Korallenriffe sind nicht nur eine farbenfrohe Kulisse für Taucher*innen und Schnorchler*innen, sondern auch einzigartige und wichtige Ökosysteme. Für Küstengemeinden auf der ganzen Welt bieten die Riffe Schutz vor den Wellen des Ozeans und sie sind eine wichtige Einkommensquellen für über 500 Millionen Menschen. Aufgrund ihrer hohen Artenvielfalt werden Korallenriffe auch als „Medizinschrank des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet; sie sind die Quelle für viele neue Behandlungsmethoden, von Krebs bis Arthritis.
Leider sind Korallenriffe, wie viele Ökosysteme dieses Planeten, von anthropogenen Einflüssen wie der Verschmutzung der Ozeane und der globalen Erwärmung bedroht. Doch trotz ihrer Bedeutung für Mensch und Umwelt ist relativ wenig über Korallenriffe bekannt. „Wir haben mehr Oberflächen des Mondes und des Mars kartiert als unseren eigenen Ozean“, sagt die Meeresbiologin Dr. Sylvia Earle in einem Video, das NeMo-Net erklärt. „Aber wir können genug sehen, um zu wissen, dass unsere Korallenriffe in Gefahr sind.“
Um Korallenriffe und ihre Bedrohungen besser zu verstehen, nutzen Forschende am Ames Research Center der NASA im kalifornischen Silicon Valley eine neue Technologie, „Fluid Lensing“ genannt. Damit ausgestattete Kameras können durch Wellen verursachte Verzerrungen korrigieren, wenn sie Bilder von Korallenriffen von oben aufnehmen, und ermöglichen so einen detaillierteren Blick unter die Meeresoberfläche als jemals zuvor. Forschende haben die ganze Welt mit unbemannten Luftfahrzeugen (UAVs) bereist und mit Fluid Lensing Korallenriffe, Algen und Seegras in 3D kartiert. Diese Forschung hat jedoch zu riesigen Datensätzen geführt – und um diese sinnvoll zu nutzen, muss zunächst eine Methode entwickelt werden, mit der Muster analysiert oder die Korallen „klassifiziert“ werden können.
Alle Korallenriffe der Welt von Hand zu klassifizieren würde eine phänomenale Zeitspanne in Anspruch nehmen; Schätzungen zufolge mehr als 200 Millionen Jahre. Deshalb greift das Forschungsteam nun auf die Hilfe des NASA-Supercomputers Pleiades zurück, der eine Methode der künstlichen Intelligenz, ein sogenanntes Faltungs-neuronales Netzwerk (CNN) verwendet, um den Klassifizierungs- und Analyseprozess zu automatisieren. Aber CNNs benötigen eine Menge Trainingsdaten, um korrekt zu funktionieren, egal wie „super“ die Computer sind, auf denen sie laufen. Hier kommt die bunte Truppe von NeMo-Net – Schulkindern, Gamer*innen und Naturliebhaber*innen – ins Spiel.
Im Austausch für guten, etwas altmodischen „Bildungsspaß“ lagert NeMo-Net (was für „Neural Multi-Modal Observation and Training Network“ steht) die oft mühsame Aufgabe des Trainings des NASA-Supercomputers an die Nutzer*innen aus und ermöglicht ihnen, etwas über Korallenriffe und Meereswissenschaften zu lernen, während sie gleichzeitig eine globale Korallenkarte und eine große Datenbank aufbauen, die zum Trainieren des CNN verwendet werden kann.
Im Spiel selbst geht es darum, verschiedene Arten von Korallenriffen „einzufärben“, während im Hintergrund ein beruhigender nautischer Soundtrack summt. Für die Spieler*innen wird zufällig ein charmanter Name generiert – wie Jubilant Barnacle oder Captain Manatee – und von da an beginnt die Reise an Bord eines virtuellen Schiffes. Die Strukturen zum Ausmalen werden mit steigendem Level immer komplexer und mehr Funktionen und neue Bereiche kommen hinzu.
Während die Nutzer*innen spielen und etwas über Korallenriffe und die Unterwasserwelt lernen, „lernt“ auch der Supercomputer aus den Korallenklassifizierungen, die im Spiel vorgenommen werden, und verbessert seine eigenen Kartierungsfähigkeiten mit jedem Input. Dank der Techniken des maschinellen Lernens sollte er schließlich in der Lage sein, selbst aus niedrig aufgelösten Daten genaue Klassifizierungen vorzunehmen, um schließlich die Korallen der Welt in einem noch nie dagewesenen räumlichen und zeitlichen Maßstab zu kartieren.
NeMo-Net macht dieses Projekt für ein breites Publikum zugänglich. Damit ist es ein perfektes Beispiel für Citizen Science in Aktion: die Beteiligung der Allgemeinheit an der Durchführung wissenschaftlicher Forschung. Der NASA-Wissenschaftler Dr. Ved Chirayath, der hinter dem Projekt steht, sagt, dass vor allem Kinder ein Händchen für das Spiel haben und oft sogar ausgebildete Biologen übertrumpfen.
Natürlich drängt sich die Frage auf, ob der Einsatz von so jungen Spieler*innen zum Training von künstlicher Intelligenz nicht auch leicht schiefgehen könnte. Aber in diesem Fall ist es schwer, die Nachteile zu sehen. Da sich so viele Kinder ohnehin mit Spielen beschäftigen und technologisch versierter sind als ältere Generationen, werden Spiele, die lehrreich sind – und sogar den Naturschutz unterstützen – zweifellos bei den Eltern beliebt sein.
Im klassischen NASA-Stil könnte die für dieses Projekt entwickelte Technologie auch auf andere Planeten ausgeweitet werden. Bislang wurde die App über 40.000 Mal heruntergeladen und über 70.000 Korallenriff-Klassifizierungen vorgenommen. Sie kann kostenlos für Mac, Android und Windows heruntergeladen werden und ist für Kinder ab vier Jahren geeignet.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original auf unserer englischsprachigen Webseite.