Vor 50 Jahren noch als Allround-Talent für alle Lebenslagen gefeiert, kann es nun mit gutem Gewissen als eine der größten Herausforderungen aller Umweltschützer bezeichnet werden: gemeint ist natürlich Plastik. Es ist mittlerweile hinreichend belegt, dass unser ungezügelter Einsatz von Plastik in den letzten Jahrzehnten verheerende Folgen auf unsere Umwelt, unsere Ökosysteme und unsere Gesundheit hat und noch langfristig haben wird. Außerdem wird herkömmlicher Kunststoff in der Regel unter hohem Energieaufwand aus Erdöl hergestellt und trägt auf diese Weise zum Klimawandel bei. Trotz dieser Erkenntnisse ist es nach wie vor fast unmöglich, in den Supermarkt zu gehen und Produkte ohne Plastikverpackungen einzukaufen. Das Material scheint einfach zu praktisch, um es ganz zu verbannen – es ist leicht, robust, biegsam und hält Waren frisch. Ein neues Material aus Milchproteinen könnte Kunststoffverpackungen jedoch bald den Rang ablaufen: Ein Film aus dem Milchprotein Casein, welches das Verpackungsmaterial der Zukunft sein könnte.
Casein sorgt für luftdichte Frische und ist gleichzeitig essbar
Entwickelt wurde das neue Wundermaterial von einer Forschergruppe rund um Peggy Tomasula von der American Chemical Society (ACS). Das Protein Casein ist ein natürlicher Bestandteil der Milch und sorgt beispielsweise auch dafür, dass Käse eine feste Form bekommt oder Quark stichfest wird. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, die Proteine miteinander in eine netzartige Struktur zu überführen, so dass der Stoff dünn ausgerollt und getrocknet werden kann. Das Ergebnis: ein durchsichtiger und biegsamer dünner Film, der nicht nur biologisch abbaubar und bedenkenlos essbar ist, sondern laut den Forschern frische Lebensmittel sogar bis zu 500 mal besser vor der Zersetzung förderndem Sauerstoff schützt und dabei sogar wasserfest ist. Das neue Material ist also nicht nur umweltfreundlich, sondern tatsächlich besser für die Lebensmittelverpackung geeignet als herkömmliches Plastik. Und durch seine bessere Schutzwirkung gegen äußere Einflüsse könnte es sogar dazu beitragen, Lebensmittelabfälle zu reduzieren.
Dieses Video der American Chemical Society zeigt, wie das Material aus Milch eingesetzt werden kann:
Die Wissenschaftler geben an, dass man der Verpackung aus Milch zudem ohne größere Schwierigkeiten weitere Eigenschaften geben könnte. Der Film könnte beispielweise aromatisiert werden (bisher ist er geschmacksarm) oder mit Vitaminen oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln versehen werden – was dem Material zusätzliche Vorteile, zum Beispiel im Einsatz gegen Unterernährung, verschaffen würde.
Ein bisschen Arbeit wartet allerdings noch auf die Forscher, bis wir unseren Käse direkt mit der Verpackung verspeisen können oder sich der Teebeutel einfach im Becher auflöst. Beispielsweise wird das Material bei höheren Temperaturen weniger wasserabweisend, als es sein sollte. In drei Jahren, so glauben die Entwickler, sollte das Produkt allerdings marktreif sein und seinen Weg in die gängigen Supermärkte gefunden haben. Und dann könnte plastikfreies Leben auch im Mainstream ohne größere Probleme umsetzbar werden!
Eine Frage bleibt indes bisher offen: Woher kommt eigentlich die ganze Milch, die für Casein-Verpackungen im großen Stil gebraucht würde? Wir sind gespannt auf weitere Neuigkeiten zu diesem Material und bleiben dran.
Auch andernorts wird an speziellen Beschichtungen gearbeitet, um Lebensmittel länger haltbar zu machen. Edipeel z.B. ist eine neuartige Anti-Aging-Hülle für Obst und Gemüse und steht kurz davor, auch bei uns zugelassen zu werden. In den Hauptrollen hier: Obst- und Gemüsereset wie Kerne, Stiele, Schalen. Lest selbst: Mit Lebensmitteln Lebensmittel haltbar machen.