Jedes Jahr töten verheerende Überschwemmungen Menschen und bedrohte Tiere in Assam. Allein im Jahr 2020 waren über fünf Millionen Menschen von den Wassermassen betroffen, 150.000 Menschen mussten fliehen. Mindestens 14 seltene Nashörner wurden getötet, genauso wie auch viele Büffel, Wildschweine, Sumpfhirsche und Schweinehirsche.
„Jährliche Überschwemmungen sind ein Teil des Ökosystems von Assam“, erzählt Abhinav. „In alten Zeiten haben die Menschen in Assam die Überschwemmungen verehrt, weil sie die Fruchtbarkeit des Bodens erhöhen und die Bauern so einen besseren Ertrag erzielen können.“
Doch anthropogene Faktoren – darunter der Klimawandel und die unerbittliche Abholzung der Wälder – haben diese Naturereignisse verschärft und führen dazu, dass jedes Jahr viele Gebiete in der Region zerstört werden. Und es ist davon auszugehen, dass sich die Auswirkungen der Überschwemmungen jedes Jahr weiter verschlimmern werden. Als Abhinavs Haus überflutet und die Ernte seines Onkels vernichtet wurde, wusste er, dass er etwas tun musste. Er begann eine Kampagne mit Fridays for Future und Extinction Rebellion India und nutzte digitale Werkzeuge, um möglichst viele Menschen zu mobilisieren, die Folgen der Umweltzerstörung zu verbreiten und Druck auf die Regierung auszuüben. „Viele Jugendliche nutzen die sozialen Medien, und auch während des Lockdowns ist die Nutzung der sozialen Medien in die Höhe geschnellt“, sagt er. „Wir haben eine Menge Twitter- und Social-Media-Kampagnen durchgeführt, um das Bewusstsein zu schärfen und Druck auf die Behörden auszuüben.“
Abhinav arbeitet auch mit Fridays for Future Digital zusammen. Er half dabei, eine Online-Kampagne zu starten, die auf der ganzen Welt Unterstützung im Kampf gegen Naturkatastrophen sammelte, von den kalifornischen Waldbränden bis zu den Überschwemmungen in Bangladesch.
„Ich denke, dass Social Media ein großartiger Weg ist, um Einfluss zu nehmen, das Bewusstsein zu schärfen und Menschen zu erreichen“, sagt er. „Bei Fridays for Future Digital organisieren wir viele Online-Aktivitäten wie Community-Aufrufe, Kunstprojekte und Webinare, um die Jugend zu beteiligen.“
Eine der wichtigsten Maßnahmen, die Abhinav selbst ergriffen hat, war die Einrichtung einer Petition, die die Regierung auffordert, radikale, präventive Maßnahmen gegen die Überschwemmungen in Assam zu ergreifen. Bislang hat er über 21.000 Unterschriften gesammelt. Als geschickter Sprecher formuliert Abhinav seine Forderungen klar und konkret. Er fordert die Regierung auf, die Emissionen zu reduzieren und langfristige Pläne zum Schutz des Ökosystems der Region aufzustellen. Neben zahlreichen Briefen an die lokale Regierung drängt Abhinav die Mainstream-Medien immer wieder, über die Überschwemmungen zu berichten – doch leider ohne Erfolg. „Als die Zahl der Todesopfer durch die Überschwemmungen in Assam am höchsten war, waren die indischen Medien damit beschäftigt, über Prominente und ihre Kinder zu berichten.“
Viele Aktivist*innen wie Abhinav werden von der Regierung inhaftiert. Doch Abhinav behält seine unbeugsame Entschlossenheit, auch wenn politische Einschüchterungen leider allgegenwärtig sind.
„Die Regierung tötet den demokratischen Dissens“, sagt er. „Die indische Regierung unterdrückt die Jugend, die ihre Handlungen in Frage stellt und sich widersetzt, indem sie drakonische Gesetze missbraucht, wie das UAPA (Unlawful Activities Prevention Act), das ein Anti-Terror-Gesetz ist, und das NSA (National Security Act).“ Er nennt ein aktuelles Beispiel: Fridays for Future (FFF) India führte eine E-Mail-Kampagne durch, die sich gegen die Änderung eines wichtigen Umweltgesetzes, der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), richtete. Aktivist*innen verurteilten den umstrittenen Entwurf, der nach ihrer Ansicht viele Umweltschäden legitimiert. Daraufhin beschuldigte die Polizei in Delhi FFF India, religiösen Hass zu verbreiten und terroristische Handlungen zu begehen. Sie drohte dem Betreiber der Website mit einer mehrjährigen Gefängnisstrafe. Der Vorfall erregte sogar die Aufmerksamkeit von Greta Thunberg, die in einem Tweet die Menschen dazu aufforderte, die Notlage von FFF India zu unterstützen. „Sie nannten uns Terroristen“, sagt Abhinav. „Nach einem Tag zogen sie ihre Aussage jedoch zurück und behaupteten, dass es nur ein Tippfehler war.“
Vom Ausmaß der Klimakrise bis zur Unterdrückung durch die Regierung – Abhinav hat viel zu tun. Zum Glück ist er nicht allein. Er reiht sich ein in die Reihen vieler anderer junger, hartnäckiger Umweltaktivist*innen auf der ganzen Welt, die sich vernetzen, Kampagnen aufbauen und es schaffen, ihre Stimmen durch digitale Lobbyarbeit zu verstärken.
Gerade Menschen im globalen Süden sind am stärksten von den menschengemachten Klimaveränderungen betroffen. Und sie sind genauso auch Aktivist*innen, Pädagog*innen und Entscheidungsträger*innen für den Wandel. Sie engagieren sich für eine bessere Welt, sie sind innovativ und inspirieren andere, die Probleme anzugehen, mit denen wir als Menschheit konfrontiert sind. Doch in den Medien fehlt es oft an Vielfalt, wenn es um ihre Stimmen und Erfahrungen geht. Mit dieser Interview-Reihe mit Umwelt- und Klima-Aktivist*innen aus Lateinamerika, Afrika und Asien wollen wir dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu beheben und unterrepräsentierten Stimmen innerhalb der Klimabewegung Gehör verschaffen. Hier findest du alle Interviews der Reihe.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.