber-Pulse vorbei.
Tibber plant Roll-out auch in anderen europäischen Ländern
Tibber hat sich vorgenommen, Haushalte in ganz Europa zur intelligenten Energienutzung zu befähigen und will auch in weiteren Ländern seinen Stromtarif anbieten.
Doch die Energiewende liegt nicht allein in den Händen von Unternehmen und Politik. Mit Ansätzen wie dem Energy Sharing können auch Verbraucher:innen ihre eigenen dynamischen Preise gestalten. „Hinter dem Energy-Sharing-Ansatz steckt die Idee, dass Gemeinschaften gemeinsam in Anlagen investieren und dann den Strom daraus beziehen. Dabei könnten auch zwei Tarife angeboten werden; einen für den Strom aus der eigenen Anlage und einen, wenn Strom zugekauft werden muss. Auch das soll den Verbraucher:innen Anreize geben, dann Strom zu verbrauchen, wenn viel günstiger und grüner Strom zur Verfügung steht“, so Aretz.