Die Digitalisierung kann die nachhaltige Landwirtschaft voranbringen – unter bestimmten Voraussetzungen

Torge Peters

In der Landwirtschaft ist die Digitalisierung längst angekommen. Wie aber zahlen diese Entwicklungen auf den Umwelt- und Klimaschutz ein? Wir stellen Lösungen vor.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 22.04.24

Übersetzung Lana O'Sullivan:

Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Landwirtschaft

Aus Nachhaltigkeitsperspektive bringt die zunehmende Digitalisierung in der Landwirtschaft sowohl Potenziale als auch Risiken mit sich. Einerseits können detaillierte Informationen aus Sensoren, Drohnen- oder Satellitendaten und Automatisierung den Ressourceneinsatz (Düngemittel, Pestizide, Wasser, Energie) verringern und biodiversitätsfördernde Maßnahmen vereinfachen. Zudem erleichtern Feldroboter die Arbeit auf kleineren Flächen und schonen die Böden.

Zu den Risiken der Digitalisierung gehören Rebound-Effekte, mangelnde Datensouveränität und der ökologische Fußabdruck der Anwendungen selbst. Diesen gilt es mit entsprechenden Rahmenbedingungen zu entgegen.

Die Landwirtschaft ist digital

In der Landwirtschaft ist die Digitalisierung längst angekommen. Auf den Äckern übernehmen GPS-gesteuerte Traktoren Aussaat und Pflege der Pflanzen, in den Ställen werden Kühe und Schweine von Automaten gefüttert und die Betriebe organisieren sämtliche Prozesse über digitale Managementsysteme.

Teilautonome Landmaschinen und Software für die Betriebsführung werden schon seit Jahren in der Landwirtschaft eingesetzt. Allerdings hat sich die Geschwindigkeit der Digitalisierung beschleunigt. Eine schnell wachsende Zahl an Sensoren, cloudbasierten IT-Systemen und nicht zuletzt auch künstliche Intelligenz finden ihren Weg auf Felder und Höfe. Bereits 79 Prozent der Landwirt*innen in Deutschland, die eine Fläche von mehr als 20 Hektar bewirtschaften, gaben in einer Studie des Bitkom von 2022 an, mindestens eine digitale Technologie oder ein digitales Verfahren zu nutzen.

… und was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun?

Die meisten digitalen Anwendungen, die heute im Einsatz sind, zielen darauf ab, die Produktionskosten durch eine höhere Effizienz zu senken. Das kann aber noch einen anderen Effekt haben: Mehr Effizienz führt idealerweise zu einem geringeren Ressourceneinsatz. Damit können nicht nur die Kosten für die Landwirt*innen sinken, sondern auch die CO2-Emissionen und schädliche Umwelteinflüsse. Werden zum Beispiel die Routen der Landmaschinen durch GPS optimiert, entfallen unnötige Wege und weniger Kraftstoffe werden benötigt. Und wird über Sensoren, Drohnenaufnahmen und Satellitenbilder ermittelt, wie viel Wasser, Pestizide oder Düngemittel eine Pflanze tatsächlich braucht, können diese zielgerichteter – und im besten Fall auch sparsamer – eingesetzt werden.

In Politik und Wissenschaft wird der Digitalisierung daher eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Transformation der Landwirtschaft beigemessen. Allerdings ist – trotz des vermehrten Einsatzes digitaler Technologien – bisher kein Rückgang der umweltschädlichen Einflüsse der Landwirtschaft sichtbar. Der nach wie vor massive Einsatz von Pestiziden und fehlende Schutzzonen schwächen viele Arten und die unsere Felder dominierenden Monokulturen und Überdüngung laugen die Böden aus. Das kann sich wiederum negativ auf die landwirtschaftlichen Erträge auswirken. Dazu kommt: Nur gesunde Böden und Ökosysteme können größere Mengen an CO2-Emissionen speichern.

Außerdem trägt die Landwirtschaft zu den hohen CO2-Emissionen Deutschlands bei. Laut Umweltbundesamt war sie im Jahr 2022 für etwa 55,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verantwortlich. Das entspricht 7,4 Prozent der gesamten ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen des Jahres. Dabei ist der Hauptverursacher der hohen Emissionen die Tierhaltung.

©

Unter den negativen Auswirkungen des Klimawandels leidet auch die Landwirtschaft selbst. Schon 2022 gaben 67 Prozent der in der Bitkom-Studie befragten Landwirt*innen an, dass ihr Betrieb von den Folgen des Klimawandels betroffen ist. Dürren, Überschwemmungen und andere vermehrt auftretende Wetterextreme wirken sich negativ auf die Erträge aus und erschweren die Arbeit der Landwirt*innen.

Daher sind der Rück- und Umbau der Tierindustrie und die Reduzierung des Konsums tierischer Produkte wesentlich, um die Emissionen der Landwirtschaft zu senken. Für gesunde Böden und den Erhalt der Artenvielfalt gilt es, den Düngemittel- und Pestizideinsatz zu beschränken und wichtige Biodiversitätshotspots aus der landwirtschaftlichen Nutzung herauszunehmen. Außerdem sollten der Ökolandbau gestärkt und eine vielfältige, kleinteilige Landwirtschaft gefördert werden.

Über diese Maßnahmen besteht weitgehend wissenschaftliche Einigkeit. Und konsequent umgesetzt könnten sie die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft nicht nur reduzieren, sondern Umwelt und Klima sogar positiv beeinflussen. Dies betont auch die Agronomistin Prof. Dr. Sonoko Dorothea Bellingrath-Kimura vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e. V. (ZALF) im Interview mit RESET. „Insgesamt kann die Landwirtschaft die Bodenfruchtbarkeit erhöhen und auch die Bodenstruktur verbessern.“ Außerdem könne sie einen essenziellen Beitrag zur Biodiversität und zur Grundwasserbildung leisten.

Digitale Lösungen und ihre Potenziale

Es lässt sich also einerseits festhalten, dass die Landwirtschaft zunehmend digitaler wird und darin Potenziale für den Umwelt- und Klimaschutz stecken. Anderseits scheinen diese Entwicklungen bisher nicht die entscheidende Agrarwende zu bringen. Woran liegt es, dass die Potenziale nicht ausgeschöpft werden? Und was sind wesentliche Voraussetzungen für eine nachhaltig-digitale Landwirtschaft?


Um diese Fragen zu beantworten, haben wir im Rahmen unseres von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Greenbooks „Agrarwende – Die nachhaltige Landwirtschaft von morgen“ vielversprechende nachhaltig-digitale Lösungen ausfindig gemacht.

  • Mit Precision Farming die Bedürfnisse der Pflanzen ermitteln

Wann braucht eine Pflanze Wasser oder Nährstoffe – und wie viel? In der Regel beruht die Versorgung der Pflanzen auf Schätzungen und Erfahrungen. Die Präzisionslandwirtschaft ersetzt diese Erfahrungen mit Messwerten aus Sensoren, Drohnen und Satellitenbildern.

Das Startup constellr, eine Ausgründung des Fraunhofer EMI, arbeitet beispielsweise seit 2023 am Aufbau einer Konstellation von 16 schuhkartongroßen Satelliten, die Felder aus dem Weltall erfassen. Mithilfe eines neuen, hochpräzisen Thermal-Infrarot-Messinstruments ist die Technologie in der Lage, den Gesundheitszustand und Wasserbedarf von Nutzpflanzen zu bestimmen.

Nanosensoren

Eine besonders kleinräumige Datenquelle stellen Nanosensoren dar, die physiologische Daten in Echtzeit und punktgenau auf Ebene einzelner Pflanzen erfassen und so zur Anwendung von Spot Farming beitragen können. Nanosensoren sind allerdings noch nicht weit verbreitet und eher als zukünftige Entwicklung zu verstehen.

Die auf den Informationen beruhende Ausbringung von Wasser, Dünger oder Pestiziden erfolgt zunehmend automatisiert durch GPS-gestützte Lenksysteme für Landmaschinen oder über Bewässerungssysteme. So werden die Pflanzen immer gezielter angesteuert.
 
Laut Berechnungen von constellr könnten zukünftig mithilfe der Technologie global 180 Millionen Tonnen Wasser und 94 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid im Jahr eingespart werden – bei einer Erhöhung der Ernteerträge um bis zu vier Prozent.

Sensoren und Kameras auf hoher See: Nachhaltiger Fischfang dank “Big Data”?

Das in großen Teilen von der EU finanzierte Forschungsprojekt SUSTUNTECH arbeitet an einem Sensorsystem, mit dem nachhaltiger Fischfang möglich sein soll. Genauere Informationen zu Fischbeständen und Fangerfolgen tragen dazu bei, dass Fangrouten verkürzt und Treibstoff gespart wird. Dabei kommen sowohl auf Booten als auch an den Fangnetzen Sensoren zum Einsatz. Mithilfe von Algorithmen, die dank maschinellem Lernen immer effizienter werden, kann SUSTUNTECH die verschiedenen Daten miteinander verknüpfen. Laut einem Forschungsbericht kann dadurch der Kraftstoffverbrauch einer Fischereiflotte um 25 bis 40 Prozent sinken.

Ökologische Potenziale der Präzisionslandwirtschaft

Einsparungen von Düngemitteln: Im Rahmen verschiedener Studien konnten am häufigsten Einsparungen bei Düngemitteln festgestellt werden (Saiz-Rubio & Rovira-Más, 2020; Villa-Henriksen et al., 2020). Dabei können laut einer Meta-Studie durch die teilflächenspezifische Ausbringung von Düngemitteln Stickstoffrückstände im Boden um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden.  
 
Weniger Pflanzenschutzmittel: Ein weiteres großes ökologisches Potenzial von Präzisionslandwirtschaft ist ein verringerter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Bei herkömmlichen Spritzmethoden treffen nur etwa zehn Prozent der ausgebrachten Pflanzenschutzmittel tatsächlich kranke Pflanzen. Die größere Präzision bei der Ausbringung bis hin zum „Spot Farming“ einzelner Pflanzen kann positive Effekte auf die Biodiversität haben und Umweltschäden verringern.
 
Wasserverbrauch: Ambivalenter stellt sich die tatsächliche Reduktion des Wasserverbrauchs dar. Zwar kann durch die meisten untersuchten Anwendungen der direkte Wasserverbrauch bei der Bewässerung reduziert werden. Die bereits genannte Studie konnte Einsparungen von durchschnittlich acht Prozent im Pflanzenbau nachweisen und ein Gärtner-Roboter konnte den Wasserverbrauch um die Hälfte reduzieren. Dabei ist aber die Varianz sehr groß.

  • Feldroboter schützen Böden und Biodiversität
© Tevel Aerebotics

Ernteroboter sind schon seit einigen Jahren auf Feldern unterwegs. Allerdings düngen und ernten sie Lebensmittel eher mit dem Holzhammer als mit dem Samthandschuh. Agrarroboter eignen sich daher bislang für robuste Lebensmittel wie Kartoffeln, Getreide oder Rüben. 

Die moderne Robotik wird das in den nächsten Jahren ändern. Die neueste Generation Roboter nutzt Sensoren, Kameras und KI-Software, um ausschließlich reife Früchte behutsam von der Pflanze zu trennen. Der Pflückroboter von Floating Robotics schafft es, Tomaten zu pflücken, ohne sie dabei zu beschädigen. Gleichzeitig hat er genug Kraft, um Obstkisten aufzufalten und für die weitere Verarbeitung abzutransportieren. Und der autonome Roboter von Tevel Aerobotics Technologies vertraut auf kabelgebundene Drohnen, die Äpfel über Saugnäpfe pflücken können.
 
Ein weiterer Schwerpunkt der Robotik in der Landwirtschaft ist die Pflanzenpflege. Kleine, autonome Roboter können Unkraut beseitigen und den Gesundheitszustand von Pflanzen ermitteln. Mithilfe ihrer Kameras und KI erkennen sie Krankheiten und können die betroffenen Pflanzen zeitnah gezielt behandeln.
 
Die Hauptaufgabe der Roboter auf Feldern und in Ställen ist es, den Arbeitsaufwand für landwirtschaftliche Betriebe zu reduzieren. Doch sie können auch zum Umweltschutz beitragen. 

Open-Source-Roboter zum Nachbauen

Projekte wie der Acorn-Roboter von Taylor Alexander versuchen, moderne Agrarroboter auch für Kleinstbetriebe verfügbar zu machen.

Alexander setzt dabei auf Open-Source-Software und günstige Komponenten wie Einplatinencomputer und Elektromotoren. Diesen verkauft Alexander nicht etwa selbst, sondern Landwirt*innen können den Agrarroboter nachbauen.

Der Code lässt sich dabei über die Plattform Github beziehen.

Ökologische Potenziale der Robotik  

Schutz von Böden und Biodiversität: Der Einsatz von Pestiziden soll durch Roboter deutlich präziser werden. Und vernichten die Roboter Unkraut gezielt per Stromschlag, werden Agrochemikalien sogar komplett verzichtbar. Mit einer ausreichenden Datengrundlage und mithilfe maschinellen Lernens könnten Roboter in Zukunft auch gezielt geschützte Pflanzen oder Unkrautpflanzen, die als Insektennahrung dienen, erkennen und bei der mechanischen Unkrautregulierung schonen.  

Geringere Bodenverdichtung: Eine weitere Chance von Feldrobotern in der Landwirtschaft besteht darin, dass sie schwere Landmaschinen ersetzen können. Große Maschinen verdichten allein durch ihr Gewicht die Böden und fördern Erosion. Das wirkt sich negativ auf Wasser- und Nährstoffkreisläufe, die Verfügbarkeit von Sauerstoff und damit auch auf das Vorkommen von Kleinstlebewesen aus.  

Kleinräumigere Anbausysteme mit größerer Vielfalt: Feldroboter, aber auch andere leichte und flexible Maschinen wie Drohnen bieten die Chance, kleinteiligere Gebiete mit größerer Vielfalt zu bewirtschaften.  

Der Einsatz von Robotik ist jedoch größtenteils noch in der Entwicklungsphase.

  • Daten statt raten: Smartes Monitoring in der Landwirtschaft

Welche Möglichkeiten smartes Monitoring für die Zukunft der Landwirtschaft bieten kann, zeigt ein Projekt der Benha Universität in Ägypten. Um die Bodenqualität eines riesigen Gebiets im Nildelta zu berechnen, setzten die Forschenden auf GIS-Daten und maschinelles Lernen. Damit war es ihnen möglich, anhand weniger Stichproben die Qualität der Böden des Nildeltas zu bestimmen und auf Basis der Daten konkrete Handlungsempfehlungen für Gebiete mit schlechter Bodenqualität zu geben.

Auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) sieht große Chancen in einem effektiven Monitoring und schlägt daher ein “Environmental IoT” vor. Also ein Netzwerk aus Sensoren, smarten Landwirtschaftsrobotern und weiteren Geräten, die untereinander über das Internet vernetzt sind.  

BEEHAVE

Honigbienen besser verstehen und schützen

Fast alle Pflanzenarten sind auf Fremdbestäubung durch Bienen und andere Insekten angewiesen. Doch weltweit geht deren Anzahl aufgrund menschlicher Einflüssen zurück.

Ein Projekt, das sich des Problems annehmen möchte, ist BEEHAVE. Mithilfe eines Simulationsmodells können die Auswirkungen unterschiedlicher Stressfaktoren auf Bienenvölker untersucht werden. Aufbauend auf diesem Monitoring lassen sich dann passende Schutzmaßnahmen entwickeln.

Ökologische Potenziale des smarten Monitorings

Vereinfachte Messungen der Bodenqualität: Messmethoden, die mithilfe von Satellitendaten, maschinellem Lernen und anderen digitalen Technologien Daten sammeln und verarbeiten, vereinfachen das Monitoring der Bodenqualität deutlich. Außerdem könnten zukünftig fest platzierte Sensoren Daten für die regelmäßige Berechnungen der Umweltbedürfnisse ganzer Regionen liefern.  

Verbesserung der Ökosystemleistungen: Daneben kann mithilfe eines smarten Monitorings das Verständnis der Zusammenhänge und Ökosystemleistungen auf Agrarflächen verbessert werden. Hochauflösende Sensoren können beispielsweise bei der Klassifizierung von Habitaten unterstützen, worauf basierend die Artenvielfalt modelliert werden kann. Damit werden Orte sichtbar, an denen sich Vögel und Insekten tummeln und es können gezieltere Maßnahmen zu deren Schutz umgesetzt werden.  

Allerdings steckt die Datenerhebung und -auswertung hinsichtlich Biodiversitätsindizien aktuell noch in den Kinderschuhen.

  • Nachhaltiges Farmmanagement mithilfe von Plattformen (FMIS)

Zwischen 30 und 50 Prozent der Landwirt*innen in Deutschland nutzen bereits Farm-Management-Informations-Systeme (FMIS). Über Apps und Desktop-Anwendungen helfen die digitalen Management-Tools, landwirtschaftliche Prozesse zu optimieren und Betriebe leichter zu verwalten. Dazu werden beispielsweise die Höhe der Erträge, Austragungsmengen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, Maschinendaten und standortspezifische Daten sowie Wetter- oder Bodendaten über die Anwendungen miteinander verknüpft – zunehmend mithilfe von maschinellem Lernen.
 
Die Anwendung solcher Systeme ist allerdings oft kostenintensiv, komplex und nicht alle Geräte und Softwaretypen eines Betriebs sind kompatibel. Außerdem besteht das Risiko sogenannter Lock-in-Effekte, da die Plattformen überwiegend von Startups, multinationalen Tech-Unternehmen und Lebensmittel- und Agrarkonzernen bereitgestellt werden. Das kann bedeuten, dass die Nutzer*innen über die digitalen Services an ein bestimmtes Anbieter-Ökosystem gebunden werden. Einmal hier angekommen, wird ihnen der Kauf anderer landwirtschaftlicher Produkte des Anbieters nahegelegt, wie zum Beispiel Saatgut, Betriebsmittel und Maschinen, wie Kevin Cussen von LiteFarm, berichtet.

Die kostenlose Open-Source-Plattform LiteFarm setzt auf Kooperation in der Entwicklung und hat eine nachhaltige Landwirtschaft zum Ziel. Sämtliche Funktionen sind speziell auf die Bedürfnisse ökologischer Landwirtinnen zugeschnitten. Im Vergleich zu vielen anderen Plattformen bietet LiteFarm wichtige Informationen für diversifizierte Betriebe und verfügt über einen großen Katalog an Pflanzen, den die Nutzenden selbstständig erweitern und mit der LiteFarm-Community teilen können. Außerdem bietet die Plattform Unterstützung bei der Bio-Zertifizierung der Betriebe.

Open-Source-Tool für die solidarische Landwirtschaft

Wie kommunizieren lokale Landwirtschaftsbetriebe mit Konsument*innen, die in der nächsten Stadt nach regionalem Gemüse suchen? Auf dem Markt gibt es viele Tools, die mit hohen Kosten verbunden sind. Für viele kleine Betriebe und Projekte der Solidarischen Landwirtschaft sind diese oft nicht finanzierbar. Der Verein OpenOlitor hat daher eine kostenfreie Open-Source-Lösung entwickelt. Produzent*innen können ihr Inventar in OpenOlitor einpflegen und die Software als Vertriebsplattform nutzen.

Ökologische Potenziale von FMIS

Einsparung von Ressourcen: Neben der Arbeitserleichterung für Landwirt*innen steckt in der Zusammenführung der Daten das Potenzial, die Prozesse bedarfsgerecht zu planen und im besten Fall effizienter zu gestalten. Dadurch können u.a. Düngemittel und Pflanzenschutzmittel eingespart werden. Sind die FMIS zudem auf nachhaltige Anbaupraktiken zugeschnitten, erleichtern die deren Einsatz und Verbreitung.  

Unterstützung kleiner Betriebe: Die Plattformen sind insbesondere für kleine und diversifizierte Betriebe eine wertvolle Unterstützung, da sie deren Verwaltung erleichtern.   Vereinfachte Verwaltung von Agrarumweltmaßnahmen: Viele Umweltmaßnahmen werden aktuell von Landwirtinnen nicht angenommen, da ihre Beantragung kompliziert ist oder in die Durchführung arbeitsaufwändig. In FMIS steckt die Chance, zukünftig die Antragstellung, Dokumentation und Kontrolle zu vereinfachen, da sämtliche Informationen hier zusammenfließen und automatisiert weitergeleitet werden könnten.

Risiken der Digitalisierung

Was die in den Beispielen genannten Technologien verbindet ist, dass nachhaltige Aspekte wie der Schutz von Böden und Biodiversität von Anfang an zu den Zielen bei ihrer Entwicklung gehörten. Damit unterscheiden sie sich von den meisten anderen digitalen Anwendungen, in denen es vorrangig darum geht, die Landwirtschaft effizienter zu machen und damit Kosten zu sparen. Nachhaltigkeit ist hier – im besten Fall – nur ein Nebeneffekt. Aber das bringt Risiken mit sich, wie die Intensivierung und Homogenisierung der Anbausysteme und einen hohen Material- und Energieverbrauch der Anwendungen selbst.

Doch während Politik und Unternehmen die Potenziale der digitalisierten Landwirtschaft in den Vordergrund stellen, werden diese Risiken aktuell noch zu wenig betrachtet, wie auch die Autor*innen der Studie „Digitalisierung der Landwirtschaft – Chancen und Risiken für den Natur- und Umweltschutz“ des IÖW feststellen. Worum geht es dabei aber genau?

Intensivierung:

Ein wesentliches Risiko der digitalen Landwirtschaft liegt darin, dass Techniken wie die Präzisionslandwirtschaft und die Automatisierung von den Landwirt*innen bisher vor allem dazu genutzt werden, um die landwirtschaftliche Bewirtschaftung weiter zu intensivieren. Das heißt, dass eine verbesserte Effizienz am Ende nicht dazu führt, dass Ressourcen wie Düngemittel und Agrochemikalien eingespart werden. Vielmehr werden diese unmittelbar in weitere Ertragssteigerungen oder die Vergrößerung der bewirtschafteten Flächen investiert. Tilman Santarius, Professor für sozial-ökologische Transformation, hat hierfür den Begriff des Rebound-Effekts geprägt.

Einen Hinweis auf diesen Effekt geben die Zahlen des Umweltbundesamts: Trotz der zunehmenden Verbreitung von Sensoren und Drohnen ist der Verbrauch von Agrochemikalien in Deutschland in den letzten 20 Jahren nahezu konstant geblieben.

Ähnliches gilt für die Bewässerung. Es gibt Hinweise darauf, dass Landwirt*innen durch die zielgerichtetere Verteilung von Wasser sowohl weitere Äcker bewässern als auch wasserintensivere Kulturen anbauen.
 
Und betrachtet man Feldroboter und Drohnen, so bergen ihre Vorteile für die Bewirtschaftung kleiner Felder – ihre Flexibilität, Autonomie und Präzision – gleichzeitig das Risiko, bisher brach liegende bzw. schwer erreichbare Standorte zu erschließen. Doch gerade in diesen ökologische Nischen tummeln sich viele Arten, deren Lebensräume dadurch zerstört werden.
 
Homogenisierung der Anbausysteme:

Viele digitale Systeme sind darauf ausgelegt, den Anbau einer sehr übersichtlichen Anzahl an Hochertragssorten zu optimieren. Die starke Konzentration im Markt für digitale Anbausysteme steigert das Risiko zusätzlich. Und im Zusammenhang mit dem Projekt LiteFarm wurde auch schon das Problem der Lock-in-Effekte erwähnt. Das Problem daran ist, dass sich eine geringe Sortenvielfalt unter anderem negativ auf die ökologische Resilienz der Landwirtschaft auswirken kann.
 
Material- und Energieverbrauch:

Sollen die ökologischen Risiken der Digitalisierung umfassend betrachtet werden, muss auch der Material- und Energieverbrauch digitaler Geräte, Cloud-Lösungen und anderer Infrastrukturen einbezogen werden. Allerdings gibt es dazu noch keine Zahlen speziell für die Landwirtschaft. Der Material- und Energieverbrauch dürfte aber im Vergleich etwa mit dem Bereich der Unterhaltungselektronik eher gering sein  – noch!

Was es für eine nachhaltig-digitale Landwirtschaft braucht

Ob digitale Technologien also tatsächlich ein Potenzial für Biodiversität und Naturschutz entfalten können und zu einer Senkung der CO2-Emissionen beitragen, hängt von ihrer Zielsetzung und dem Rahmen, in dem sie entwickelt werden, ab.
 
Anreize setzen:

Ob es für Entwickler*innen einen Anreiz gibt, nachhaltige Technologien zu entwickeln, und für Landwirt*innen, diese zu nutzen, hängt von den politischen Rahmenbedingungen, wie Umweltauflagen und Subventionen, ab. Aktuell liegt der Fokus hier sehr stark auf der Produktion, dem Ertrag und der Flächennutzung. „Für die landwirtschaftliche Nutzung bekommt man Prämien“, sagt Bellingrath-Kimura. „Je mehr man produziert, desto besser. Das heißt, es gibt keinerlei Anreiz, nachhaltiger zu werden, also Ressourcen effizienter zu nutzen oder die Biodiversität zu schützen.“ Wichtig wäre es dagegen, nachhaltige Ziele – wie der Erhalt der Biodiversität oder die Speicherung von CO2 – ebenfalls als Bewirtschaftungsziele anzusehen und ihnen einen ökonomischen Wert zu geben. Dies muss sich in den Agrarförderstrukturen sowohl auf Bundes- als auch auf EU-Ebene widerspiegeln. Der Green Deal und die „Farm to Fork“-Strategie der EU, mit denen die Transformation nachhaltiger Agrar- und Ernährungssysteme gefördert werden soll, sind immerhin erste wichtige Schritte.
 
Datenverfügbarkeit und Datensouveränität sichern:

Für die Frage, ob und wie digitale Technologien genutzt werden und wer von den Technologien profitiert, ist der Zugang und der Besitz von Daten zentral. Denn einerseits stehen viele Landwirt*innen der Nutzung ihrer Daten in digitalen Anwendungen und Services kritisch gegenüber. Gleichzeitig verbessert eine umfassende Datenbasis die Qualität der Technologien und ist ein wichtige Grundlage für neue Entwicklungen. Daher sollten klare rechtliche Vorgaben für Transparenz, Sicherheit und Fairness zwischen Landwirt*innen und Technologiehersteller*innen sorgen. Dazu gehört, dass die Landwirt*innen das Eigentum an den Daten behalten und selbst über deren Verwendung entscheiden können.

Zusätzlich ist wesentlich, dass Geo-, Wetter-, Satelliten- und andere für die Landwirtschaft wichtige Daten für Landwirt*innen, Forschungseinrichtungen und öffentliche Beratungsstellen bereitgestellt und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Wichtige Daten zugänglich machen

Über die letzten Jahre ist die Auflösung von Satellitenbildern und die Qualität der Daten immer besser geworden – wovon auch die Landwirtschaft profitiert. Vor allem die neuen europäischen Fernerkundungssatelliten, die im Rahmen des Copernicus-Programms gestartet wurden, spielen hier eine wichtige Rolle. Damit die relevanten Daten aber wirklich verwendet werden können, müssen sie aus dem großen Datenpool einfach verfügbar gemacht werden.

Daher arbeitet das BMEL zum Beispiel an der Weiterverbreitung dieser Informationen durch verschiedene Internetangebote.

Außerdem haben einige Bundesländer Konzepte zur Bereitstellung öffentlicher Geodaten umgesetzt: Landwirt*innen in Rheinland-Pfalz stehen zum Beispiel über das Geoportal „MapRLP“ relevante Geobasisdaten – das sind Schlagumrisse, Bodeninformationen oder Erosionskataster – frei zur Verfügung.

Offene Schnittstellen schaffen:

Wie die verschiedenen Beispiele zeigen, gibt es schon heute eine Vielzahl an Technologien, die die Arbeit auf den Feldern erleichtern und beim Umweltschutz unterstützen. Für ein umfassendes Monitoring und darauf aufbauende wirkungsvolle Schutzmaßnahmen ist es wesentlich, dass die verschiedenen digitalen Lösungen herstellerübergreifend miteinander vernetzt werden können. Daher sollten schon bei der Entwicklung offene Schnittstellen mitgedacht werden.
 
Zusammenarbeit ermöglichen:

Der Diskurs zwischen Landwirtschaft und Umwelt- und Klimaschutz ist oft sehr polarisiert und beide Seiten fühlen sich unverstanden. Das hat u.a. damit zu tun, dass verallgemeinerte wissenschaftliche Empfehlungen für mehr Umweltschutz nicht immer zur konkreten Situation vor Ort passen. Außerdem fühlen sich viele Landwirt*innen durch immer mehr Bürokratie und Auflagen in ihrer Arbeit beeinträchtigt. Daher sollte ein Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit liegen, so dass gemeinsam Prioritäten der digitalen Transformation der Landwirtschaft ausgelotet werden können. So kann auch das Erfahrungswissen der Landwirt*innen einfließen.
 
Forschung vorantreiben:

Wie schon erwähnt gibt es sehr viele Studien, die sich mit den Chancen der Digitalisierung in der Landwirtschaft beschäftigen, aber wenig Forschung zu den tatsächlichen Auswirkungen der digitalen Anwendungen auf Biodiversität, Böden und Klima. Daher werden dringend umfassende und unabhängige Studien sowohl mit Blick auf einzelne digitale Technologien als auch auf das Gesamtpotenzial der Digitalisierung benötigt.
 
Förderprogramme auf Nachhaltigkeit ausrichten:

Eine Verbesserung der Effizienz allein reicht nicht aus, damit digitale Technologien wirklich bei der Bewältigung ökologischer Herausforderungen unterstützen. Daher sollten vorrangig Innovationen gefördert werden, die konsequent auf Nachhaltigkeit abzielen. Zudem sollten sie auch für kleinere Betriebe anwendbar und rentabel sein. Insbesondere öffentliche Gelder müssen dabei gezielt und vorrangig in die Erforschung transformativer Technologien investiert werden.

Mit dem Einkaufwagen die Agrarwende anschieben

Bisher unerwähnt geblieben ist die Rolle der Verbraucher*innen in der Agrarwende. Ihre Entscheidungen wirken sich darauf aus, welche Lebensmittel unsere Regale füllen. Ein digitaler Hebel sind hier Apps und Plattformen, über die Verbraucher*innen einen leichteren Zugang zu regionalen Lebensmitteln haben. So können sie nicht nur den ökologischen Anbau fördern, sondern auch mit kürzeren Lieferketten Emissionen einsparen.

Datenkreisläufe schließen für die Landwirtschaft der Zukunft 

Wie also könnte die Landwirtschaft der Zukunft aussehen, in der Nachhaltigkeit und Digitalisierung Hand in Hand gehen? Das Zukunftsbild, das die Agronomistin Sonoko Bellingrath-Kimura im Interview mit RESET entworfen hat, ist eine Landwirtschaft, in der Maßnahmen zum Schutz von Biodiversität und Arten automatisch erfolgen, ermöglicht von einer schlauen Vernetzung. Dabei macht ein umfassendes Monitoring mithilfe von Sensoren und Satelliten Biotope mit hoher Artenvielfalt und andere schützenswerte Orte sichtbar. „Wenn man weiß, dass ein Ort als Biotop sehr wichtig ist, könnte man diesen kleinen Teil von produktiven Maßnahmen ausnehmen und zum Beispiel nicht düngen oder spritzen. Aber dann sollte am besten die Spritze automatisch an dieser Stelle ausgeschaltet werden, ohne dass man aus dem Traktor aussteigen und umdrehen muss.“

Funktionieren kann das, wenn die Lenksysteme der Traktoren oder Roboter mit der Management- und Informationssoftware verknüpft werden. Und darüber werden dann nicht nur die Routen der Maschinen geplant und gesteuert. Auch die Anträge für Biodiversitätsmaßnahmen sind daran gekoppelt und werden automatisch übermittelt. Mit dieser Durchgängigkeit ließen sich viele Maßnahmen zum Schutz von Böden und Biodiversität leichter umsetzen, davon ist Sonoko Bellingrath-Kimura überzeugt.
 
Wie die Beispiele gezeigt haben sollten, stehen die Technologien dafür schon in den Startlöchern. Was jetzt passieren muss ist, mit einem entsprechenden Rahmen sämtliche digitalen Anwendungen auf Nachhaltigkeit auszurichten.
 
Zuletzt gilt es allerdings noch einzugrenzen: Natürlich wird mit der Digitalisierung allein die Agrarwende nicht gelingen. Dazu braucht es das richtige Maß an sowohl naturbasierten als auch digitalen Lösungen.

dbu-logo

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Agrarwende – Die nachhaltige Landwirtschaft von morgen“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

Wie “PerPlant Farming” mit Farm-Robotern und KI beim umweltschonenden Anbau unterstützt

KI, Machine Learning und Robotik eröffnen neue Möglichkeiten in der Landwirtschaft - die umweltschonende Bekämpfung von Unkraut und Schädlingen ist eine davon.

©
Mission Klimaneutralität: So kommen wir ans Ziel

Wie wird Deutschland bis 2040 klimaneutral? Und welche Rolle spielen dabei digitale Lösungen? Unsere Microsite gibt einen Überblick.

Podcast-Folge: Was kann die Digitalisierung zur Agrarwende beitragen?

Wie kommen wir zu einer nachhaltigen Landwirtschaft? Und wie können digitale Tools bei der Agrarwende unterstützen? Darüber sprechen wir mit der Agronomistin Prof. Dr. Bellingrath-Kimura (ZALF).

Torge Peters
Policy Brief: Rahmenbedingungen für eine nachhaltig-digitale Landwirtschaft

Dass die Landwirtschaft mithilfe digitaler Technologien nachhaltiger wird, ist kein Selbstläufer. Dafür gilt es die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

© Benjamin Lucks
Handy-App Klim: Regenerative Landwirtschaft einfach und lukrativ gestalten

In der App Klim können Betriebe Maßnahmen einer regenerativen Landwirtschaft festhalten. Dafür werden sie mit Wissen, einer Community und Geld belohnt.

Daten statt raten: Über das große Potenzial des Monitorings in der Landwirtschaft

Die Bodenqualität riesiger Gebiete mit 32 Stichproben berechnen – das ist Forscher*innen aus Ägypten dank digitaler Methoden gelungen. Das Projekt zeigt, wie wichtig Monitoring für die Landwirtschaft ist.

Veganer Fleischgenuss – Klimafreundlich und gesund?

Fleischersatzprodukte boomen – doch was taugen vegane Bouletten, Würstchen und Co. aus pflanzlichem Eiweiß wirklich? Wir schauen uns die Zutaten, Umweltauswirkungen und das pflanzliche Steak von Morgen an.

Frischer und nachhaltiger: 6 Tipps, wie ihr Lieferketten beim Einkaufen verkürzt

Kurze Lieferketten sind nachhaltiger und führen zu frischeren Lebensmitteln! RESET stellt 6 digitale Lösungen für kürzere Lieferketten vor.