Die vertrauensbildende Kraft von Soziallizenzen für Daten

Soziale Lizenzen können als Weg dienen, um die Vertrauenslücke zu schließen, die beim offenen Austausch von Daten besteht – und so mehr Datensharing anregen.

Autor Christian Nathler:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 11.10.23

Umfassende und hochwertige Daten sind eine wichtige Basis für rasche und koordinierte Klimaschutzmaßnahmen. Die Landschaft der klimabezogenen Daten ist jedoch seit langem durch Fragmentierung und mangelnde Zugänglichkeit gekennzeichnet. Viele Daten liegen zum Beispiel bei einzelnen Behörden oder Unternehmen, ohne dass sie geteilt werden.

So gab es zum Beispiel lange eine Kluft zwischen den von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) gesammelten Wetterdaten und den von der Environmental Protection Agency (EPA) verwalteten Daten über Treibhausgasemissionen. Bevor die Datensätze der beiden Behörden zusammengeführt wurden, war es schwierig, extreme Wetterereignisse mit Mustern von CO2-Emissionen zu verknüpfen. Solche geschlossenen Datenökosysteme schränken die Datenkoordinierung ein und behindern eine fundierte Entscheidungsfindung und umfassende Lösungen zur Bewältigung der Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt.

Im Gegensatz dazu geht es bei offenen Daten bzw. Open Data darum, Datensätze frei und ohne Einschränkungen zugänglich zu machen. In einem vom World Resources Institute veröffentlichten Papier heißt es: „Gemeinsame Daten und Informationen sind von grundlegender Bedeutung für das Mainstreaming von Klimamaßnahmen und die Förderung einer koordinierten und kohärenten Reaktion auf den Klimawandel in Regierung und Gesellschaft.“

The Data Tank mit Sitz in Brüssel will das Potenzial offener Daten vorantreiben. Dabei geht es dem Thinktank vor allem darum, Daten nicht nur nützlicher für das Gemeinwohl zu machen, sondern auch ihre Akzeptanz zu erhöhen.

Eine Creative-Commons-Lizenz für Daten

Der Data Tank zielt darauf ab, den vollen Wert von Daten zu erschließen, indem er die Wiederverwendung von Daten, ein Schlüsselelement der „dritten Welle offener Daten“, nutzt. Dabei werden Daten, die ursprünglich für einen bestimmten Zweck erhoben wurden, zur Bewältigung anderer wichtiger gesellschaftlicher Herausforderungen, wie zum Beispiel zur Förderung von Klimaschutzmaßnahmen, wiederverwendet.

Inspiriert von der Creative-Commons-Lizenz, die es Urheber*innen erlaubt, anderen die Nutzung ihrer Musik, Bilder oder Texte unter bestimmten Bedingungen zu gestatten, plädiert The Data Tank für eine neue Art von sozialer Lizenz für die Wiederverwendung von Daten. Die Eigentümer*innen großer Datensätze sollen ermutigt werden, ihre Daten gemeinsam zu nutzen, da sie dadurch Zugang zu den Datensätzen anderer erhalten. Dieser kollaborative Ansatz kann zu einem tieferen Verständnis komplexer Sachverhalte, umfassenderer Forschung und besserer Entscheidungsfindung in verschiedenen Bereichen – von der Umweltüberwachung bis zur Stadtplanung – führen.

Stefaan Verhulst, Mitbegründer von The Data Tank und Experte für die Nutzung von Daten und Technologien für soziale Zwecke, betont die Notwendigkeit eines völlig neuen Ansatzes, der über die individuelle Zustimmung hinausgeht. Seine Vision ist es, bei der Nutzung von Daten die Präferenzen und Prioritäten der Allgemeinheit, aber auch bestimmter Gruppen zu berücksichtigen.

In dieser sich wandelnden Landschaft spielen drei wichtige Ansätze – öffentliches Engagement, Datenverwaltung und rechtliche Rahmenbedingungen – eine entscheidende Rolle bei der Sicherung der sozialen Lizenz für die Wiederverwendung von Daten. Eine einmal erworbene soziale Lizenz bedeutet, dass alle Beteiligten darauf vertrauen, dass die Daten transparent, ethisch korrekt und in einer Weise erhoben, gespeichert und genutzt werden, die ihren Präferenzen und Prioritäten entspricht.

„In dem Maße, wie die Wiederverwendung von Daten zunimmt, müssen soziale Lizenzen für diese Praxis eingeführt werden, um die Lücke zu schließen, die von trägen Regulierungsbehörden und Gesetzgebern auf der ganzen Welt hinterlassen wird“, schreibt Verhulst in einem von Sampriti Saxena mitverfassten Paper.

Günstigere und schnellere Datenerfassung

Die Wiederverwendung von Daten bringt auch zahlreiche Vorteile für Unternehmen und Betriebe. Erstens können sie dadurch die Kosten, den Zeitaufwand und die Umweltbelastung, die mit der Erhebung neuer Daten verbunden sind, reduzieren. Außerdem kann die Wiederverwendung von Daten die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zwischen Organisationen fördern, was zu Innovationen und Fortschritten in der Forschung führen kann.

Vertrauen zwischen Institutionen, Regierungen und der Öffentlichkeit schaffen

Vor allem in Europa ist der Datenschutz ein großes Thema. Verhulst räumt die Besorgnis über Datenmissbrauch ein. Gleichzeitig hält er die Nichtnutzung von Daten für einen unentschuldbaren Chancenverlust. „Daten haben keinen Wert, wenn sie nicht geteilt werden“, betont er gegenüber dem Magazin AufRuhr. „Wir müssen Wege finden, um einen vertrauenswürdigen Umgang mit Daten zu gewährleisten.“

Letztlich sollen soziale Lizenzen für die Wiederverwendung von Daten als Weg dienen, um die Vertrauenslücke zu schließen. In Zukunft können sie eine zentrale Rolle beim Aufbau von Vertrauen zwischen Institutionen, Regierungen und Bürgern spielen. Durch die freie Weitergabe von Daten demonstrieren Organisationen Transparenz, Verantwortlichkeit und ihr Engagement, den Bürger*innen wertvolle Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese Transparenz kann wiederum das Vertrauen in Entscheidungsprozesse fördern, sicherstellen, dass politische Maßnahmen auf Fakten beruhen und Einzelnen die Möglichkeit geben, Behörden zur Verantwortung zu ziehen.

Schließlich steckt in offene Daten die Chance, die Zusammenarbeit und das Engagement zu stärken. Wenn Bürger*innen Zugang zu staatlichen Daten haben, können sie politische Maßnahmen und Dienstleistungen besser verstehen, sich an öffentlichen Diskussionen beteiligen und sich für Veränderungen einsetzen. In Ghana beispielsweise hat eine einzigartige Initiative Bürgerwissenschaft mit offenen Daten kombiniert, um die Verschmutzung der Meere durch Plastik effektiv zu verfolgen.

Die aktive Beteiligung von Bürger*innen und Interessenvertreter*innen ist entscheidend für die Bewältigung komplexer Probleme in unserer zunehmend datenzentrierten Welt – eine Chance, die wir nicht ungenutzt lassen dürfen.

The home screen of the Well Beyond App providing an array of valuable water system management tools and training resources - Courtesy photo by Well Aware
©
Mit der App Well Beyond können Menschen in abgelegenen Gebieten Kenias ihre Wasserversorgung selbst in die Hand nehmen

Eine App der NGO Well Aware unterstützt Gemeinden in Ostafrika bei der Wartung ihrer Brunnen – und sichert so die Wasserversorgung.

Flora Incognita
Mit der App Flora Incognita Pflanzen bestimmen – und die Forschung unterstützen

Die KI gestützte Pflanzenbestimmungs-App liefert dir Namen zu bisher unbekannten Pflanzen und macht dich zum Citizen Scientist.

Wer weiß was über die Weißen Haie im Mittelmeer?

Auch im Mittelmeer gibt es Weiße Haie. Doch viel ist nicht über sie bekannt. Das SharkProject will einige ihrer Geheimnisse lüften - bevor es zu spät ist.

Torge Peters/ Studio Nørden
Civic Tech – Wie können Bürger*innen und Zivilgesellschaft den Umwelt- und Klimaschutz digital mitgestalten?

Sie gestalten Städte mit und erheben Daten zum Klima und zur Umwelt - mit digitalen Tools nehmen Bürger*innen Einfluss auf globale Probleme. Wie aber kann das digitale Engagement gefördert werden?

Eine Open-Source-Plattform unterstützt nachhaltige Landwirt*innen

Auch in der Landwirtschaft dominieren große Konzerne das Angebot digitaler Services. Die kostenlose Open-Source-Plattform LiteFarm setzt dagegen auf Kooperation in der Entwicklung - und hat eine nachhaltige Landwirtschaft zum Ziel.

Nachhaltige Software: Wie freie Lizenzen helfen, unsere Ressourcen zu erhalten

Software ist eine systemrelevante Ressource unserer Gesellschaft geworden. Freie Lizenzen garantieren ihre langfristige Verfügbarkeit. Darüber hinaus kann der Einsatz freier Software auch direkt und indirekt natürliche Ressourcen schonen.

Das Berkeley-Protokoll setzt internationale Standards für digitale Open-Source-Untersuchungen

Untersuchungen auf Basis von Social-Media-Beiträgen und anderen frei zugänglichen Daten können eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltskandalen spielen. Das Berkeley-Protokoll will deren Zuverlässigkeit erhöhen.

Jenga Green Library will Kenias Gebäude mit nachhaltigen Lösungen umgestalten

Ein mangelndes Bewusstsein, zu hohe Preise und schwer zugängliche Informationen behindern nachhaltiges Bauen in Kenia. Die Jenga Green Library könnte hier Abhilfe schaffen.