In den vergangenen Jahren sind in Chile erhebliche Fortschritte gemacht worden, um bezahlbaren Wohnraum für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu schaffen. Allerdings gibt es große Unterschiede in der Lage, Qualität und Versorgung dieser Wohnungen. Der Zugang zu Strom, Wasser und Licht ist für viele immer noch eine Herausforderung. Zwar leben viele Einwohner*innen Chiles in formell errichteten Siedlungen mit gutem Zugang zu sauberem Wasser, aber es wird geschätzt, dass etwa 110.000 Familien in rund 800 informellen Siedlungen leben, die oft am Rande größerer Städte errichtet wurden. In der Hauptstadt Santiago hat die Entwicklung des traditionellen Stadtzentrums zum Beispiel dazu geführt, dass arme Bewohner*innen von wohlhabenderen verdrängt wurden, häufig in eben solche entlegenen, informellen Siedlungen.
In diesen Siedlungen kommt die Elektrizität oft von inoffiziellen „gehackten“ Anschlüssen an das Hauptnetz, was eine gefährliche und unzuverlässige Stromquelle darstellt. Auch sauberes Wasser ist nicht zuverlässig verfügbar – der Weg zum kostbaren Nass ist oft weit. Außerdem verhängen viele Chilen*innen in informellen Siedlungen ihre Fenster, um Privatsphäre und Sicherheit herzustellen – was aber vor natürlichem Licht abschirmt. Das bedeutet, dass informelle Wohnungen auch tagsüber Orte sind, an denen man sich nur schwer treffen, arbeiten oder lernen kann.
Der neuseeländische Architekturdesigner Henry Glogau hat eine innovative Beleuchtung entwickelt, die zumindest einige dieser Probleme angehen soll. Glogaus „Solar Desalination Skylight“ ist ein auffälliges Oberlicht, das nicht nur Räume beleuchtet, ohne dass ein Stromanschluss nötig ist, sondern auch Meerwasser entsalzt. In Chile macht das durchaus Sinn, denn als langes, schmales Land hat Chile eine ausgedehnte Küstenlinie – und somit vielerorts Zugang zum Meer.
Das Design von Glogaus Gerät soll den Überfluss Chiles an zwei natürlichen Ressourcen nutzen – Meerwasser und Licht. Tagsüber wird die Leuchte durch ein kleines Solarpanel mit Strom versorgt, wobei die „Glühbirne“ auch dazu dient, Meerwasser durch Verdampfung und Kondensation zu entsalzen. Das Wasser kann dann von der Leuchte abgezapft werden, um es zum Trinken, Kochen oder für andere Zwecke zu verwenden. Aber auch in der Nacht, wenn Licht noch mehr gefragt ist, kann das Skylight weiter funktionieren. Das Salz, das beim Entsalzungsprozess entsteht, wird in speziellen Röhren gelagert, die Kupfer und Zink enthalten. Das Salz reagiert mit diesen Metallen und bildet zwölf „Salzbatterien“, die auch nachts Licht spenden.
Insgesamt kann ein einzelnes Solar Desalination Skylight bis zu 440 Milliliter gereinigtes Wasser pro Tag produzieren, wobei der Salzgehalt von etwa 36.000 Teilen pro Million auf nur 20 reduziert wird. Die Salzbatterien selbst können dann während der Nacht konstant etwa 9,53 Volt liefern; genug, um eine LED-Lichtleiste zu betreiben.
Das Skylight selbst sorgt nicht nur für die Beleuchtung von Wohn-, Arbeits- und Lernräumen, sondern bildet auch ein markantes Element im Wohnraum. Das gesammelte, entsalzte Wasser erzeugt außerdem einen morphenden, schillernden Effekt, der sich im Laufe des Tages verändert, je nachdem wie viel Wasser gesammelt wird. Laut Glogau erzeugt das Licht so zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedliche Lichtstimmungen.
Derzeit wird der Prototyp der Skylights in informellen Siedlungen in Antofagasta, Chile, in Zusammenarbeit mit lokalen NGOs getestet. Informelle Siedlungen gibt es jedoch nicht nur in Chile. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben rund eine Milliarde Menschen in Slums oder informellen Siedlungen, davon etwa 370 Millionen in Ost- und Südostasien, 238 Millionen in Afrika südlich der Sahara und 227 Millionen in Zentral- und Südasien. Natürlich haben nicht alle von ihnen Zugang zu Meerwasser, aber Hybridprodukte wie das Solar Desalination Skylight könnten dennoch einen Weg aufzeigen, wie man zu erschwinglichen Kosten lebenswichtige Güter bereitstellen kann, die zur Verbesserung der Lebensbedingungen und -möglichkeiten beitragen.
Das Solar Desalination Skylight gehört zu den sechs Finalisten des Lexus Design Award 2021 – der Gewinner soll im April bekannt gegeben werden.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.