In der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá ist die enorme Luftverschmutzung schon lange ein großes Problem. Laut einer Studie der Weltbank sterben rund 15.000 Kolumbianer pro Jahr aufgrund der hohen Luftverschmutzung, wobei jeder zwanzigste Todesfall auf schlechte Luft in der Hauptstadt zurückzuführen ist. In den städtischen Ballungsgebieten stammt der Großteil der Schadstoffe von Kraftfahrzeugen, darunter große Flotten von Lieferwagen. Doch diese Fahrzeuge verursachen nicht nur Umwelt- und Gesundheitsprobleme, sondern sie vermindern auch die Lebensqualität der Bogotaner, unter anderem durch Lärmbelästigung und Verkehrsstaus.
Jetzt erprobt die Regierung von Bogotá – die derzeit von der Alianza Verde bzw. Green Alliance geführt wird – ein neues System, um Lieferungen in der Stadt mit Elektrofahrrädern sauberer, schneller und sicherer zu machen.
Die Stadt setzt jetzt 15 Cargo-Fahrräder ein, jedes mit einer Ladekapazität von einem Kubikmeter, um einige der Lieferungen auf der letzten Meile in die Stadt zu ersetzen. Im Rahmen des Versuchs werden zwei Möglichkeiten erforscht, wie das System funktionieren kann. Entweder können die Fahrräder die Waren direkt von lokalen privaten Lagerhäusern abholen, um sie in der Stadt zu verteilen, oder sie können die Fracht an einem so genannten Cross-Docking-Punkt in der Stadt entgegennehmen. Hier können größere Lkws ihre Waren abladen, die dann auf die Fahrräder umgeladen werden.
Obwohl die Fahrräder nur ein Achtel der Ladekapazität eines durchschnittlichen Lkws haben, können sie viel schneller liefern. Sie können sich durch den Verkehr schlängeln, Radwege nutzen und müssen keine Zeit mit der Suche nach einem Parkplatz verbringen. Das macht sie besonders nützlich für die vielen kleineren Läden, die täglich von den Bewohner*innen der Stadt genutzt werden, und könnte Zeit und Geld sparen.
Nach Angaben der Stadtverwaltung von Bogotá könnten durch den Einsatz solcher Fahrräder bis zu 16 Tonnen Emissionen pro Tag eingespart werden.
Mit diesem Pilotprojekt, an dem 15 Unternehmen teilnehmen werden, davon 10 Frachtunternehmen und 5 Logistikunternehmen, gehen wir von einer Verringerung der Umweltverschmutzung, der Staus und der Verkehrsunfälle aus. Bei der Implementierung dieser neuen Technologien, die in verschiedenen Teilen der Welt für eine effizientere und nachhaltigere letzte Meile sorgen, ist uns sehr wichtig, die Unterstützung des Wirtschaftssektors zu haben; nicht nur aus Bogotá, sondern aus dem ganzen Land“, sagt der Sekretär für Mobilität von Bogotá, Nicolás Estupiñán Alvarado.
Und BiciCargo-Lieferant Daniel Sanchez berichtet in einem Interview mit der Deutschen Welle (DW), dass die neuen Fahrräder ihm unmittelbare Vorteile böten. Im Vergleich zur Arbeit als normaler Lieferfahrer ist sein Arbeitstag nun um ein Drittel kürzer und er verdient mehr Geld.
Das Projekt befindet sich derzeit noch in einer Testphase in der Stadt Medellín und soll bis Juni 2021 laufen, danach soll das System in der wesentlich größeren Stadt Bogotá getestet und weiter ausgebaut werden. Ursprünglich wurde die BiciCargo-Plattform von einem Startup entwickelt, der Wechsel nach Bogotá bringt einige Herausforderungen mit sich. Obwohl Medellín mit 2,5 Millionen Einwohner*innen nach unseren Maßstäben eine große Stadt ist, ist sie viel weniger dicht besiedelt als Bogotá mit 7 Millionen Einwohner*innen. Darüber hinaus ist das Geschäftsviertel von Medellín vorrangig in einem bestimmten Gebiet gebündelt, während das von Bogotá weit verstreut ist. Dies ist insbesondere für die Wartung der Fahrräder sowie für die Lebensdauer der Batterien eine große Herausforderung.
Kolumbien ist nicht das einzige Land, das die Vorteile von emissionsfreien Lieferungen erkannt hat. Wir haben bereits über andere Projekte in europäischen Ländern berichtet, die ähnliche Lösungen einführen.
Luftverschmutzung außerhalb der Städte
Die Schadstoffe von Fahrzeugen sind jedoch nur ein Teil von Kolumbiens Luftverschmutzungsproblemen und nur für die Hälfte der luftbedingten Todesfälle verantwortlich. Die andere Seite des Problems ist in den ländlichen Gemeinden von Kolumbien zu finden. In den Innenräumen kann die Luftverschmutzung mitunter zehnmal so hoch sein wie in städtischen Gebieten. Hauptursache ist die Verwendung von Holz- oder Festbrennstoffbrennern zum Kochen und Heizen – oft in schlecht belüfteten Behelfshäusern. 17 Prozent der ländlichen Todesfälle pro Jahr werden so verursacht.
Um hier Verbesserungen zu erzielen, ist es wichtig, die Bevölkerung über die schädlichen Auswirkungen der Verbrennung fester Brennstoffe zu informieren und neue, effizientere und sauberere Methoden zum Kochen und Heizen einzuführen.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original auf unserer englischsprachigen Seite.