Digitale Kluft

Der Begriff der digitalen Kluft entstand Mitte der 1990er Jahre und beschreibt den ungleichen Zugang verschiedener Bevölkerungsgruppen zu Informations- und Kommunikations-Technologien (IKT) im nationalen, regionalen und internationalen Vergleich. Die Formulierung steht für die Annahme, dass jenseits der rasanten technologischen Fortschritte einer großen Anzahl von Menschen der Zugang zu diesen Technologien und den damit verbundenen Möglichkeiten verwehrt bleibt.

Autor*in Jenny Louise Becker, 02.06.13

Afrika verzeichnet im weltweiten Vergleich einen merklich eingeschränkten Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien. So steht südlich der Sahara nur rund fünf Prozent der Bevölkerung ein Festnetz- oder Mobiltelefonanschluss zur Verfügung. Ähnlich niedrige Zugangszahlen gibt es ansonsten nur noch im Pazifik und in Südasien.

Gleichzeitig existieren gewaltige Unterschiede innerhalb Afrikas: Während in Nordafrika um die 15 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger einen Telefonanschluss besitzen, gehören Länder wie Botswana mit 37 Prozent oder Südafrika mit 41 Prozent zu den Spitzenreitern des Kontinents und liegen um ein vielfaches über dem gesamtafrikanischen Durchschnitt von ungefähr acht Prozent. Die eingesetzten Technologien unterscheiden sich auch zum Teil erheblich. Während die Satellitenübertragung in nordafrikanischen Ländern für das Fernsehen eine wichtige Rolle spielt, hat sie in vielen Ländern südlich der Sahara kaum eine Bedeutung. Es ist anzunehmen, dass sich die verschiedenen Ausprägungen der digitalen Kluft erheblich in dem Maße vergrößern, in dem Informationen und ihre Übertragung weltweit an Bedeutung gewinnen. Immer mehr Wirtschaftszweige beschäftigen sich vornehmlich mit dem Sammeln sowie der zeitnahen Verarbeitung von Informationen. Selbst in herkömmlichen Unternehmen finden moderne Technologien zahlreiche Anwendungen, beispielsweise durch den Vertrieb von Produkten über das Internet. Die negativen Folgen für die marktwirtschaftliche Aufstellung der von der digitalen Kluft betroffenen Länder sind daher beträchtlich.

(Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung)

Die soziale Dimension der digitalen Spaltung

Aus den USA liegen bereits mehrere empirische Studien zum Problem einer sich verstärkenden Differenz in der Nutzung des Netzes durch unterschiedliche sozio-demographische Gruppen vor. Sie belegen für den Zeitraum bis 2002, dass ein Digital Divide in sozialer Hinsicht besteht und dass sich dieser ausgeweitet hat. Aufgezeigt werden kann das anhand der Parameter: Einkommen, Bildung, Rasse/Ethnie, Region, Alter, Haushaltstyp und Behinderung. Verlierer der Digitalisierung in den USA sind demnach insbesondere Schwarze und Hispanics, generell Haushalte mit niedrigen Einkommen, Haushalte in vorwiegend ländlich geprägten Regionen, Personen mit niederem oder ohne Bildungsabschluss sowie ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen.

Zur Verdeutlichung des Ausmaßes der digitalen Kluft in den USA sei auf Zahlen aus der im April 2003 veröffentlichten Studie „The Ever-Shifting Internet Population“ des Pew Research Center for the People and the Press, einem nach Eigenangaben unabhängigen Meinungsforschungsintitut im Presse- und Medienbereich, verwiesen: Demnach nutzten 42 Prozent aller US-Amerikaner im Jahr 2002 das Internet nicht. Unter diesen Nichtnutzern waren 40 Prozent Weiße, 46 Prozent Hispanics und 55 Prozent Schwarze. Wird nun, um die soziale Dimension des Digital Divide zu beleuchten, der Faktor Einkommen hinzugezogen, so ergibt sich folgendes Bild: Unter den Haushalten mit einem jährlichen Einkommen von weniger als 20 000 Dollar waren als Nichtnutzer auszumachen: 68 Prozent Weiße, 75 Prozent Schwarze und 72 Prozent Hispanics. Das heißt, in dieser Einkommenskategorie lag der Nichtnutzungsgrad mit 26-30 Prozent über dem des Landesdurchschnitts. Ein erster deutlicher Beleg also für den sozial bedingten Mechanismus der Exklusion von digitaler Kommunikation.

Wie sieht die Situation in Deutschland aus?

Auch für dieses Land liegen inzwischen einigermaßen gesicherte empirische Daten vor. Hier beziehen wir uns vorwiegend auf die DIW-Untersuchung, die im Mai 2006 veröffentlicht wurde. In Deutschland nutzten 2005 in der Gruppe der über 16-Jährigen 62 Prozent einen Computer und 53 Prozent das Internet. Obgleich die Nutzerzahlen, die hier sowohl die private als auch die berufliche Nutzung umfassen, seit Mitte der 1980er Jahre (bzw. bezogen auf das Internet seit Anfang der 1990er Jahre) deutlich angestiegen sind, ist der Verbreitungsgrad beider Technologien weiterhin eng mit der Höhe der Schulbildung verbunden. Mehr noch, diese Korrelation hat sich in den vergangenen Jahren noch verstärkt: Mit Ausnahme des Abstands zwischen Personen mitAbitur zu Personen mit Fachabitur, der abgenommen hat, haben die Abstände dieser zu der Gruppe der Realschulabsolventen, zu der Gruppe der Hauptschulabsolventen und schließlich zu der Gruppe ohne Schulabschluss zugenommen. Ruft man sich in Erinnerung, welche Bedeutung PC und Internet im Berufsleben oder für das Recherchieren von Stellenangeboten und das Schreiben von Bewerbungen heute haben, so muss diese Entwicklung in den bildungs- und damit auch arbeitsmarktfernen Gruppen aufmerken lassen. (Quelle: Lothar Bisky, Linksnet)

Die Überwindung der Digitalen Kluft – Warum?

Praktisch bedeutet die Überwindung der digitalen Kluft, die Einbeziehung benachteiligter Länder und Regionen in die globale Informationsgesellschaft durch die Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT).

Neben der Sicherung grundlegender Bedürfnisse wie der Gesundheitsversorgung oder dem Zugang zu sauberem Wasser, ist die Überwindung der digitalen Kluft spätestens mit dem UN Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) zum Thema in der internationalen Zusammenarbeit geworden. Der Grund: Der eingeschränkte oder fehlende Zugang zu IKT wie z.B. dem Internet, bringt nicht nur viele einzelne Menschen in Entwicklungsländern, sondern oftmals die gesamte Volkswirtschaft langfristig in Bedrängnis.

Entwicklungsmotor Internet

Virtuelle Universitäten in Südafrika, medizinischen Ferndiagnosen in Tanzania, die Abfrage aktueller Getreidepreisentwicklungen durch ländliche Kleinbauern via Internet in Indien oder Togo. Der Zugang zu Informationen, die systematische Aufbereitung sowie die Weitergabe von Wissen bildet die Grundlage für nachhaltige Entwicklung. Durch die Überwindung der digitalen Kluft können Entwicklungshemmnisse kostengünstig überwunden werden und Menschen losgelöst von räumlichen Barrieren an politischen und wirtschaftlichen Prozessen partizipieren.

Das WIE des Internet-Gebrauchs ist entscheidend

Dass nicht nur das OB, also der Zugang zum Internet, sondern auch das WIE des Internet-Gebrauchs über den Erfolg seiner Nutzer entscheidet, ist einleuchtend.
Potenziale für die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung birgt vor allem der gezielte Einsatz von IKT im Bildungs- und Gesundheitsbereich oder im Rahmen der Regierungsführung in Kombination mit einer Schulung der Nutzer. Da  IKT wie das Internet räumliche Barrieren überwinden, können vor allem ländlichen Regionen von der Überwindung der digitalen Kluft profitieren.

Beispiele für den Einsatz von IKT im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung:

* Gesundheitsversorgung: Informationen zur Gesundheitsvorsorge können weitläufiger verbreitet werden, Gesundheitsinstitutionen können aber auch selber auf Wissen zurückgreifen und austauschen. Der Einsatz von IKT bringt vor allem für geographisch abgelegene Gesundheitsinstitutionen Vorteile, da Distanzen via Internet überwunden werden. So verfügen ländliche Kliniken oftmals nicht über Spezialisten. Durch eine Vernetzung mit größeren Krankenhäusern können Patienten in unterversorgten Regionen zumindest mit Hilfe von Ferndiagnosen medizinisch versorgt werden (sog. Telemedizin).

* Bildung: Der Mangel an ausgebildetem Lehrpersonal und Schulen lässt IKT für viele Länder oder Regionen zur echten Alternative werden. Denn will man, gemäß dem MDG Nummer zwei eine universelle Schulbildung für alle Kinder bis zum Jahr 2015 in allen Ländern erreichen, so braucht man nach Schätzungen der United Nations Educational, Scientific, and Cultural Organization (UNESCO) zusätzlich weltweit noch einmal 15-35 Millionen ausgebildete und erfahrene Lehrer. Durch den Zugang zu Informationen, zu Lehrmaterial, zu Weiterbildung- und Online-Übungskursen für Lehrpersonal, können IKT zumindest unterstützend im  Bildungssektor eingesetzt werden.

* Politische Partizipation: Wissenstransfer ermöglicht politische Partizipation. Das Internet kann soziale und kulturelle Barrieren überwinden. Wie jüngst Flüchtlingen im Gaza Streifen und im Kongo via Internet eine Stimme erlangt haben, so haben zahlreiche Bewegungen der Zivilgesellschaft, wie die Bewegung gegen Landminen oder für den Schuldenerlass in den vergangenen Jahren im Internet globale Unterstützung gefunden und Menschen mobilisiert.

„The new technologies that are changing our world are not a panacea or a magic bullet. But they are, without doubt, enormously powerful tools for development. They create jobs. They are transforming education, health care, commerce, politics and more“, verdeutlicht Kofi Annan die entwicklungspolitischen Potentiale von IKT.

Bis zum Ende des Jahres 2006 waren etwa 1,2 Milliarden Menschen weltweit online. Bis zum Jahr 2015 sollen gemäß der Zielsetzung der Vereinten Nationen drei Milliarden Menschen an das Internet angeschlossen werden.

Quellen und Links

Autorin: Jenny Louise Becker (RESET-Redaktion/ 2009)

Microsoft mit Open Source-Software in Afrika ärgern

In Afrika wächst eine sehr computer-affine Generation heran. Eine große Rolle bei diesen Entwicklungen spielt freie Software. Während diese Entwicklung vielen Afrikanern einen leichten Einstieg in digitale Welten ermöglicht, sieht Microsoft dies mit großer Sorge. Unser Partnerprojekt Linux4Afrika ist mitverantwortlich.