Du wirst nicht glauben, wie viel CO2 Clickbait-Websites produzieren!

Eine neue Studie enthüllt die gesamten ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Clickbait-Websites.

Autor*in Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 12.12.22

Schlagzeilen wie die dieses Artikels sind dir bestimmt vertraut. Die als „Clickbait“ bezeichneten Formulierungen und Bilder sind besonders aufmerksamsheischend gestaltet, um Leser*innen aus dem ganzen Web anzulocken.

Viele der Websites, die oft am unteren Rand anderer seriöser Websites angezeigt oder in Facebook-Feeds eingefügt werden, sind offiziell „Made-for-Advertising“-Sites (MFA). Ihr Geld verdienen diese Webseiten ausschließlich über Werbung, ihr Ziel ist es, möglichst viele Nutzende über prominente Skandale oder Sexualisierung auf ihre Seiten zu lenken. Die eigentlichen Inhalte sind dafür weitgehend unerheblich. Daher sind die Artikel auf Clickbait-Seiten von geringer Qualität und oft irreführend betitelt.

Einige MFA-Websites erzielen mit diesem Konzept Millionen von Klicks. Eine neue Studie hat nun sowohl ihre ökologischen als auch ihre wirtschaftlichen Auswirkungen aufgezeigt.

Die Studie von Ebiquity und Scope3 legt nahe, dass viele der MFA-Websites für große Mengen CO2 verantwortlich sind, ohne dass dies zu einem nennenswerten finanziellen Ertrag oder irgendeinem anderen Mehrwert führt.

Clickbait-Websites nutzen oft gesundheitliche oder finanzielle Probleme, um Leser*innen anzulocken. Wirklich relevante Informationen beinhalten diie Websites allerdings selten.

Das Team analysierte Werbeausgaben im Wert von mehr als 375 Millionen USD bei 43 der weltweit führenden Werbetreibenden. Um ihre Ergebnisse zu bewerten, entwickelte das Forschungsteam eine neue Metrik zur Analyse der digitalen Kohlenstoffemissionen pro 1000 Werbeeinblendungen: CO2PM (Kohlendioxidemissionen pro Million). Die Studie ergab, dass der globale gewichtete Durchschnitt der digitalen Werbeemissionen bei 670 Gramm liegt, verteilt auf 116 Milliarden Werbeeinblendungen – das Erscheinen einer Anzeige auf einer Website oder einer Anwendung. Laut Scope3 ergibt dies eine Gesamtmenge von 77.826 Tonnen Kohlendioxidäquivalent – genug, um 1,35 Millionen Passagiere von London nach Paris zu fliegen. Darüber hinaus fördern solche Werbetechniken auch einen unnötigen und nicht nachhaltigen Konsum.

Es wurde festgestellt, dass die Menge der Emissionen je nach Website stark variiert, wobei einige Websites nur für 55,2 g verantwortlich sind und andere für bis zu 4782,8 g. Besonders hervorgehoben wurden die MFA-Websites wegen ihrer vergleichsweise hohen Emissionen. MFA-Websites verursachten im Durchschnitt 26,4 Prozent mehr Emissionen als andere Websites (durchschnittlich 814 Gramm). Vor allem Clickbait-Websites enthalten oft viele verschiedene Anzeigen, Widgets, Cookies und andere Pop-ups, deren Betrieb zusätzliche Ressourcen erfordert, was wiederum zu einem höheren Energiebedarf führt. Gleichzeitig wird all dieser Kohlenstoff für einen fragwürdigen wirtschaftlichen Ertrag und minderwertige, größtenteils unnötige und unbefriedigende Inhalte produziert.

Im Gegensatz dazu lag der CO2PM für „vertrauenswürdige Nachrichten-Websites“ 52 Prozent niedriger als für MFA-Websites, nämlich bei 390 Gramm.

Ebiquity und Scope3 empfehlen Unternehmen daher, bei der Wahl ihrer Online-Werbepartner selektiver vorzugehen und mehr zu investieren. Dies wird nicht nur dazu beitragen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern, sondern ihnen wahrscheinlich auch mehr Geld einbringen. Nick Waters, Group CEO bei Ebiquity Plc, schlägt vor, dass die Lösung in der Unterstützung angesehener und etablierter Nachrichten-Websites liegen könnte: „Diese Kennzahlen zeigen, dass digitale Werbung nicht gleich digitale Werbung ist. Die große Bandbreite an Emissionen bietet der Branche eine klare Chance, bessere Entscheidungen zu treffen. Marken haben jetzt einen Leitfaden dafür, worauf sie achten müssen und wo sie anfangen können, über Reduzierung und Optimierung für eine effektivere und kohlenstoffneutrale Werbung nachzudenken.“

Weniger Clickbait, besserer Journalismus?

Dieser Wandel könnte auch andere positive Auswirkungen haben, die nicht rein ökologischer Natur sind. Viele traditionelle Nachrichten-Websites leiden unter den Herausforderungen eines vielfältigeren, dezentralisierten und wettbewerbsorientierten Medienumfelds. Da viele Nachrichteninhalte inzwischen kostenlos verfügbar sind, sind journalistische Organisationen zunehmend auf Werbeeinnahmen angewiesen, um zu überleben. Um Einnahmen zu erzielen, sind Klicks erforderlich, was dazu führt, dass sogar angesehene Nachrichtenorganisationen wie BBC und CNN „Klick-Köder“-Prinzipien anwenden und Inhalte anbieten, für die sie bezahlt wurden – im Wesentlichen MPA-Websites.

© CNN
Auch wenn die MFA-Inhalte weit unten auf der Website zu finden sind, werden sie auch von angesehenen Nachrichtenorganisationen verwendet.

Natürlich ist an sich nichts falsch daran, „populäre“ Inhalte zu erstellen, und die Werbung ist seit Jahrzehnten das Rückgrat der Zeitungen. Schließlich wurden viele der Clickbait-Methoden aus dem Boulevardjournalismus übernommen. Aber wenn die Zahl der Zugriffe zur einzigen Kennzahl wird, besteht die Gefahr, dass wichtige, aber weniger lukrative Themen auf der Strecke bleiben. Es werden weniger Zeit und Ressourcen für tiefgründigen, teuren Enthüllungsjournalismus aufgewendet, wenn eine einfache, sensationslüsterne Promi-Story mehr Lesende und Einnahmen bringt.

All dies ist nicht förderlich für ein gesundes Medienumfeld, das dazu beitragen kann, die grassierende Desinformation durch unseriöse Akteure, anrüchige „Journalist*innen“ oder staatliche Propagandaabteilungen zu bekämpfen. Und trägt, wie die Studie deutlich belegt, nicht zum Klimaschutz bei.

„The Good, the Bad and the Ugly“: Wie soziale Medien das Leben indigener Jugendlicher prägen

Soziale Medien können soziale Vorteile mit sich bringen. Bei jungen, indigenen Menschen können sie aber auch Wunden vertiefen.

KI hat einen großen versteckten Wasserfußabdruck – aber es gibt Lösungen gegen ihren unstillbaren Durst

In unserer digitalen Welt geht nichts ohne Rechenzentren. Aber der Wasserfußabdruck ihrer Kühlsysteme bedroht die Wasserversorgung in dürregeplagten Regionen.

Blick auf die Bühne der re:publica 2025
republica GmbH
Wie steht es um die digitale Gesellschaft? Unsere Highlights der re:publica 2025 zum Nachschauen

Ende Mai fand die alljährliche Konferenz re:publica, die eigentlich ein „Festival für die digitale Gesellschaft“ ist, in Berlin statt. Das Bühnenprogramm gibt es online zum Nachschauen – hier kommen unsere Tipps!

Public Interest AI: Künstliche Intelligenz für das Gemeinwohl braucht ein anderes Technologieverständnis

KI, die dem Gemeinwohl und Klimaschutz dient? Dafür muss sie anders gestaltet sein als ihre Big-Tech-Geschwister. Stichworte für Public Interest AI oder „AI for Good“ sind Open Source, Überprüfbarkeit und Gleichberechtigung. Theresa Züger forscht dazu am HIIG.

Zum Ende von Windows 10: „End of 10“ gibt deinem alten PC ein neues Leben

Wenn im Oktober der Support für Windows 10 ausläuft, muss das nicht das Ende deines Computers sein. Die Kampagne „End of 10“ zeigt, wie du ihn mit einem neuen Betriebssystem schnell, sicher und umweltfreundlich weiter nutzt.

Die KI von morgen, das Problem von heute: Wie giftiger Elektroschrott uns und dem Planeten schadet

Generative KI (GAI) erobert die Welt – in mehr als einer Hinsicht. Eine neue Studie beleuchtet die weitestgehend unbekannten Auswirkungen von Elektroschrott und zeigt, was dagegen getan werden kann.

„Rechenzentren werden den Hauptanteil an den CO2-Emissionen der Digitalisierung haben.“ Ralph Hintemann (Borderstep Institute) im Interview

Rechenzentren sind für einen hohen Energieverbrauch verantwortlich und der Hype um KI lässt diesen rasant in die Höhe schnellen. Das ist klar. Dazu kommen noch weitere ökologische Herausforderungen, die weit weniger bekannt sind. Darum geht es in diesem Interview mit Ralph Hintemann, Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut. Und wir werfen einen Blick darauf, was getan werden muss.

Logo Civic Data Lab
©
Das Civic Data Lab hilft NGOs beim Datenmanagement

Das Civic Data Lab zeigt Organisationen, wie sie Daten für gute Zwecke nutzen können.