Vor wenigen Tagen wurden die Ergebnisse einer Versuchsreihe bekannt, in der Wissenschaftler*innen herausgefunden haben, warum Meeresschildkröten von Plastik im Meer angezogen werden. Die Reptilien verwechseln den Geruch von Plastik mit ihren Futterquellen. Dabei sind sie nicht die einzigen Tiere, denen es so geht und die schlimmstenfalls mit vollem (Plastik-)Magen verhungern. Jedes Jahr landen etwa acht Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren der Welt – zusätzlich zu den geschätzt 150 Millionen Tonnen, die sich bereits jetzt in den marinen Ökosystemen befinden. Ein großer Teil dieses Ozeanplastik sind sogenannte „Geisternetze“, also Fischernetze, die als Müll im Meer gelandet sind. Schätzungen besagen, dass etwa 30 bis 50 Prozent des Plastiks im Meer aus ausgedienten Netzen besteht.
Diese Netze zu finden und zu bergen, ist eine wichtige Aufgabe, denn viele Meeresbewohner verheddern sich in den umhertreibenden Netzen, können zum Atmen nicht mehr an die Wasseroberfläche und ertrinken. Der WWF hat daher die App Geistertaucher entwickelt, die mit dem Wissen der Crowd arbeitet. Fischer*innen, Hobby-Taucher*innen und andere Wassersportler*innen können über die App auf einer Karte Netze und andere Fundstücke melden sowie bereits gemeldeten Meeresmüll verifizieren. Neben der Position können auch Informationen wie Koordinaten, Tauchtiefe, Kurzbeschreibung und Fotos des Funds hochgeladen werden. Im Anschluss überprüfen professionelle Bergungstaucher die Objekte und bergen sie gegebenenfalls.
Alleine in der Ostsee hat der WWF in den letzten Jahren über neun Tonnen an Geisternetzen geborgen. Die App beschränkt sich zunächst einmal auch auf das Gebiet der Ostsee, im nächsten Jahr soll sie dann auf die Nordsee ausgeweitet werden. „Gemeinsam mit den Nutzern der App können wir unser Ziel, Nord- und Ostsee von Geisternetzen zu befreien, erreichen“, sagt Gabriele Dederer, Referentin für Geisternetze beim WWF. Obwohl die Fischernetze früher aus abbaubaren Materialien wie Hanf oder Leinen hergestellt wurden, sind seit den 1960er Jahren Plastikverbundstoffe das Material der Wahl geworden. Wie so viele synthetische Stoffe verrotten die Netze deshalb nur nach einigen hundert Jahren, tragen zur Plastikvermüllung bei und sind ein großer Verursacher von Mikroplastik in den Meeren, da sie in immer kleinere Teile zerrieben werden.
Geisternetze als Folge illlegaler Entsorgung
Doch warum landen die Netze überhaupt erst im Meer? Manche Netze reißen sich von Fangschiffen los, verhaken sich irgendwo am Meeresboden, Stellnetze werden bei Sturm aus ihren Verankerungen gerissen – das alles kann passieren. Viel wesentlicher ist jedoch der Fakt, dass sie nicht mehr eingeholt werden und ordnungsgemäß an den Häfen entsorgt oder eventuell sogar repariert werden. Auch illegaler Fischfang trägt zur Verschmutzung der Meere bei, da dies häufig nachts vonstatten geht und so eventuell durch die schlechte Sicht nicht alle Netze wieder eingeholt werden. Außerdem werden Netze durchgeschnitten, falls illegale Fangbetriebe aufgedeckt werden, weil diese so schnell flüchten können. Laut einer Studie von Greenpeace landen sechs Prozent aller eingesetzten Netze, neun Prozent aller Fallen und 29 Prozent aller Langleinen in den Ozeanen und enden als Meeresmüll. Eine andere Studie von The Ocean Cleanup des Niederländern Boyan Slat untersuchte das Great Pacific Garbage Patch, die weltweit größte Ansammlung von Plastikmüll im Meer zwischen Hawaii und Kalifornien. Hier machen alte Fischernetze 46 Prozent des Mülls aus.
Die Auswirkungen von umhertreibenden Geisternetzen auf das marine Ökosystem sind also enorm. Ebenso wie die Herausforderungen, diese Netze wieder einzusammeln und entweder zu recyclen oder gerecht zu entsorgen. Doch mit der Hilfe von vielen können die benötigten Daten gesammelt werden und die Meere gezielter von ihnen gesäubert werden. Die Geistertaucher-App ist in deutscher und englischer Sprache im App-Store für Android und für iOS kostenfrei erhältlich.