Die (globale) Verantwortung für Elektroschrott übernehmen

Die Entsorgung unserer elektronischen Geräte ist ein globales Problem. Aber mit einem zirkulären Ansatz und einer globalen Vision könnte der Umgang mit Elektroschrott revolutioniert werden.

Autor*in Jan Wisniewski:

Übersetzung Jan Wisniewski, 14.11.18

Das Gerät, auf dem du diesen Artikel liest, hat irgendwann ausgedient – dann wird dein Smartphone, Tablet oder Computer zu Elektroschrott. Das gleiche Schicksal erwartet deine Lieblings-Kopfhörer, Lautsprecher, Videospielkonsolen und Haushaltsgeräte. Und die Nutzung elektronischer Geräten nimmt weiter zu. Die Entsorgung von Elektronik ist bereits jetzt weltweit zu einem großen Problem geworden, rund um den Globus türmen sich ausgediente Geräte, die nur mangelhaft recycelt werden und ihre Giftstoffe ins Erdreich abgeben.

Das Ganze ist keine standortgebundene Herausforderung, sondern eine, die unsere vernetzte, globale Wirtschaft widerspiegelt. Bei der Suche nach Lösungen müssen wir daher eine grenzüberschreitende Perspektive einnehmen – ein Ansatz, den auch Dr. Berrin Tansel von der Florida International University in einem 2016 veröffentlichten Paper zur globalen Herausforderung Elektroschrott vertritt. RESET hat mit ihr für diesen Artikel gesprochen.

Warum sich um Elektroschrott sorgen?

Abgesehen davon, dass sich einfach immer mehr Menschen elektronische Geräte leisten können, gehen die Dinge, die wir kaufen, wegen ihrer schlechten Verarbeitung oft schnell kaputt (jemals von „geplanter Obsoleszenz“ gehört?). Dazu kommt, dass wir sie für ein neues, glänzendes Gerät, das noch mehr Features verspricht, nach immer kürzer werdender Nutzung ersetzen. Dr. Tansels Beispiel Nummer eins sind Mobiltelefone. Mehr als zehn verschiedene Modelltypen wurden in weniger als 20 Jahren auf den Markt gebracht, während sich die klotzartigen Kommunikationsvorrichtungen zu Smartphones entwickelten.

Warum also nicht einfach einen Weg finden, Materialien aus kaputten oder „alten“ Produkten wiederzuverwenden? Viele Länder haben inzwischen Recyclingprogramme für unsere Kunststoff-, Papier- und Metallabfälle entwickelt. Wie die UN University berichtete, wurden jedoch von den 44,7 Millionen Tonnen Elektroschrott, die bis 2016 weltweit erzeugt wurden, nur 20 Prozent über geeignete Kanäle recycelt.

Warum ist das so? Dr. Tansel sieht das Problem als einen „Mangel an Infrastruktur für die Sammlung und Trennung verschiedener Arten von Elektroschrott“. Gleichzeitig gestalten „Designverbesserungen, die die Marktfähigkeit und Haltbarkeit von High-Tech-Produkten erhöhen“ es oft schwierig, Komponenten zu trennen und Materialien zurückzugewinnen.

Elektroschrott entsteht überall. Im Jahr 2016 soll Ozeanien die größte Menge an Elektroschrott pro Einwohner produziert haben, gefolgt von Europa und Amerika. Asien produzierte bei Weitem den meisten Elektroschrott, lag aber pro Kopf hinter den anderen Regionen zurück. Afrika hat sowohl bei der Gesamtproduktion als auch pro Kopf gesehen am wenigsten produziert. Aber der Elektroschrott bleibt nicht dort, wo er entsteht. In ihrer Analyse berichtet Dr. Tansel, dass große Mengen an Elektroschrott weltweit in Gebiete verschifft werden, die stark besiedelt sind, in denen billige Arbeitskräfte verfügbar sind und/oder in denen es keine strengen Umweltauflagen gibt.

Die folgende Karte wurde von Dr. Tansel entwickelt (auf Basis folgender Quellen: E-waste flows and recycling locations: Lundgren, 2012; Chen et al., 2010; Lewis, 2011; UNEP, 2013; World population density map: Worldometers, 2015).

© Dr Berrin Tansel Grenzüberschreitender Transport von Elektroschrott zu großen Entsorgungs- und Recyclingstandorten.

„Der globale Handel mit Elektroschrott hat auf der einen Seite das Entstehen lokaler Unternehmen begünstigt,  hat aber auch unkontrollierte Verarbeitungs- und Materialverwertungsvorgänge zur Folge, die zur Verschlechterung der Boden- und Wasserqualität beitragen“, sagt Dr. Tansel.  Sie moniert, dass „an diesen Standorten Umweltprobleme und Gesundheitsrisiken entstehen“. In einigen Extremfällen macht die Verschmutzung durch elektronische Geräte Orte sogar unbewohnbar. Bessere Recyclingsysteme würden die Probleme in Gebieten, in denen der Elektroschrott landet, mildern – und diese Systeme wären auch profitabel. Die UN University geht davon aus, dass die derzeitigen E-Müllströme wertvolle und knappe Ressourcen verschwenden; bis 2016 seien schon mehr als 55 Milliarden Euro an Wertstoffen „verpasst“ worden.

Dr. Tansel stimmt zu, dass der Markt für recycelte Materialien allmählich wächst, sieht damit aber die großen Herausforderungen für die Entsorgung von Elektroschrott auf globaler Ebene noch nicht gelöst. Eine davon ist das „Fehlen von Rechnungslegungsmechanismen für den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Ländern“. Sie schlägt daher vor, dass für die Entsorgung von Elektroschrott eine Infrastruktur der globalen Rechenschaftspflicht erforderlich ist, die Herstellung, Transport, Recycling und Entsorgung von Elektroschrott“ überwacht. Die Wissenschaftlerin ist der Ansicht, dass ohne diesen globalen Ansatz erhöhte regulatorische Anforderungen dazu führen, dass es in den Industrieländern zu Engpässen bei wirtschaftlich sinnvollen und umweltverträglichen Bewirtschaftungsmöglichkeiten für Elektroschrott kommt. Genau das hat auch dazu beigetragen, den grenzüberschreitenden Verkehr von Elektroschrott zu schaffen.

Effektives E-Waste Management braucht globale Verantwortung und zirkuläre Lösungen

Der derzeitige Umgang mit unseren alten Elektrogeräten ist sowohl gefährlich als auch eine Verschwendung von Ressourcen. Aber wie kann man diesem Mangel an effektivem Management begegnen? Dr. Tansel sagt, dass an Orten, an denen operative Programme zur Entsorgung von Elektroschrott umgesetzt wurden, die Verantwortung entweder bei den Herstellern oder bei den Verbrauchern liegt. Das ist ein Anfang. Um jedoch über die reinen lokalen Systeme hinauszugehen, sollten die Entscheidungsträger die Integration von Elektroschrott in eine Kreislaufwirtschaft fördern – ein Ansatz, der darauf abzielt, den Wert von Produkten so lange wie möglich zu erhalten und Verschwendung zu vermeiden.

Zirkuläre ökonomische Ansätze begünstigen auch die Wiederverwendung, Reparatur, Umverteilung, Aufarbeitung oder Wiederaufarbeitung von Unterhaltungselektronik, bevor das Recycling von Materialien überhaupt ins Spiel kommt. Es wäre also hilfreich, wenn Länder Gesetze zur Förderung zirkulärer Wirtschaftsmodelle umsetzen, bei denen Elektroschrott nicht als Abfall, sondern als Ressource behandelt wird. Wenn es dann an der Zeit ist zu recyceln, müssen effiziente Managementsysteme vorhanden sein – auf der ganzen Welt.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Indra Jungblut. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.

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