Digitales Upgrade für Aquakulturen – eine cloudbasierte KI-Software macht es möglich

Die Aquakultivierung als Alternative zur konventionellen Fischerei wird vom Berliner Startup MonitorFish durch digitale Technologie modernisiert. Was bedeutet das für die Zukunft dieser Form der Tierzucht?

Autor*in Luisa Ilse, 27.04.23

Übersetzung Lana O'Sullivan:

Überfischung durch steigende Nachfrage

Die Nachfrage nach frischem Fisch, Muscheln und Schalen- und Krustentieren nimmt stetig zu. Gründe dafür sind das Wachstum der Weltbevölkerung und ein allgemein gestiegener Lebensstandard in vielen Ländern. Der Eingriff des Menschen in die Natur durch konventionelle Fischerei ist allerdings immens und hat verheerende Auswirkungen. Sowohl Ökosysteme als auch die Umwelt werden durch die meisten Fischereimethoden langfristig zerstört und bringen viele Arten an die Grenzen ihrer Existenz.

FAKTEN: ÜBERFISCHUNG

Der weltweite Fischfang erreichte 2020 laut FAO einen Rekordwert von 178 Millionen Tonnen, rund 30 Prozent mehr als in den 2000er und rund 60 Prozent mehr als in den 1990er Jahren.

Die FAO gibt ebenfalls an, dass global rund ein Drittel der Fischbestände als überfischt und rund 60 Prozent als maximal genutzt gelten.

Laut Deutschlandfunk Kultur liegt der Fischverzehr in Deutschland mit rund 14 Kilo pro Kopf und Jahr unter dem weltweiten Durchschnitt von 20 Kilo. Zum Vergleich: In Portugal sind es 57 Kilo und in Island sogar 90 Kilo.

Viele Millionen Tonnen Beifang – darunter Wale und Delfine – sterben jährlich durch unspezifische Fangmethoden oder fehlende Schutzmaßnahmen.

Festgesetzte Fangquoten zur Regenerierung von Arten werden häufig nicht eingehalten oder durch illegale Fischerei umgangen.

Aquakultivierung als Alternative

Eine Alternative dazu stellt die Aquakultivierung von Meeres- und Süßwasserlebewesen dar. Sie wird schon seit langer Zeit in Form von Teichwirtschaft und Muschelzucht und in jüngerer Zeit in Form von Netzgehege-, Durchfluss- und geschlossenen Durchflussanlagen vom Menschen genutzt. Aquakulturen sind daher wichtige Produktionsstätten von Fisch und anderen im Wasser lebenden Tierarten in der Lebensmittelindustrie.

Relativ neu ist der Ansatz von Aquaponikanlagen, wobei Aquakultivierung mit Hydroponik verbunden wird. Indem Fische und Nutzpflanzen in einem geschlossenen System kultiviert werden, entsteht ein Kreislauf, innerhalb dessen das nährstoffreiche Wasser der Fische zum Wässern und Düngen von Gemüsepflanzen verwendet wird und dann wiederum – von den Pflanzen gereinigt – zurück in die Becken fließt. Die StadtFarm in Berlin setzt außerdem in ihren Fischzuchtbecken bewusst den Afrikanischen Raubwels (Clarias gariepinus) ein, weil dieser in seinem natürlichen Lebensraum die Enge mit vielen Artgenossen gewöhnt ist und dadurch von dieser Haltungsform weniger gestresst wird. Unabhängig von der Wahl der Aquakulturform müssen entsprechende Systeme jedoch immer effizienter werden, um die steigende Nachfrage zu bedienen.

Das Konzept von MonitorFish

Das Berliner Startup MonitorFish möchte diese Form der Tierzucht mit digitalen Lösungen optimieren. Damit soll einerseits der zunehmenden Überfischung entgegengewirkt und gleichzeitig die Aquakultivierung verbessert werden. Das Unternehmen setzt dazu auf eine Infrarot-Kamera mit cloudbasierter KI-Software. Die KI-Technologie sammelt zunächst Daten der Anlage und Lebewesen, um sich den speziellen Bedingungen anpassen und die erfassten Parameter in Bezug setzen zu können. Selbst bei schlechten Sichtbedingungen nimmt die Kamera durch den eingebauten Infrarot-Sensor stressfrei verschiedene Parameter auf und wertet die gewonnenen Datensätze mithilfe der KI-Software aus. Im Anschluss können daraus individuelle Handlungsanleitungen für optimierte Wachstumsstrategien und ein verbessertes Wohlergehen der Fische generiert werden. Zusätzlich kann die Software die Biomasse der Lebewesen schätzen und durch weitere Sensoren Aussagen zu Temperatur, Sauerstoffgehalt und pH-Wert treffen.

Chancen und Risiken von modernen Aquakulturen mit KI-Software

Die Vorteile dieser Technologie liegen vor allem im Schutz der Bestände natürlich vorkommender Tierarten und ihrer Lebensräume in Meeren, Flüssen und anderen Gewässern. Einige der Tierarten können in den von MonitorFish ausgestatteten Aquakulturen stressreduziert und mit einer höheren Produktivität gezüchtet werden. Außerdem stellen sich heutzutage immer mehr Konsument*innen und auch Produzent*innen Fragen zum Tierwohl und der Nachhaltigkeit ihrer Produkte. Verbindet man also das System der cloudbasierten KI-Software von MonitorFish mit Aquakulturtechniken wie der Aquaponik, könnte die Aquakultivierung auf eine neue Stufe der Nachhaltigkeit gehoben werden.

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Nichtsdestotrotz ist abzusehen, dass die Nachfrage nach Fisch und anderen Lebewesen aus Süß- und Salzwasser weltweit weiter zunehmen wird. Es ist fraglich, ob Aquakulturen mit nachhaltigem Anspruch diese Nachfrage auf lange Sicht bedienen können. Die meisten geschlossenen Aquakultursysteme müssen mit Frischwasser, Wärme und Nährstoffen versorgt und entstehendes Abwasser muss entsorgt werden. Dementsprechend handelt es sich auch hierbei – wie bei der konventionellen Fischerei – um keinen ökologischen Kreislauf und der Fußabdruck des Menschen auf den Planeten wird sichtbar.

Schaut man sich die Fakten an, so wird deutlich, dass sich die weltweite Nachfrage nach Fisch und anderen im Wasser lebenden Tierarten auf ein gesundes Maß einpendeln muss. Dessen Konsum sollte wieder zu einem bewussten und seltenen Verzehr werden. Nur so ist die Natur in der Lage, das Abfischen aus Meeren, Flüssen und Seen durch Fortpflanzung zu kompensieren beziehungsweise die bei der Aquakultivierung benötigten Ressourcen und das anfallende Abwasser zu bewältigen. Gelingt es außerdem, nachhaltig orientierte Aquakultursysteme wie die Aquaponik durch KI-gesteuerte Software zu optimieren, könnte eine moderate Nachfrage durch diese Form der Tierzucht ergänzt und zugleich das Tierwohl in den Anlagen gesteigert werden. So hätten die in der Natur bis an die Grenzen ihrer Existenz befischten Arten und ihre Lebensräume eine Chance auf Regeneration.

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