Für Klimaaktivist*innen ist die fossile Brennstoffindustrie in rotes Tuch. Denn wie können wir ernsthaft unsere CO2-Emissionen reduzieren, wenn immer noch so viele milliardenschwere Unternehmen in die Produktion von schmutziger Energie investieren? Überall auf der Welt versuchen die mächtigen Investor*innen von Kohle, Öl und Gas weiterhin, ihre Profite gegen die Klimalobby zu schützen.
Um Institutionen auf der ganzen Welt beim Ausstieg aus der Kohle zu unterstützen, hat Urgewald, eine deutsche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation, die Global Coal Exit List (GCEL) entwickelt. Die Online-Datenbank ist die erste Anlaufstelle für Informationen über fast 1000 Unternehmen, die die globale Kohle-Lieferkette bilden.
Wer sind die großen Akteur*innen im Kohlegeschäft? Wie viel Kohle produziert und verkauft ein Unternehmen? Wie hoch ist der Anteil des Umsatzes, der nicht nur aus der Kohleproduktion stammt, sondern auch aus kohleverwandten Geschäftsfeldern wie Bergbauausrüstung und Produktion? Diese komplexen Fragen versucht die GCEL zu beantworten. Mit ihren sehr spezifischen Kriterien gibt die Liste ein genaues Bild der Kohlegeschäfte und der Abhängigkeiten verschiedener Unternehmen, fördert die Transparenz und hilft klimabewussten Investor*innen, Unternehmen zu meiden, die noch immer von Kohle profitieren. Die GCEL ist öffentlich zugänglich und kann sowohl von Unternehmen als auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Journalist*innen und Forschenden eingesehen und auf Fakten überprüft werden.
Jedes Jahr sammelt das Team von Urgewald akribisch Informationen von Unternehmen aus aller Welt, um sicherzustellen, dass der GCEL so umfassend und aktuell wie möglich ist. Die positiven Auswirkungen des GCEL sind bereits spürbar. Die führenden europäischen Versicherer und Vermögensverwalter Allianz (Anlagevolumen von 1800 Milliarden Euro) und Axa (Portfolio von 700 Milliarden Euro) haben sich bereits verpflichtet, aus der Kohle auszusteigen. Und laut GCEL nutzten im November 2020 bereits Institutionen mit einem verwalteten Vermögen von über 14 Billionen USD eines oder mehrere der drei GCEL-Kriterien, um Kohleunternehmen aus ihren Portfolios auszusortieren.
Natürlich ist es nicht nur der gute Wille, der Institutionen dazu bringt, sich von Kohle zu trennen. „Es ist finanziell nicht mehr sinnvoll, in Kohle zu investieren“, erklärt Tohid Khaleghi, Forscher im GCEL-Team. „Es wird immer unrentabler und riskanter. Die Infrastruktur für erneuerbare Energien ist tatsächlich viel nachhaltiger, auch in finanzieller Hinsicht.“
Weiteren Druck auf Investor*innen üben die von vielen Ländern eingeführten und angekündigten Ziele zur Reduzierung fossiler Brennstoffe aus. Der größte Teil Westeuropas und ein bedeutender Teil Mitteleuropas planen den Ausstieg aus der Kohle bis 2030, wobei Länder wie Belgien, Österreich und Schweden bereits „kohlefrei“ sind. Der Wandel hin zu grünen Energien macht die vielversprechenden Branchen Wind-, Solar- und Wasserkraft damit eigentlich zu einer vernünftigeren Wahl. Aber natürlich ist das sogenannte Divestment – also den fossilen Brennstoffen die Gelder zu ziehen – kein Selbstläufer.
„Wie das Divestment erfolgt, ist ebenfalls sehr kritisch“, erklärt Khaleghi. Denn selbst wenn sich Unternehmen angeblich aus der Kohle rausziehen, verkaufen sie die Anlagen oft an private Unternehmen, die im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen nicht so leicht rückverfolgbar sind, oder an Länder, die noch keine strenge Politik für den Kohleausstieg haben. In diesen Fällen wird das Problem dann einfach in Länder mit schwächeren Vorschriften exportiert.
Darüber hinaus fand das Urgewald-Team heraus, dass von den 935 Muttergesellschaften, die auf GCEL gelistet sind, weniger als 25 einen Kohleausstiegsplan haben – eine schockierend niedrige Zahl. Und das, obwohl die kohle-betriebene Stromgeneration jedes Jahr um elf Prozent schrumpfen müsste, wenn das 1.5°C-Ziel in Reichweite bleiben soll. Laut Khaleghi ist ein vollständiger Ausstieg aus der Kohleenergie durchaus möglich – wenn der Wille vorhanden ist. „Die thermische Kohleverstromung ist ohnehin auf einem absteigenden Ast“, sagt er. „Kohle hat bereits einen schlechten Ruf und gilt als klimazerstörend. In Europa gelten kohleorientierte Unternehmen als nicht kreditwürdig und die US-amerikanischen Steinkohlebergbauunternehmen halten kaum noch durch.“
Leider ist Kohle nicht der einzige Energieträger mit katastrophalen Auswirkungen auf die Umwelt. Daher arbeitet Urgewald bereits an einer Divestment-Liste aus anderen fossilen Energieträgern. Der Bericht „Five Years Lost“ liefert noch mehr Informationen über die Entwicklung des GCEL, einschließlich der Banken und Investor*innen, die die fossile Brennstoffindustrie noch finanzieren.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.