Blaue Energie: Ein neues Verfahren macht Osmosekraft günstig nutzbar

Wenn Süßwasser eines Flusses in das salzige Wasser des Meeres mündet, wird unterhalb der Wellen Energie erzeugt.

Sogenannte „Blaue Energie“ wurde bisher als zu teuer für die breite Nutzung eingestuft. In einem neuen Prozess könnten die Anfangskosten jedoch stark sinken.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 06.08.19

Forschende der Stanford University haben eine neue Methode entwickelt, um Osmoseenergie zu nutzen – besser bekannt als blaue Energie. Das neue Verfahren, das ohne bewegliche Komponenten auskommt, keinen Kohlenstoff produziert und keinen anfänglichen Energieaufwand erfordert, könnte energieintensive Branchen wie die Abwasseraufbereitung revolutionieren.

Die theoretischen Grundlagen der blauen Energie wurden erstmals in den 1950er Jahren formuliert. Der zugrunde liegende Prozess ist aber schon von jeher in der Natur zu finden: Er findet überall dort statt, wo sich Wasser mit unterschiedlichen Salzgehalten vermischt, zum Beispiel an Flussmündungen. Bei der Vermischung gleicht sich der Salzgehalt zwischen Salz- und Süßwasser aus, wobei bis zu 2,2 kJ Energie pro Liter Süßwasser freigesetzt werden. 

Bei traditionellen Verfahren der osmotischen Energieerzeugung wird dieser Prozess in zwei Tanks reproduziert, die durch eine semipermeable Membran getrennt sind. Das Süßwasser gelangt durch die Membran in den Salzwassertank, wobei der Druck im Tank erhöht wird und eine konventionelle Turbine angetrieben werden kann. In diesem Video wird das Ganze erklärt (auf Englisch):

Obwohl seit den 1970er Jahren daran geforscht wurde, gingen die Entwicklungen in der Osmoseenergieerzeugung nur langsam voran. Das lag vor allem an den im Vergleich zu fossilen Brennstoffen hohen Kosten für die Installation der Anlagen. Der erste Osmosekraftwerk-Prototyp wurde 2009 in Norwegen in Betrieb genommen, jedoch schon 2013 wieder geschlossen: Es galt als nicht wettbewerbsfähig.

Die Stanford University hat sich dem Problem nun aus einer anderen Richtung genähert: Statt auf Druck und Membranen zurückzugreifen, hat das Forschungsteam eine Batterie entwickelt, die Energie sammelt, wenn Süß- und Salzwasser darüber gespült werden.

Das Verfahren, das im ACS Omega Journal der American Chemical Society veröffentlicht wurde, setzt zunächst Natrium- und Chloridionen aus den Elektroden der Batterie in einer Abwasserlösung frei, wobei der elektrische Strom von einem Elektron zum anderen fließt. Wenn die Elektroden dann mit Meerwasser überspült werden, binden sie die Natrium- und Chloridionen wieder, kehren den Stromfluss um und erzeugen so Strom. Dieser Prozess erfordert keine nennenswerten Vorab-Energieinvestitionen und keine Aufladung – stattdessen entlädt und lädt sich die Batterie ständig ohne zusätzlichen Energieaufwand.

Das Stanford-System verzichtet außerdem auf bewegliche Teile, ist einfach aufgebaut und besteht aus günstigen und leicht verfügbaren Materialien – zum Großteil aus dem Pigment Berliner Blau und Polypyrrol, einer polymeren chemischen Verbindung. Im Vergleich zum oben vorgestellten norwegischen Prototyp sind die Anfangskosten hier deutlich günstiger. Und obwohl die derzeitige Energieproduktion dieses Systems gering ist, birgt die Einfachheit des Designs das Potenzial, den Einsatz in größeren Anlagen zu realisieren.

Derzeit betrachtet das Stanford-Team seine Erfindung nicht als eine Lösung, die geeignet ist, ganze Gemeinden zu versorgen, jedoch könnte sie ein nützliches Mittel sein, um Küsten- und Abwasseranlagen zu unterstützen, damit diese energieunabhängig werden.

Die Abwasserbehandlung macht heute etwa drei Prozent des US-Stromverbrauchs aus. Der Sektor ist für die Aufrechterhaltung der Hygiene und der Gesundheit der Bevölkerung unerlässlich. Kläranlagen sind jedoch anfällig für Stromausfälle – wenn es zu entsprechenden Zwischenfällen kommt, kann das katastrophale Auswirkungen haben. Das in Stanford entwickelte Verfahren für Blaue Energie könnte eine zuverlässige, kostengünstige und saubere Methode zur Wartung dieser Anlagen sein. Überschüssige Energie könnte zudem auf andere nahegelegene Küstenanlagen umgeleitet werden.

Nach dem Erfolg des Prototyps hofft das Team aus Stanford nun, das Experiment ausweiten zu können, um das Leistungspotenzial voll auszuschöpfen.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Keno Röller-Siedenburg. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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